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Doktorarbeit: Minister Gerd Müller: Plagiatsvorwürfe "nicht nachvollziehbar"

Doktorarbeit

Minister Gerd Müller: Plagiatsvorwürfe "nicht nachvollziehbar"

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    Gerd Müller ist Bundesentwicklungsminister.
    Gerd Müller ist Bundesentwicklungsminister. Foto: Andreas Gebert (dpa)

    Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hat die Plagiatsanschuldigungen im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit zurückgewiesen. Eine Sprecherin des Ministers sagte am Dienstagmittag auf Anfrage, die Vorwürfe seien "nicht nachvollziehbar". Das Thema der Arbeit und der Gegenstand der empirischen Untersuchung seien erstmalig 1987 vom Verfasser bearbeitet worden, womit es keine vergleichbare Arbeit gegeben habe. "Bei der fraglichen Textpassage im theoretischen Teil wurde die Quellenangabe eindeutig vermerkt.“

    Laut Plagiatsjäger Martin Heidingsfelder soll der Allgäuer CSU-Politiker bei seiner Doktorarbeit an der Uni Regensburg Textpassagen aus einer anderen Arbeit übernommen haben, ohne diese korrekt zu kennzeichnen.

    Nach Darstellung seiner Sprecherin begrüßt Müller, dass sich die Hochschule der Vorwürfe annehmen will. Dies werde für Klarheit sorgen. Die Uni Regensburg hatte nach eigenen Angaben am Montagabend von den Vorwürfen erfahren. Diese sollen nun von der Ombudsstelle für wissenschaftliches Fehlverhalten geprüft werden.

    Müllers Arbeit wurde offenbar auf Auftrag hin überprüft

    Heidingsfelder wirkte sowohl an der Internetplattform Guttenplag Wiki , die 2011 maßgeblich zum Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg beisteuerte, als auch dem bekannten Portal VroniPlag Wiki mit. Inzwischen betreibt Heidingsfelder die ähnlich klingende, aber kommerzielle Seite vroniplag.de. Zuletzt war er unter anderem an der Aufarbeitung der Plagiatsfälle der FDP-Politiker Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis beteiligt. Beide mussten ihre Doktortitel ablegen.

    Heidingsfelder gilt unter Plagiatsjägern als umstritten. Seit Januar 2012 bietet er unter der Seite politplag.de zu "vergünstigten Konditionen" die Überprüfung von Politikerdissertationen an. Auf diesem Weg kam nun auch die Arbeit von Gerhard Müller unter die Lupe. Zu den Vorwürfen gegenüber dem Minister sagte Heidingsfelder auf Anfrage der Augsburger Allgemeinen, er suche nur nach einem Anfangsverdacht und habe sich noch nicht einmal zehn Stunden mit der Arbeit beschäftigt. Er sei aber "schnell auf den ersten Fund gestoßen". Auch habe er noch weitere Doktorarbeiten von CSU-Politiker bei sich liegen.

    Das ist Gerd Müller

    Gerd Müller wird am 25. August 1955 in Krumbach geboren. Er wächst in Unterbleichen im Landkreis Günzburg auf.

    Müller ist mit einer Niederländerin verheiratet und Vater zweier Söhne. Er wohnt in Kempten im Allgäu.

    Mit 21 Jahren wird er Zweiter Bürgermeister seiner Heimatgemeinde und ist nach dem Rücktritt des Ersten kurze Zeit sogar Deutschlands jüngster Bürgermeister.

    Von 1989 bis 1994 ist der Diplom-Wirtschaftspädagoge Mitglied des Europäischen Parlaments.

    Seit 1994 ist Müller direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Kempten, Oberallgäu und Lindau.

    Ab 2005 ist Müller als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter anderem zuständig für Internationale Beziehungen, Entwicklungsprojekte, Welternährung und Export.

    2013 wird Müller Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der Großen Koalition.

    Den Vorwurf, Müller habe gezielt abgeschrieben und getäuscht, erhebt Heidingsfelder nicht. Er fordert allerdings, "dass die Uni Regensburg aktiv werden muss".

    Gleiches verlangen auch die Mitglieder der "Bunten Liste", einer parteiunabhängigen Hochschulgruppe an Uni Regenbsurg, die nach eigenen Angaben am Montag die Prüfung des Falls bei der Ombudsperson für wissenschaftliches Fehlverhalten beantragt hatten. Daniel Gaittet, der ebenfalls Mitglied im studentischen Konvent ist, betonte im Gespräch mit unserer Redaktion, man wolle "niemanden vorverurteilen, sondern erreichen, dass die Sache ordentlich geprüft" werde. "Bei Studierenden wird inzwischen auch peinlich genau auf korrektes wissenschaftliches Arbeiten geachtet."

