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Drogenpolitik: Wird Cannabis nach der Bundestagswahl legalisiert?

Drogenpolitik

Wird Cannabis nach der Bundestagswahl legalisiert?

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    Cannabis ist in Deutschland verboten - doch international gibt es immer mehr Länder, die die Droge legalisieren oder entkriminalisieren. Was könnte nach der Bundestagswahl passieren?
    Cannabis ist in Deutschland verboten - doch international gibt es immer mehr Länder, die die Droge legalisieren oder entkriminalisieren. Was könnte nach der Bundestagswahl passieren? Foto: William Archie, Detroit Free Pre, dpa (Symbolbild)

    Die Cannabis-Politik ist schon seit Jahrzehnten ein Streitthema in Deutschland – doch verändert hat sich wenig. Zwar darf Marihuana in bestimmten Fällen für medizinische Zwecke verschrieben werden, doch grundsätzlich gilt: Cannabis ist illegal. Doch wie lange noch? Schließlich haben die Wahlprogramme von SPD, Grünen, FDP und Linken eines gemeinsam: Sie stehen einer Legalisierung offen gegenüber.

    Von den aktuell im Bundestag vertretenen Fraktionen lehnen nur Union und AfD eine Legalisierung ab. Mit der

    Das steht in den Wahlprogrammen der Parteien zum Thema Cannabis

    Union: Eine Legalisierung illegaler Drogen lehnen wir ab. Zu groß sind die gesundheitlichen Folgen für den Einzelnen und die Auswirkungen auf Familie, Umfeld und Gesellschaft. Wer legalisiert, der stellt gerade nicht Gesundheits- und Jugendschutz in den Mittelpunkt der Drogenpolitik, entzieht sich seiner Verantwortung und lässt Betroffene sowie ihre Angehörigen mit den Problemen allein. Das ist nicht unser Weg.

    SPD: Wie Alkohol ist auch Cannabis eine gesellschaftliche Realität, mit der wir einen adäquaten politischen Umgang finden müssen. Verbote und Kriminalisierung haben den Konsum nicht gesenkt, sie stehen einer effektiven Suchtprävention und Jugendschutz entgegen und binden enorme Ressourcen bei Justiz und Polizei. Eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene soll in Modellprojekten von Ländern und Kommunen erprobt werden können, begleitet durch Maßnahmen der Prävention, Beratung und Behandlung im Jugendbereich.

    Grüne: Das derzeitige Verbot von Cannabis verursacht mehr Probleme, als es löst. Deshalb werden wir dem Schwarzmarkt den Boden entziehen und mit einem Cannabiskontrollgesetz auf der Grundlage eines strikten Jugend- und Verbraucherschutzes einen regulierten Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen und klare Regelungen für die Teilnahme am Straßenverkehr einführen.

    FDP: Wir setzen uns dafür ein, den Besitz und Konsum für volljährige Personen zu erlauben. Nur mit einem Verkauf in lizenzierten Geschäften können die Qualität kontrolliert, die Weitergabe von verunreinigten Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet werden. Wenn Cannabis ähnlich wie Zigaretten besteuert wird, können jährlich bis zu einer Milliarde Euro eingenommen werden. [...] Das Verbot von Cannabis kriminalisiert unzählige Menschen, bindet immense Polizeiressourcen und erleichtert durch illegalen Kontakt zu Dealern den Einstieg zu härteren Drogen.

    Linke: Wir wollen Cannabis legalisieren. Wir wollen eine vorrangig nichtkommerzielle Bezugsmöglichkeit schaffen und den Besitz sowie Anbau zum eigenen Bedarf erlauben. Als zeitlich befristete Übergangslösung schlagen wir Modellprojekte zur legalen Verfügbarkeit in den Bundesländern bei gleichzeitiger bundesweiter Entkriminalisierung der Konsumierenden vor.

    AfD: Cannabis nur in der Medizin: Für medizinische Indikationen sollen unter ärztlicher Aufsicht Präparate mit dem Hauptwirkstoff zur Verfügung stehen. Wir befürworten den Ausbau der suchtpsychiatrischen Versorgung für eine dauerhafte Abstinenz von Drogen.

    Maximilian Funke forscht zum Thema Drogenpolitik im internationalen Vergleich und untersucht in seiner Doktorarbeit, die er gerade an der Graduate School of Politics in Münster schreibt, welchen Einfluss Regierungsparteien auf die nationalen Drogenpolitiken haben. Er erklärt: "Grundsätzlich halte ich die Chancen für eine Reform beim Thema Cannabis für hoch."

    Maximilian Funke untersucht in seiner Doktorarbeit, welchen Einfluss Regierungsparteien auf die nationalen Drogenpolitiken haben.
    Maximilian Funke untersucht in seiner Doktorarbeit, welchen Einfluss Regierungsparteien auf die nationalen Drogenpolitiken haben. Foto: Funke

    Natürlich sei das vom Wahlausgang abhängig. Doch selbst Daniela Ludwig, Drogenbeauftragte der Bundesregierung und CSU-Politikerin, hat vor Kurzem erklärt, sie könne sich zwar keine Legalisierung, aber eine Regelung nach dem Vorbild des portugiesischen Modells vorstellen. Dort ist Cannabis nicht legal, aber der Konsum und der Besitz sind keine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit. Strafen könnten dann etwa verpflichtende Beratungen sein. Die Junge Union aus den Augsburger Stadtteilen Bärenkeller, Oberhausen und Kriegshaber fordert gar entgegen der vorherrschenden Meinung innerhalb der Partei und der Jugendorganisation eine Legalisierung.

