Hunderttausende Menschen stecken in Deutschland dauerhaft im Hartz-IV-System fest. Das zeigen Zahlen, die das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der AfD-Fraktion im Bundestag zur Verfügung gestellt hat.
Zudem gibt es einen "Drehtür-Effekt": Viele in Jobs vermittelte Betroffene landen nach kurzer Zeit wieder beim Jobcenter. Nach dem SPD-Parteitag am Wochenende wird nun erneut über die Zukunft von Hartz IV debattiert. Die Sozialdemokraten hatten beschlossen, das System ihres Ex-Kanzlers Gerhard Schröder hinter sich zu lassen. Das stößt auf Beifall und Kritik.
Den Zahlen des Bundesarbeitsministeriums zufolge bezogen im Oktober rund 991.000 Menschen seit mindestens zehn Jahren Hartz-IV-Leistungen. Mehr als die Hälfte davon (rund 548.000) sind sogar schon seit mehr als 14 Jahren im sogenannten Regelleistungsbezug.
Sie beziehen also seit 2005, dem Jahr der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum sogenannten Hartz IV unter dem damaligen Kanzler Schröder, diese Leistung. Über die Zahlen hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zuerst berichtet.
Laut aktueller Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) gibt es rund 5,3 Millionen Regelleistungsberechtigte in Deutschland. 3,8 Millionen davon gelten als erwerbsfähig - unter den Erwerbsfähigen sind rund 1 Million Menschen, die arbeiten, aber mit Hartz IV aufstocken müssen. Der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf die AfD-Anfrage zufolge sind unter den Regelleistungsbeziehern rund 3,3 Millionen Deutsche und 2 Millionen Ausländer.
Die dauerhafte Integration von Hartz-IV-Beziehern in den Arbeitsmarkt bleibt schwierig. Rund jeder zweite vermittelte Arbeitslosengeld-II-Bezieher ist nach BA-Angaben vom Sommer spätestens nach drei Monaten wieder auf die finanzielle Hilfe der Jobcenter angewiesen. Der AfD-Sozialexperte René Springer sagte dem RND: "Dieses Hartz-IV-Karussell dreht sich schon viel zu lange. Es wird Zeit, dieses bürokratische und erniedrigende System zu überwinden."
Die SPD hatte unter dem neuen Führungsduo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken am Wochenende auf ihrem Parteitag beschlossen, sich von Hartz IV zu verabschieden. Stattdessen fordern die Sozialdemokraten ein Bürgergeld mit weniger Sanktionsmöglichkeiten.
Begrüßt wurde der Schwenk am Montag von Grünen und Linken. Der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sven Lehmann, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es ist gut, wenn nach den Grünen nun auch die SPD Hartz IV hinter sich lassen will." Dazu brauche es aber mehr als ein neues Etikett. Das Existenzminimum müsse vollständig von Sanktionen ausgenommen werden. Hier bleibe die SPD schwammig.
Die Linke sieht durch die SPD-Beschlüsse eine verbesserte Basis für Gespräche mit den Sozialdemokraten. Sie freue sich, dass bei der SPD etwas in Bewegung gekommen sei, sagte Parteichefin Katja Kipping.
Kritik kam vom CDU-Arbeitsmarktexperten und Bundestagsabgeordneten Kai Whittaker: "Die SPD will Hartz IV hinter sich lassen. Wir als Union wollen, dass die betroffenen Menschen Hartz IV hinter sich lassen", sagte er. Whittaker forderte eine bessere persönliche Betreuung der Menschen in den Jobcentern.
Die FDP schlug vor, die Hinzuverdienstgrenzen bei Hartz IV anzuheben. "Nur so baut man echte Brücken in den Arbeitsmarkt", sagte der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Pascal Kober, am Montag. (dpa)
Statistik Bundesagentur für Arbeit