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EU-Fraktion: Rechtspopulisten verprassen Geld für Schampus und Canapés

EU-Fraktion

Rechtspopulisten verprassen Geld für Schampus und Canapés

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    Die ENF-Fraktion von Marine Le Pen muss eine halbe Millionen an die EU zurückzahlen.
    Die ENF-Fraktion von Marine Le Pen muss eine halbe Millionen an die EU zurückzahlen. Foto: Michel Euler, AP, dpa (Archivfoto)

    Wenn sich die Redner der rechtsextremen ENF-Fraktion im Europäischen Parlament zu Wort melden, geht es meist um scharfe Kritik an der Verschwendung von nationalen und EU-Steuermitteln. Doch offenbar sind solche Appelle der Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“, kurz ENF, vorrangig für andere gedacht.

    Denn die insgesamt 34 Mitglieder rund um die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen vom einstigen Front National, der sich inzwischen in Rassemblement National umbenannt hat, sind bei sich selbst keineswegs so kritisch.

    544.400 Euro an Spesen fordert die EU zurück

    Marine Le Pen im Porträt

    Marine Le Pen bietet einfache Erklärungen für Frankreichs Probleme: Die "massive Einwanderung" sei schuld und die Entmündigung durch "Technokraten" aus Brüssel.

    Die Rechtspopulistin hat den Auftritt ihrer Partei modernisiert und damit schon viele gute Wahlergebnisse eingefahren.

    Nun steht sie wie 2002 ihr Vater Jean-Marie Le Pen in der Stichwahl um den Élyséepalast.

    Statt mit der martialischen Flamme der Front National (FN) wirbt die 48-Jährige mit einer Rose, ohne Dornen und natürlich in Marineblau.

    Seit sie den Parteivorsitz 2011 von ihrem Vater übernahm, hat sie der Rechtsaußenpartei eine "Entteufelung" verordnet, ein gemäßigteres Auftreten. Offener Rassismus und Antisemitismus werden geahndet. 

    Le Pen setzt aber weiter auf Abschottung und radikale Positionen gegen Europäische Union und Einwanderung. In ihren Reden spielt sie geschickt auf der Klaviatur von Frust und Ängsten etwa vor dem Islam.

    "Feindbilder sind ein fester Bestandteil in der Rhetorik von Marine Le Pen", schreibt Tanja Kuchenbecker, Autorin eines Buchs über die Rechtspopulistin.

    Vorwürfe wie den Verdacht der Scheinbeschäftigung von FN-Mitarbeitern im EU-Parlament konnte die Europaabgeordnete ihren Anhängern bislang als Manöver ihrer Gegner verkaufen.

    Marine Le Pen kam 1968 als jüngste Tochter des rechtsextremen Polit-Haudegens Jean-Marie Le Pen zur Welt, der die FN in vier Jahrzehnten von einer Splittergruppe zu einer wichtigen Stimme in Frankreich machte.

    Im Alter von acht Jahren wurde sie von einer Bombenexplosion aus dem Schlaf gerissen - ein Anschlag auf ihren Vater.

    Die Trennung ihrer Eltern wurde zur Seifenoper, als die Mutter im "Playboy" posierte.

    Le Pen studierte Jura und arbeitete erst als Rechtsanwältin, dann führte sie die Rechtsabteilung der Front National. Sie hat drei Kinder.

    Ihre zwei Ehen gingen auseinander, heute ist sie mit dem FN-Europaabgeordneten Louis Aliot liiert.

    Für die Strategie der "Entteufelung" ließ sie 2015 sogar ihren Vater aus der FN ausschließen, nachdem er die Gaskammern der Nazis erneut als "Detail" der Geschichte bezeichnet hatte.

    Eine sogenannte Mikropartei des 88-Jährigen lieh ihr trotzdem Millionen für den Präsidentschaftswahlkampf.

    Zu der bis 2017 von Le Pen angeführten Fraktion gehört auch die österreichische FPÖ, die italienischen Lega Nord sowie der Deutsche Markus Pretzell, der früher zur AfD zählte, und heute die Partei „Die Blauen“ seiner Frau Frauke Petry vertritt. Nun bekommt die Rechtsaußen-Fraktionsgemeinschaft eine dicke Rechnung für diverse interne Gelage serviert.

    So beschloss das Präsidium des Europäischen Parlament von der ENF-Fraktion 544.400 Euro an Spesen zurückzufordern. Denn man hatte ordentlich aufgetischt. Im Jahre 2016 gönnten sich die Damen und Herren nicht nur 234 Flaschen Champagner – teils zum Stückpreis von 81 Euro. Sie orderten auch Schlemmer-Menüs, die pro Person 400 Euro kosteten.

    Rechtspopulisten trinken Champagner zum Stückpreis von 81 Euro

    Die Mitarbeiter der Rechtspopulisten sollten ebenfalls nicht darben. Deshalb gab es insgesamt 110 Weihnachtspräsente, von denen jedes rund 100 Euro kostete. Bei der Abrechnung der beim Europa-Parlament eingerechten Rechnungen fiel nicht nur die Höhe der Ausgaben auf, sondern auch die Tatsache, dass Belege fehlten.

    Die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses, die CDU-Abgeordnete Ingeborg Gräßle, nannte das Verhalten „nicht hinnehmbar“ und bezeichnete es als weder „vernünftig, noch mit den Grundsätzen eines soliden Finanzmanagements vereinbar“.

    Spesen liegen weit über der erlaubten Grenze

    Neutrale Gutachter monierten die Ausgaben ebenso wie der Europäische Rechnungshof. Die Spesen liegen nach Angaben des Haushaltsausschusses weit über der erlaubten Grenze.

    Zwar zahlt das Parlament den Fraktionen durchaus pro Rechnungsjahr eine Pauschale, die von der Mitgliederzahl abhängt. Auf diese Weise sollen Kosten für Personal, Übersetzer, Bürobedarf, aber auch die Bewirtung von Gästen, deren Einladung zu Anhörungen sowie Fortbildungen gedeckt werden.

    Co-Vorsitzende weist die Vorwürfe zurück

    Aber die Haushaltsrichtlinien sehen vor, dass Events über 15.000 Euro ausgeschrieben werden müssen. Auch das unterließ die ENF-Fraktion und muss nun sehen, wie sie das Geld zusammenkratzt.

    Der Co-Vorsitzende der Fraktion, Nicolas Bay, hatte die Vorwürfe übrigens zurückgewiesen. Die Vorschriften seien keineswegs „absichtlich missachtet“ worden. Das Problem liege bei der „Interpretation der Regeln für öffentliche Ausschreibungen“.

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