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EU-Flüchtlingsgipfel: Für dieses Geschäft mit der Türkei zahlt Europa einen hohen Preis

EU-Flüchtlingsgipfel

Für dieses Geschäft mit der Türkei zahlt Europa einen hohen Preis

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    Die Situation im Flüchtlingslager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze verschlechtert sich zunehmend. Hier trägt ein Vater sein Kind nach heftigen Regenfällen durch den Nebel.
    Die Situation im Flüchtlingslager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze verschlechtert sich zunehmend. Hier trägt ein Vater sein Kind nach heftigen Regenfällen durch den Nebel. Foto: Kay Nietfeld (dpa)

    Die Zeiten irregulärer Zuwanderung sind vorüber“, frohlockt EU-Ratspräsident Tusk. Und Kanzlerin Merkel, die vor den Landtagswahlen ein konkreteres Ergebnis gebraucht hätte, sieht den „Durchbruch“ zum Greifen nahe. Derlei Schönfärberei ist das eine, die Realität das andere. In Wahrheit ist Europa noch immer meilenweit von einer Entschärfung oder gar dauerhaften Lösung der Flüchtlingskrise entfernt.

    Der Europäischen Union ist, sofern die Abmachung mit der Türkei nächste Woche zustandekommt, allenfalls ein Schritt nach vorn gelungen. Der Laden ist nicht auseinandergeflogen, die Chance einer gemeinsamen Antwort auf diese historische Herausforderung gewahrt: Das ist das Beste, was sich nach Monaten heillosen Durcheinanders und einer unkontrollierten Massenzuwanderung über diesen EU-Gipfel sagen lässt.

    Österreich und die Westbalkanländer haben das Chaos gebändigt

    2015 sind über 1,5 Millionen Asylbewerber, Bürgerkriegs- und Armutsflüchtlinge aus den islamischen Krisenregionen nach Europa gekommen und zum überwiegenden Teil nach Deutschland durchgewunken worden. Das war das Ergebnis jener Politik der offenen Grenzen, die heute außer

    In Brüssel ist deutlich geworden, dass nahezu ganz Europa hinter dieser Notmaßnahme steht. Neue Grenzzäune sind keine Lösung, nationale Alleingänge Gift für die EU. Und Griechenland, wo nun Zehntausende feststecken, gerät dadurch in schwerste Bedrängnis. Aber es sind Österreich und die Westbalkanländer, die das Chaos gebändigt und damit Zeit und Spielraum für die (notwendige) europäische Lösung geschaffen haben. Diese steht oder fällt mit der Bereitschaft der Türkei zur engen Zusammenarbeit.

    Der Plan geht jetzt so: Die Türkei nimmt alle Syrer und Wirtschaftsmigranten, die über die Ägäis nach Griechenland kommen, wieder zurück – und die EU lässt im Gegenzug genausoviele, in der Türkei lebende Flüchtlinge einreisen. Wie groß diese „Kontingente“ sein sollen und wie das alles konkret und im Einklang mit dem Asylrecht geschehen soll, das ist – neben der bisher gescheiterten Verteilung der Flüchtlinge auf ganz Europa – noch völlig ungeklärt. Doch der Plan klingt vielversprechend und könnte – sofern er funktioniert – die irreguläre, unkontrollierte Zuwanderung in eine legale, geordnete verwandeln.

    Die EU begibt sich in die Abhängigkeit der Türkei

    Der Haken daran ist: Die EU zahlt für diesen von Merkel eingefädelten Deal mit dem autoritären, demokratische Grundrechte missachtenden Regime Erdogans nicht nur einen hohen finanziellen und politischen Preis. Sie begibt sich auch in die Abhängigkeit von der Türkei, die den Flüchtlingsstrom nach Belieben regulieren kann. Die Realpolitik erfordert auch fragwürdige Geschäfte; ohne eine Kooperation mit der Türkei geht es nicht. Aber wie verlässlich und gut ist ein Plan, der die EU zum Spielball der Türkei macht?

    Die EU wird erpressbar, weil sie außerstande ist, ihre Außengrenzen aus eigener Kraft zu sichern und zu entscheiden, wer Zutritt erhalten soll und wer nicht. Man überlässt, aus Furcht vor den „hässlichen Bildern“ an den Grenzen, das harte Geschäft, Menschen den Weg nach Europa zu versperren, den Türken – gegen viel Geld und gegen eine Eintrittskarte in die EU. Das mag sich für die Anhänger einer unbegrenzten deutschen Aufnahmebereitschaft moralisch besser anfühlen als die härtere Linie anderer EU-Staaten. Moralisch wertvoller jedoch ist dieses Geschäft mit der Türkei gewiss nicht.

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