Es gab im transatlantischen Verhältnis schon bessere Zeiten. Da lobte US-Präsident Donald Trump die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in blumigen Worten als fantastische Frau und zeigte sich froh, sie zur Freundin zu haben. Zahlreiche Handelsstreitigkeiten und gekündigte Abkommen später ist von der deutsch-amerikanischen Freundschaft nicht mehr viel übrig. Mitten in eine Zeit, in der die Unruhen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd auch in Europa großes Echo finden, platzt die Nachricht vom bevorstehenden US-Truppenabzug aus Deutschland. Dieser Schachzug des US-Präsidenten markiert politisch einen weiteren Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen Berlin und Washington.
Zwar stand am Wochenende eine offizielle Bestätigung aus dem Weißen Haus noch aus. Doch übereinstimmende Medienberichte über den geplanten Abzug von 9500 Soldatinnen und Soldaten aus Deutschland erscheinen plausibel, weil Trump diesen Schritt schon lange plant. Vor dem Nato-Gipfel 2018 wurden erste Gedankenspiele bekannt. Trump versprach Polen damals 1.000 zusätzliche Soldaten und schloss nicht aus, dass die von Deutschland verlegt werden könnten. Im August des Folgejahres legte US-Botschafter Richard Grenell nach. „Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der US-Steuerzahler weiter mehr als 50.000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden“, sagte Grenell mit Blick auf den Dauerstreit darüber, dass Deutschland sein Nato-Zahlungsziel von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts angeblich nicht erreicht. Aus Sicht des Pentagon kommen andere Länder ihrer Verpflichtung hingegen nach, Polen etwa. Zuvor hatte Trump beim Besuch von Präsident Andrzej Duda im Oval Office erklärt, es werde dort „eine Menge Geld“ für ein Militärprojekt ausgegeben. Der Präsident schwelgte von einer „großartigen, an einem sehr guten Standort in Polen“ gelegenen Einrichtung, die da schon als „Fort Trump“ die Runde machte.
CDU-Politiker Wadephul kritisiert Alleingang Trumps
Nun sollen also 9.500 von rund 35.000 US-Truppenangehörigen aus Deutschland abgezogen werden. Einige dürften nach Polen umziehen. Wo Trump amerikanische Soldaten hinstellt, ist seine Sache. Die deutschen Regierungsparteien erregen sich deshalb mehr über die Art und Weise. „Die Pläne zeigen erneut, dass die Trump-Administration eine elementare Führungsaufgabe vernachlässigt: Die Einbindung der Bündnispartner in Entscheidungsprozesse“, erklärte Unions-Fraktionsvize Johann David Wadephul. Es handele sich um einen weiteren Weckruf „an uns Europäer, auch sicherheitspolitisch unser Schicksal selbst entschiedener in die Hand zu nehmen“, griff der CDU-Politiker einen Gedankengang auf, für den die Kanzlerin seit Monaten wirbt.
Selbst wenn Trump seinen Plan durchzieht, bliebe Deutschland das Land mit den meisten US-Soldaten in Europa. Aktuell kommt laut US-Verteidigungsministerium nur Italien mit rund 12.900 Militärs auf eine fünfstellige Zahl, alle anderen Länder liegen darunter. In Polen sind demzufolge etwa 4.500 turnusmäßig wechselnde US-Militärangehörige stationiert. Die von Trump versprochenen 1000 kämen noch dazu. Sie alle sollen sich gemäß einer amerikanisch-polnischen Vereinbarung „auf die Bereitstellung zusätzlicher Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeiten in Polen konzentrieren“. Genau hier könnte es allerdings noch Probleme geben.
Nato-Grundakte lässt Truppenaufstockung in Polen nicht zu
Die Nato-Russland-Grundakte steht einer amerikanischen Aufrüstung in Polen eigentlich entgegen. Demnach sollen das westliche Militärbündnis und Moskau darauf hinwirken, „jeden potenziell gefährlichen Aufwuchs konventioneller Streitkräfte in vereinbarten Regionen Europas einschließlich Mittel- und Osteuropa zu verhindern“. Die Frage, was „gefährlich“ ist, aber wird unterschiedlich beantwortet. Schon Trumps Vorgänger Barack Obama sah unter dem Eindruck der Ukraine-Krise Luft nach oben und versprach eine Truppenaufstockung für Osteuropa.
Trump jedenfalls sieht keine Gefahr, dass in Moskau die Alarmglocken schrillen, wenn er das US-Kontingent in Polen erhöht. „Nein, ich hoffe, dass Russland und Polen und Deutschland und alle miteinander auskommen werden“, sagte er. „Das ist es, was ich will“, betonte der US-Präsident: „Ich will, dass alle miteinander auskommen.“