Die Justizkommissarin der EU war sichtlich angefressen. „Ich verberge nicht, dass wir für die Europäische Union eine gemeinsame Lösung möchten“, sagte Vera Jourova, bevor sie sich mit den Justizministern per Video-Konferenz zusammenschaltete. Der Kampf gegen Hass und Hetze im Internet stand im Mittelpunkt des Treffens. Und ausgerechnet Christine Lambrecht (SPD), Chefin des Justizressorts der Bundesregierung und als Vertreterin der deutschen EU-Ratspräsidentschaft nunmehr Leiterin der Runde, war vorgeprescht.
In Kürze tritt das neue deutsche Gesetz in Kraft, das den Betreibern der sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter und Co. weitere Pflichten auferlegt: Sie werden dann rechtsextremistische Inhalte und Hasskriminalität, bei denen Personen offen mit Gewalt und Vergewaltigung bedroht werden, nicht mehr nur löschen, sondern mit IP-Adresse ans Bundeskriminalamt weiterleiten müssen. Bei besonders schweren Straftaten wie Terrorismus und Tötungsdelikten sollen nach einem Richterbeschluss auch Passwörter verlangt werden dürfen.
Mitgliedstaaten wollen sich gegen Verschwörungstheorien im Netz einsetzen
Das Gesetz ist eine Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, das seit 2017 gilt. Jourova zeigte sich immerhin bereit, aus den deutschen Erfahrungen „zu lernen“. Die Kommissarin betonte: „Wir würden die Verantwortung der Plattformen und die Transparenz dessen, was in ihren Systemen geschieht, gerne erhöhen.“ Denn man brauche mehr Sicherheit und Regeln. Dazu soll auch ein konsequenteres Vorgehen gegen Verschwörungstheorien gehören. Das Leugnen und Verdrehen von Fakten über das Virus könne „lebensgefährlich“ sein: „Immer dann, wenn zum Beispiel eine Pandemie insgesamt infrage gestellt wird oder absurde Heilmittel angeboten oder angepriesen werden.“ Dazu zählt zum Beispiel der Hinweis, Bleichmittel seien ein probates Mittel im Kampf gegen das Covid-19-Virus.
Deshalb wollen sich die Mitgliedstaaten vor allem gegen Verschwörungstheorien und Desinformation im Netz einsetzen. Solche Inhalte hätten „in der Corona-Krise immer wieder zur Hetze gegen Menschen asiatischer Herkunft sowie Rassismus und Antisemitismus“ geführt, sagte Lambrecht zum Abschluss. Konkrete Ergebnisse blieben Mangelware. Die Minister tauschten sich lediglich über mögliche Gegenmaßnahmen im Rahmen des geplanten Gesetzes für digitale Dienste aus. Fest steht, dass die Redefreiheit als hohes Gut unangetastet bleiben solle.
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssen „gerade jetzt gestärkt werden“
Deutliche Worte fanden die Minister dagegen zu den Themen Rechtsstaatlichkeit und vorübergehende Einschränkung der Freiheitsrechte, wie dies beim Lockdown der Fall war. „Keine Freiheit darf auch nur einen Tag länger eingeschränkt bleiben als unbedingt nötig“, betonte Lambrecht. Die demokratische Mitbestimmung müsse in Krisenzeiten jederzeit gewahrt bleiben.
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssten „gerade jetzt gestärkt werden“. Die Minister warnten davor, dass „Populisten und Radikale versuchen, die Not zu missbrauchen, in die die Menschen durch die Coronavirus-Krise geraten“ seien.
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