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EU-Kommission: Machtprobe zwischen Polen und der EU im Parlament

EU-Kommission

Machtprobe zwischen Polen und der EU im Parlament

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    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hört Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zu.
    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hört Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zu. Foto: Ronald Wittek, dpa

    Als sich Mateusz Morawiecki nach 34 Minuten unter „Bravo“-Rufen seiner Parteikollegen wieder an seinen Platz setzte, ließ es sich der amtierende Parlamentspräsident nicht nehmen, den polnischen Regierungschef mit einem zynischen Kommentar zu rügen. „Die Einhaltung der Redezeit zeigt auch, dass Sie Respekt haben vor dem Haus der europäischen Demokratie.“ Für Morawiecki waren im EU-Parlament in Straßburg eigentlich nur fünf Minuten vorgesehen. Das schien Polens Ministerpräsidenten nicht zu kümmern.

    Er ließ sich Zeit für seine Tirade gegen die EU – und präsentierte seine nationalkonservative PiS-Regierung als Opfer von Brüssel. „Ich bin nicht damit einverstanden, dass Politiker Polen erpressen wollen und Polen drohen.“ Die Kompetenzen der EU hätten ihre Grenzen erreicht. „Wir können nicht länger schweigen, wenn sie überschritten werden.“ Übersetzen ließe sich seine Botschaft aber auch so: Warschau will sich nur noch nach eigenem Gutdünken an EU-Recht halten. Am Ende bezeichnete Morawiecki Europa noch als „besten Ort überhaupt“, als seien die Debatte um Rechtsstaatlichkeit lediglich ein Scherz.

    Ursula von der Leyen äußerte sich "zutiefst besorgt"

    Die Stimmung im Saal war da längst im Keller, der Ton ist ohnehin seit Monaten vergiftet, die Machtprobe eskaliert zunehmend. Das ließ sich trotz Gesichtsmaske an der versteinerten Miene von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen während Morawieckis Ausführungen ablesen. Die Deutsche hatte sich zuvor in ihrer Ansprache „zutiefst besorgt“ geäußert über die Lage in dem osteuropäischen Land, wo die Regierung seit Jahren das Justizwesen umbaut – oder vielmehr zerlegt.

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.
    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Foto: Pawel Supernak, dpa (Archivbild)

    Gerade erst sorgten die Richter des politisch besetzten Warschauer Verfassungstribunals mit ihrer Entscheidung, dass zentrale Teile des EU-Vertrags unvereinbar mit der nationalen Verfassung seien, für Empörung. Damit untergräbt Polen das Fundament der EU, jenes Prinzip, dass die Rechtsprechung der Staatengemeinschaft über der ihrer Mitglieder steht. Von der Leyen betonte: „Ja, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit sind langsamer als die Autokratien, weil sie alle anhören, bevor ein Urteil gefällt wird oder eine Lösung gefunden wird. Aber genau das unterscheidet uns ja von den Autokraten und den Diktatoren dieser Welt.“ Die EU werde „handeln“, versprach sie.

    Manfred Weber warnte vor einem EU-Austritt Polens

    Doch wie soll die Union mit Polen umgehen? Statt konkrete Strafmaßnahmen anzukündigen, zeigte von der Leyen mögliche Sanktionen nur auf. Die reichen von einem weiteren Vertragsverletzungsverfahren bis hin zur Aktivierung des Rechtsstaatsmechanismus. Der ermöglicht es, einem Land Fördermittel zu kürzen oder gar zu streichen. Das EU-Parlament drängt die Kommission seit Monaten, von dem Instrument Gebrauch zu machen.

    Unter den Abgeordneten herrschen dementsprechend viel Frustration und noch mehr Ärger. So hielt sich Manfred Weber (CSU), der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), bei seinem Auftritt auch nicht mit scharfer Kritik zurück. „Durch Ihre Rede heute säen Sie Streit und Spalt in der Europäischen Union“, sagte er an Morawiecki gewandt.

    Der deutsche Europaabgeordnete Manfred Weber nimmt an einer Sitzung im Plenarsaal des Europäischen Parlaments teil.
    Der deutsche Europaabgeordnete Manfred Weber nimmt an einer Sitzung im Plenarsaal des Europäischen Parlaments teil. Foto: Virginia Mayo, dpa (Archivbild)

    Obwohl der polnische Ministerpräsident die Idee eines Polexit, also eines polnischen Austritts aus der EU, mehrmals zurückgewiesen hatte, bemühten zahlreiche Abgeordnete das Wort gestern, darunter auch Weber: „Wer das Primat des Europäischen Gerichtshofes ablehnt, wer die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft ablehnt, wer die Unabhängigkeit der Justiz ablehnt, der tritt faktisch aus der EU als Rechtsgemeinschaft aus.“

    FDP und Grüne mahnen Rechtsstaatlichkeit an

    Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin des EU-Parlaments, forderte klare Maßnahmen vonseiten der Kommission. Die Rechtsstaatskrise sei kein isoliertes polnisches Problem. „Wenn wir es zulassen, dass sich EU-Mitgliedstaaten herauspicken, an welche Teile der gemeinsam vereinbarten europäischen Gesetze sie sich halten, wird sich unsere europäische Gemeinschaft unaufhaltsam auflösen.“ Polen habe sich in eine „rechtsstaatliche Sackgasse manövriert“, befand die Parlamentsvizepräsidentin Nicola Beer (FDP).

    Man werde die polnischen Menschen nicht im Stich lassen. Gleichwohl sei die EU-Mitgliedschaft „kein Club à la carte in Sachen Rechtsstaatlichkeit und bindendem EU-Recht“. Die Kommission müsse die Bürger Polens und diese Union verteidigen, die auf Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit aufgebaut sei, sagte Grünen-Fraktionschefin Ska Keller. „Die Zeit der Untätigkeit ist abgelaufen.“

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