    Müller promovierte zum Thema Junge Union

    Müller hatte 1987 an der Universität Regensburg zum Thema "Die Junge Union Bayern und ihr Beitrag zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung" promoviert. Er war damals Landesvorsitzender der Jungen Union Bayern.

    In einer Mitteilung, die auf politplag.de veröffentlicht wurde, werden mehrere Textpassagen in Müllers Doktorarbeit aufgezeigt, die teils wörtlich und ohne Anführungszeichen aus einer Arbeit von Wolfgang Hackel ("Die Auswahl des politischen Nachwuchses der Bundesrepublik Deutschland", 1978) übernommen worden sein sollen. Allerdings verweist Müller in einer Fußnote sowohl auf diese Quelle, als auch auf deren eigentlichen Ursprung. Heidingsfelder betont, dass es sich gemäß der international gültigen wissenschaftlichen Standards bei solchen "handwerklichen Fehlern" um Plagiate handle.

    Zuletzt waren wegen ähnlicher Mängel mehrere Politiker in das Visier von Plagiatsjägern und in die öffentliche Kritik geraten. In einigen Fällen bestätigten sich die Plagiatsvorwürfe nicht, wie etwa bei Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).

    Wenn Politiker über Doktortitel stolpern

    Gekaufte Doktortitel oder Plagiatsvorwürfe haben schon so manchen Politiker zu Fall gebracht. Eine Übersicht:

    Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU): Viele Passagen fremder Autoren in der Doktorarbeit des damaligen Verteidigungsministers sorgten im Februar 2011 für Aufsehen. Wenig später erkannte ihm die Uni Bayreuth den Doktortitel ab. Nach heftigen Protesten trat Guttenberg von seinen Ämtern zurück.

    Silvana Koch-Mehrin (FDP): Wegen rund 120 Plagiaten in der Doktorarbeit der Europapolitikerin entzog die Universität Heidelberg ihr den Titel Mitte Juni 2011.

    Jorgo Chatzimarkakis (FDP): Der Europaabgeordnete verlor seinen Titel im Juli 2011, da mehr als die Hälfte seiner Arbeit nach Angaben der Uni Bonn aus fremder Feder stammte.

    Dieter Jasper (CDU): Der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete wurde Anfang Mai 2011 zu einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt, weil er einen Doktortitel zu Unrecht geführt hatte. Jasper hatte den Doktor der Wirtschaftswissenschaften 2004 an einer Universität in der Schweiz erworben, die gegen Geld akademische Grade vergeben soll.

    Kai Schürholt (CDU): Der Oberbürgermeisterkandidat der Landauer CDU hatte sich 2007 im Wahlkampf mit einem Doktortitel geschmückt, obwohl er seine Promotion noch längst nicht abgeschlossen hatte. Das Amtsgericht Landau verurteilte ihn wegen Titelmissbrauchs zu einer Geldstrafe.

    Bernd Althusmann (CDU): Der niedersächsische Kultusminister und Präsident der Kultusministerkonferenz geriet im Juli 2011 ebenfalls wegen seiner Doktorarbeit unter Druck. Die Universität Potsdam überprüfte die Arbeit daraufhin und kam zum Schluss: Althusmanns Dissertation weise zwar eine Vielzahl formaler Mängel  auf, die guter wissenschaftlicher Praxis widersprächen. Ein Plagiats-Verdacht habe sich aber nicht bestätigt.

    Florian Graf (CDU): Der Berliner CDU-Fraktionschef gab im April 2012 seinen Doktortitel wegen gravierender wissenschaftlicher Mängel zurück. Er sei den an sich selbst gestellten Ansprüchen "im Hinblick auf ein Standhalten meiner Dissertation in der Öffentlichkeit nicht gerecht geworden", teilte er mit - und kam einem Zeitungsbericht zuvor.

    Margarita Mathiopoulos (FDP): Nach Plagiatsvorwürfen entzog die Universität Bonn der Politikprofessorin und FDP-Politikerin im April 2012 den Doktortitel.

    Annette Schavan (CDU): Weil sie in ihrer 1980 eingereichten Doktorarbeit Zitierfehler gemacht und Quellen nicht richtig ausgewiesen hatte, wurde der Bundesbildungsministerin im Februar 2013 der Doktortitel entzogen.

    Andreas Scheuer (CSU): Der CSU-Generalsekretär geriet Anfang 2014 wegen seines tschechischen Doktortitels in die Kritik. Diesen durfte er eigentlich nur in zwei Bundesländern aufgrund von Ausnahmeregelungen führen. Unter Druck erklärte Scheuer, den Titel gar nicht mehr zu führen.

    Müller ist in Unterbleichen im Landkreis Günzburg aufgewachsen und lebt in Kempten. In der Großen Koalition übernahm er den Posten des Entwicklungsministers. Zuvor war Müller lange Jahre Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

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