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EM-Boykott von Merkel und Co.: Tod und Spiele

EM-Boykott von Merkel und Co.

Tod und Spiele

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    Bei den Olympischen Spielen in Mexiko demonstrieren die Amerikaner Tommie Smith (M, Goldmedaille) und John Carlos (r, Bronzemedaille) mit hochgereckter geballter Faust in schwarzem Handschuh für die "Black Power"-Bewegung. Den Moment ihres größten Triumphs nutzten Tommie Smith und John Carlos nicht zur Party - sie entschieden sich für den Protest auf dem Podest.
    Bei den Olympischen Spielen in Mexiko demonstrieren die Amerikaner Tommie Smith (M, Goldmedaille) und John Carlos (r, Bronzemedaille) mit hochgereckter geballter Faust in schwarzem Handschuh für die "Black Power"-Bewegung. Den Moment ihres größten Triumphs nutzten Tommie Smith und John Carlos nicht zur Party - sie entschieden sich für den Protest auf dem Podest. Foto: dpa, Archiv

    Internationale Sportveranstaltungen wurden schon oft genutzt, um Politik zu machen. Die Zielrichtungen waren dabei ganz unterschiedlich: Nazi-Diktator Adolf Hitler missbrauchte die Olympischen Spiele des Jahres 1936 zu Propagandazwecken, das südafrikanische Apartheid-Regime wurde über den Ausschluss von Umgang der Regierung mit Oppositionellen, allen voran Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko.

    Protestaktionen mit Wirkung

    „Sport ist die wahrscheinlich größte Kommunikationsplattform der Welt“, sagt der Präsident des Deutschen Olympischen

    Mit der rasanten Verbreitung von Radio und Fernsehen stiegen auch die Möglichkeiten, mit Protestaktionen Wirkung zu erreichen. 1968 nutzte die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung die Olympischen Spiele in Mexiko, um gegen Rassendiskriminierung zu demonstrieren. Die beiden farbigen 200-Meter-Läufer Tommie Smith und John Carlos, die Gold und Bronze gewannen, reckten auf dem Podest bei der Siegerehrung ihre in schwarze Handschuhe gehüllten Fäuste in die Luft – das Symbol der „Black Power“-Bewegung.

    Höhepunkt der Boykott-Welle

    „Die Wirksamkeit solcher Aktionen war unterschiedlich, ist aber insgesamt als beträchtlich bis stark zu werten“, sagt der Kölner Sportpolitik-Professor Jürgen Mittag. Kaum zu unterschätzen sei beispielsweise der Ausschluss Südafrikas von internationalen Sportveranstaltungen während des Apartheid-Regimes. „Es ist dadurch bisweilen mehr Druck auf Südafrika ausgeübt worden als durch sämtliche Wirtschaftssanktionen und Wirtschaftsboykotte.“ Als Flop wertet der Wissenschaftler Mittag hingegen die zahlreichen Olympia-Boykotte zu Zeiten des Kalten Krieges.

    Zwischen 1958 und 1980 verzichtete China auf eine Teilnahme, weil Taiwan dabei war. 1956 blieben die Niederlande, Spanien und die Schweiz den Spielen in Melbourne wegen der Niederschlagung des Volksaufstands in Ungarn fern. Ägypten, der Irak, Kambodscha und der Libanon boykottierten dieselben Spiele aus Protest gegen die israelische Besetzung der Sinai-Halbinsel.

    Der Höhepunkt der Boykott-Welle folgte in den 80er Jahren. 1980 verzichteten die USA und in ihrem Gefolge rund 40 weitere westliche Staaten auf die Teilnahme an den Spielen in Moskau. Anlass war der sowjetische Einmarsch in Afghanistan. Die Sowjetunion und 13 Bruderstaaten revanchierten sich 1984 mit dem Boykott der Spiele in Los Angeles. „Das sind eher Beispiele für den Weg in die Sackgasse“, sagt Mittag. Niemand sei damit glücklich geworden. Politisch blieben die Aktionen wirkungslos und bei den Sportlern riefen die Boykotte erhebliche Frustrationen hervor.

    Uli Hoeneß ruft Spieler zur Stellunganhme auf

    Im aktuellen Fall der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine wird ein Boykott wohl auch wegen der Erfahrungen in den 80er Jahren gar nicht erst diskutiert. Stattdessen distanziert sich die Politik von der Regierung um Präsident Viktor Janukowitsch, indem sie mit dem Verzicht auf einen Besuch in den EM-Stadien droht. „Genau mit dieser kritischen Wahrung von Distanz vermag man es, Veränderungsprozesse in die Wege zu leiten“, sagt Mittag.

    Funktionäre und Sportler selbst beobachten Vereinnahmungsversuche seitens der Politik skeptisch. „Der Sport darf nicht zum Knüppel der Politik werden“, sagt DOSB-Präsident Bach. „Wenn der Sport in politischen und Menschenrechtsfragen nachhaltig positiv wirken will, muss er politisch neutral, aber nicht apolitisch handeln.“ Die aktuelle Debatte über die Inhaftierung der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko und deren Gesundheitszustand begrüßt Bach in diesem Sinne. Man dürfe den Sport aber nicht überfordern, betont er. „Der Sport ist nicht in der Lage, für die Einhaltung und Umsetzung der Charta der Vereinten Nationen zu sorgen. Dies ist Aufgabe der Politik.“

    Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß rief die deutschen Fußball-Nationalspieler dazu auf, sich zur Menschenrechtslage in der Ukraine zu äußern. „Sie würden damit Größe zeigen“, sagte Hoeneß dem Spiegel. „Ich hätte Respekt vor jedem Spieler, der öffentlich Stellung zu diesem Thema bezieht.“ dpa, afp

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