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EU: Juncker und der Steuer-Dschungel

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Juncker und der Steuer-Dschungel

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    „Bitte bemessen Sie meine Glaubwürdigkeit nicht an früheren Ämtern“: Jean-Claude Juncker vor dem EU-Untersuchungsausschuss.
    „Bitte bemessen Sie meine Glaubwürdigkeit nicht an früheren Ämtern“: Jean-Claude Juncker vor dem EU-Untersuchungsausschuss. Foto: Thierry Charlier, afp

    Jean-Claude Juncker blickt nicht gerne zurück. Das merkt man dem EU-Kommissionspräsidenten an, als er am Dienstagnachmittag wieder einmal Rede und Antwort stehen muss vor jenem Gremium, das ein dunkles Kapitel der Union aufdecken soll: dem Untersuchungsausschuss zu den sogenannten Panama-Papers. Es sind jene Enthüllungen über globale Steuerparadiese und -oasen, in denen Multimillionäre und Konzerne ihre Gelder parken, um Steuern zu vermeiden. „Bitte bemessen Sie meine Glaubwürdigkeit nicht an früheren Ämtern, sondern daran, was die Kommission jetzt tut“, bittet er irgendwann die Fragesteller. Es sind die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die seit Monaten das undurchdringliche Dickicht aus Steuerbetrug, Steuervermeidungstaktiken von Großkonzernen und sogar Geldwäsche durchsuchen.

    Wie schwer das ist, macht der Chef des Gremiums, der rheinland-pfälzische CDU-Europaabgeordnete Werner Langen, bereits zu Beginn deutlich: Die Vertretung der Mitgliedstaaten verweigerte Akteneinsicht, die Zusammenarbeit mit der maltesischen Ratspräsidentschaft sei höchst unzufriedenstellend und auch die Vertreter von Banken, Kanzleien und andere ehemalige führende Persönlichkeiten hüllten sich in Schweigen.

    Trotzdem zieht Juncker eine positive Bilanz. Immerhin habe die von ihm geführte EU-Kommission seit ihrer Amtsübernahme 2014 zwölf wegweisende Gesetze erlassen, die eine Revolution in Sachen Transparenz bedeuteten. Eine weitere Vorlage folge in Kürze. Inzwischen würden sich die Finanzbehörden gegenseitig informieren, Daten austauschen, Gewinne müssen dort versteuert werden, wo sie anfallen. Juncker: „Wir leben heute in einer anderen Zeit als vorher.“

    Doch dass die alten Mechanismen noch immer wirken, zeigen seine Antworten auf teilweise bohrende Nachfragen der Abgeordneten. So gibt der Kommissionschef an, erst tags zuvor vom CSU-Abgeordneten Markus Ferber erfahren zu haben, dass die portugiesische Insel Madeira wiederholt die beihilferechtliche Erlaubnis erhalten hat, ein Steuerregime mit extrem niedrigen Sätzen zu betreiben – eine Praxis, über die unsere Zeitung bereits vor Wochen berichtet hat. Eine Liste mit den Steuerparadiesen auf der ganzen Welt, die der SPD-Politiker Peter Simon forderte, lässt weiter auf sich warten. Offizielle Begründung: Pro Land seien zwei Mitarbeiter nötig, die bis zu zwei Jahre bräuchten, um dessen Steuerpraxis zu erheben.

    Juncker bestätigt: „Wir haben nicht genügend Personal für eine solche Recherche“ – und die Mitgliedstaaten behielten Erkenntnisse für sich. Dass Juncker selbst als früherer Premierminister und Finanzminister von Luxemburg an entsprechenden Regeln mitgewirkt haben soll, weist er abermals zurück: Absprachen seien Sache der Steuerbehörden, nicht der Regierung. Er selbst habe niemals irgendwelche Vereinbarungen mit Unternehmen getroffen. Und dass das Großherzogtum selbst nach Inkrafttreten der Zinsrichtlinie den Informationsaustausch über die Abgaben der Konzerne mit der Finanzverwaltung der Nachbarstaaten abgelehnt und stattdessen eine anonymisierte Quellensteuer erhoben habe, sei 2003 bis 2005 sogar vom Europäischen Parlament gebilligt worden.

    Im Übrigen stehe Luxemburg zu Unrecht alleine im Schussfeld der Kritiker. Ähnliche Praktiken habe es auch in den Niederlanden, in Belgien und Österreich gegeben. „Wir wollen heute niemanden anklagen“, hatte Ausschusschef Langen zu Beginn der Befragung gesagt. Trotzdem gerät Juncker immer wieder ins Visier der Abgeordneten.

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