    Vor einer Cannabis-Legalisierung könnte es Modellprojekte geben

    Eine Reform scheint daher möglich. Wissenschaftler Funke glaubt allerdings nicht an eine sofortige Legalisierung, selbst bei einer Regierung ohne die Union. "Aufgrund der Konflikthaftigkeit des Themas gibt es bei der Umsetzung wohl dann doch eine gewisse Zurückhaltung. Ich denke, dass es am Anfang eher um die Einführung von Modellprojekten gehen wird."

    Denn die Befürworterinnen und Befürworter haben ein Problem: Sie argumentieren, dass eine Cannabis-Legalisierung allerlei positive Effekte haben würde – die sind aber schwer vorherzusagen. Dem gegenüber steht das Gegenargument, dass Cannabis eine nicht ungefährliche Droge ist. Gesundheitliche Risiken sind nachgewiesen, wie das Gesundheitsministerium auf seiner Seite betont. "Besonders schädlich ist der Cannabiskonsum in der frühen Jugend", heißt es da mit Verweis auf eine Studie der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München. Die fasst den aktuellen Forschungsstand zusammen und berichtet unter anderem von nachgewiesenen Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistung, erhöhtem Risiko für psychotische Störungen und von verschiedenen Organschädigungen infolge von Cannabiskonsum.

    Durch Modellprojekte könnte eine neue Regierung harte Zahlen sammeln, die ihre Thesen über die Auswirkung einer Legalisierung stützen, erklärt Funke – derartige Ideen finden sich auch in den Wahlprogrammen der SPD und der Linken. "Am wahrscheinlichsten ist, dass wir einen Mittelweg gehen, der darauf vorbereiten soll, dass in Zukunft weitreichendere Reformen umgesetzt werden könnten", schätzt der Experte.

    Welche Auswirkungen hätte eine Cannabis-Legalisierung?

    Ein Argument für eine liberale Cannabis-Politik ist die Regulierung des Schwarzmarktes. Schließlich wird Cannabis trotz Verbot massenhaft verkauft – Studien gehen von bis zu vier Millionen Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland aus. Was es auf dem Schwarzmarkt nicht gibt: Alterskontrollen, Beschränkungen beim THC-Gehalt und wirksame Maßnahmen gegen Verunreinigungen. "Oftmals wird angenommen, Prohibition wäre die ultimative Form der Regulierung", sagt Funke. "Dabei ist es eigentlich das Gegenteil. Prohibition bedeutet, der Staat übernimmt überhaupt keine Kontrolle mehr für die Substanzen, die auf dem Markt gehandelt werden."

    Die Frage ist aber, ob eine Legalisierung diese Probleme wirklich lösen würde. Außerdem könnte es zusätzliche negative Folgen geben, wie etwa einen Anstieg der Konsumentenzahl und der daraus resultierenden gesundheitlichen Probleme, warnen Gegner einer Legalisierung. Die Union sieht im Verbot den richtigen Weg, um den Konsum einzudämmen, und warnt vor einer Verharmlosung.

    Recht konkret mit Zahlen belegen lässt sich zumindest ein Teil eines weiteren Argumentes für eine Legalisierung: Die Verfolgung von Cannabis-Delikten ist ein enormer Aufwand für den Rechtsstaat. So verzeichnet der Bericht des Bundeskriminalamtes zum Thema Rauschgiftkriminalität im vergangenen Jahr 220.000 Fälle im Zusammenhang mit der Droge. Der größte Teil davon, nämlich rund 188.000 Fälle, waren im Bereich des persönlichen Konsums. Jeder Fall muss aufgenommen werden, gegebenenfalls folgt eine Anzeige und weitere Ermittlungen.

    Die Verfolgung von Cannabis-Konsumentinnen und -Konsumenten bindet viele Ressourcen bei der Polizei

    Legalisierungs-Befürworterinnen und -Befürworter fordern, diese Ressourcen statt gegen die Konsumenten lieber gegen den illegalen Drogenhandel auf dem Schwarzmarkt zu nutzen. "Dadurch, dass kleine Delikte aufgedeckt werden, hat der Staat bei der Bekämpfung von

    Doch würde die Cannabis-Legalisierung am Ende wirklich beim Kampf gegen den illegalen Drogenhandel helfen? Bei der Klärung dieser Frage könnten auch Daten aus anderen Ländern helfen, die Marihuana legalisiert haben. "Bis dato gibt es aber nur wenige Länder, die den Weg einer vollständigen Legalisierung eingeschlagen haben", erklärt Funke. Es fehlten Erfahrung. Aus dem holländischen System lasse sich nur wenig ableiten, weil dort nur ein Graubereich geschaffen wurde. Coffeeshops werden zwar geduldet – doch der dafür nötige Handel im großen Stil ist weiterhin illegal.

    Anders ist die Situation zum Beispiel in mehreren US-Bundesstaaten, in Kanada und auch in Uruguay, wo in den vergangenen Jahren viel weitreichendere Reformen verabschiedet wurden. "Jetzt kann man auch schauen, ob man aus diesen Ländern belastbare Daten zu möglichen Auswirkungen generieren kann." In Uruguay zeige sich etwa bereits, dass der legale Cannabis-Verkauf in Apotheken dazu führe, dass die Konsumentinnen und Konsumenten deutlich weniger Kontakt zu Dealern haben, die auch andere Drogen verkaufen. "Die praktischen Erfahrungen in Uruguay zeigen: Die Legalisierung kann verhindern, dass die Leute über den Cannabis-Konsum an andere Drogen gelangen." Genaue gesundheitliche Effekte der Legalisierung müsse man aber langfristig beobachten.

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