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EU-Gipfel: EU-Sanktionen gegen Belarus, Zuckerbrot und Peitsche für die Türkei

EU-Gipfel

EU-Sanktionen gegen Belarus, Zuckerbrot und Peitsche für die Türkei

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    Rundtischgespräch beim EU-Gipfel in Brüssel.
    Rundtischgespräch beim EU-Gipfel in Brüssel. Foto: Johanna Geron/Reuters Pool via AP, dpa

    Unabhängiger, stärker, einflussreicher - so will EU-Ratschef Charles Michel die Europäische Union in der Welt positionieren. Beim Sondergipfel in Brüssel skizzierten die Staats- und Regierungschefs, wie das gelingen soll. Der Streit um die Sanktionen gegen Belarus und eine gemeinsame Linie gegenüber der Türkei stellte die hohen Ansprüche sogleich auf die Probe.

    Sanktionen gegen Belarus - Drohungen gegen die Türkei: 

    Eigentlich hatten die EU-Staats- und Regierungschefs sich schon Mitte August grundsätzlich darauf geeinigt, Unterstützer des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zu sanktionieren. Das kleine EU-Land Zypern blockierte die Umsetzung jedoch wegen des Konflikts um Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer. Nikosia forderte zugleich Sanktionen gegen Ankara. In der Nacht zum Freitag zog Zypern sein Veto gegen die Belarus-Strafmaßnahmen schließlich zurück und erhielt dafür Zugeständnisse in seinem Kampf für eine harte Türkei-Politik. Die Sanktionsentscheidung sei "wichtig, aber auch überfällig" gewesen, sagte Merkel zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel. Die Strafmaßnahmen traten bereits am Freitag in Kraft.

    Im Konflikt um die Erdgaserkundungen hält die EU ihre Sanktionsdrohungen gegen Ankara aufrecht. Spätestens beim Gipfel im Dezember soll erneut über die Lage gesprochen und entschieden werden, wie es weiter geht. Gleichwohl stellt die EU Ankara eine Erweiterung der Zollunion, Handelserleichterungen und weitere Milliardenhilfe für die Versorgung von Flüchtlingen aus Ländern wie Syrien in Aussicht. Voraussetzung ist laut dem Gipfelbeschluss, dass "die konstruktiven Bemühungen zur Beendigung der illegalen Aktivitäten gegenüber Griechenland und Zypern fortgesetzt werden". Damit reagieren die EU-Staaten darauf, dass es zwar im Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland zuletzt Entspannung gab, nicht aber im Streit zwischen der Türkei und Zypern. 

    Griechenland und Zypern verlangen wegen der Erdgaserkundungen der Türkei seit langem eine stärkere Unterstützung der EU-Partner. Sie sind der Ansicht, dass sie in ihren Seegebieten erfolgen und damit illegal sind. Die Türkei weist die Vorwürfe zurück.

    Die Belarus-Sanktionen sollen zunächst 40 Personen, denen eine Beteiligung an Wahlfälschungen oder der gewaltsamen Niederschlagung von friedlichen Protesten vorgeworfen wird, treffen. Sie werden mit Einreiseverbotes und Vermögenssperren belegt. Lukaschenko selbst wird zunächst nicht darunter sein. Grund ist vor allem, dass dies die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung des Konflikts erschweren könnte. 

    Ein neuer China-Gipfel - ohne China: 

    Ein Gipfel mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Leipzig sollte der Höhepunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft werden. Dann kam die Corona-Pandemie und das für September geplante Treffen wurde abgesagt. Jetzt will die EU stattdessen auf einem Sondergipfel über China statt mit China reden. Die Staats- und Regierungschefs wollen sich dazu am 16. November in Berlin treffen, allerdings ohne Xi. Dabei soll es vor allem um das Investitionsabkommen mit China gehen, das bis Ende des Jahres abgeschlossen werden soll - und um den Klimaschutz.

    Der schmale Grat zwischen wirtschaftlicher Autonomie und Abschottung:

    Spätestens die Corona-Krise hat gezeigt, dass die EU in einigen Wirtschaftsbereichen zu abhängig von anderen Weltregionen ist. Wegen unterbrochener Lieferketten kamen Medikamente oder Ausrüstung nicht an, wichtige Güter wurden knapp. Deshalb will die EU eigenständiger werden - ihr Bekenntnis zum offenen Markt aber nicht aufgeben. Wie viel Autonomie ist gut, und wann wird daraus Abschottung gegenüber Wettbewerbern wie China und den USA? 

    Vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron treibt die sogenannte strategische Autonomie voran. "Wir können kein Markt sein, der nicht strategisch denkt und der auf gewisse Weise der einzige Markt ist, der nur an seine Verbraucher denkt, aber nicht daran, seine Bürger und Produzenten zu schützen um Autonomie aufzubauen", sagte er beim EU-Gipfel. Allerdings legen nicht alle EU-Staaten den Schwerpunkt so sehr auf die Autonomie: Liberale Staaten wie die Niederlande oder die skandinavischen Länder warnen vor neuem Protektionismus. 

    In der Gipfelerklärung heißt es nun: "Das Erreichen strategischer Autonomie bei gleichzeitiger Wahrung einer offenen Wirtschaft ist ein zentrales Ziel der Union." 

    Computer-Clouds und e-ID für die digitale Souveränität:

    Unabhängiger will die EU auch im Digitalen werden. Hier geben bislang die großen US-Konzerne den Ton an. Doch Europa will eigene Standards setzen, Entwicklungen beeinflussen und weniger auf die USA angewiesen sein. Dazu sollen mindestens 20 Prozent des geplanten Corona-Aufbauprogramms ins Digitale fließen - mehr als 100 Milliarden Euro. Werte, Grundrechte und Sicherheit müssten gewahrt bleiben, heißt es im Abschlusstext. Ein solch "menschenzentrierter Ansatz" steigere die Attraktivität des europäischen Modells. 

    Konkret sollen etwa vertrauenswürdige und sichere Clouds geschaffen werden. Europäische Daten sollen in Europa gespeichert und verarbeitet werden. Derzeit blieben 80 Prozent industrieller Daten ungenutzt, sagte von der Leyen. Künftig sollen Forscher und Unternehmen besseren Zugang bekommen. Die EU-Kommission wird aufgerufen, bis März 2021 einen "umfassenden Digital-Kompass" mit Ambitionen bis 2030 vorzulegen. Und auch ein einheitliches europäisches System zur elektronischen Identifizierung - genannt e-ID - gehört zu den Zielen.

    Vergiftung Nawalnys verurteilt - Reaktion in zwei Wochen?

    Die EU verurteilte die Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny. In der Abschlusserklärung heißt es: "Der Gebrauch einer chemischen Waffe stellt einen ernstzunehmenden Bruch internationalen Rechts dar." Am 15. und 16. Oktober wollen sich die Staats- und Regierungschefs erneut mit dem Thema befassen. Dann könnte es auch um eine gemeinsame Reaktion der 27 Mitgliedstaaten gehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte am Freitag aber, dass zunächst die Organisation für das Verbot chemischer Waffen ihre Untersuchungen dazu abschließen müsse. (dpa)

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