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Diesel-Skandal: Nach Rede über VW: Rücktritt von Stephan Weil gefordert

Diesel-Skandal

Nach Rede über VW: Rücktritt von Stephan Weil gefordert

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    Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil regiert seit Februar 2013. Nun ging ihm die Regierungsmehrheit verloren. Wegen einer Rede über VW gibt es massive Vorwürfe gegen ihn.
    Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil regiert seit Februar 2013. Nun ging ihm die Regierungsmehrheit verloren. Wegen einer Rede über VW gibt es massive Vorwürfe gegen ihn. Foto: Hauke-Christian Dittrich (dpa)

    Der sozialdemokratische Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil (SPD) hat die Regierungsmehrheit im Landtag verloren. Die niedersächsische Abgeordnete Elke Twesten hatte am Freitag ihren Austritt aus der Grünen-Fraktion im Landtag verkündet und erklärt, sie sehe ihre Zukunft in der CDU. Die rot-grüne Koalition von Weil verlor dadurch die Ein-Stimmen-Mehrheit.

    Nach umstrittener Rede: Scheuer fordert Rücktritt von Stephan Weil

    Am Wochenende wurde der niedersächsische Regierungschef zusätzlich mit Vorwürfen im VW-Dieselskandal konfrontiert: Eine Regierungserklärung zur VW-Affäre ließ Weil im Oktober 2015 vorab an den Autokonzern geben. Die "Bild am Sonntag" berichtete, VW habe den Text zugunsten des Konzerns verändert.

    Weil wies die Vorwürfe zurück, er habe sich durch VW beeinflussen lassen und erklärte, es sei bei der Abstimmung lediglich um Rechts- und Faktenfragen gegangen. Im Kern sei der Redetext unverändert geblieben, Kritik an VW sei nicht herausgefallen. 

    Die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer

    Baden-Württemberg: Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), seit 2011.

    Bayern: Horst Seehofer (CSU), seit 2008.

    Berlin: Klaus Wowereit (SPD), seit 2001.

    Brandenburg: Dietmar Woidke (SPD), seit 2013.

    Bremen: Jens Böhrnsen (SPD), seit 2005.

    Hamburg: Olaf Scholz (SPD), seit 2011.

    Hessen: Volker Bouffier (CDU), seit 2010.

    Mecklenburg-Vorpommern: Erwin Sellering (SPD), seit 2008.

    Niedersachsen: Stephan Weil (SPD), seit 2013.

    Nordrhein-Westfalen: Hannelore Kraft (SPD), seit 2010.

    Rheinland-Pfalz: Malu Dreyer (SPD), seit 2013.

    Saarland: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), seit 2011.

    Sachsen: Stanislaw Tillich (CDU), seit 2008.

    Sachsen-Anhalt: Reiner Haseloff (CDU), seit 2011.

    Schleswig-Holstein: Torsten Albig (SPD), seit 2012.

    Thüringen: Christine Lieberknecht (CDU), seit 2009.

    Thema der Rede war der Skandal um illegale Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung von VW-Diesel-Fahrzeugen, die in den USA Schadenersatzklagen ausgelöst hatten.

    Parteikollegen des niedersächsischen Ministerpräsidenten stärken Stephan Weil nach heftiger Kritik nun den Rücken. SPD-Vize Ralf Stegner hält die Vorwürfe im Zusammenhang mit der VW-Affäre für ein reines Ablenkungsmanöver.

    Er sagte: "Das ist jetzt ein plumper Versuch, die erfolgreiche Regierung unter Stephan Weil zu diskreditieren und von den Machenschaften der CDU in Niedersachsen abzulenken, die hinter dem Wechsel einer Grünen-Abgeordneten zur CDU-Fraktion steht", sagte Stegner in Berlin. "Solche Intrigen fördern Politikverdrossenheit und schaden der Demokratie."

    Stegner sagte, der Vorgang sei seit zwei Jahren bekannt und vor einem Jahr auch ausführlich im niedersächsischen Landtag diskutiert worden. "Die Landesregierung hat die aktuelle Berichterstattung auch bereits korrigiert und richtig gestellt."

    CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte hingegen Konsequenzen. "Das Gemauschel bei der Regierungserklärung in Niedersachsen ist eine handfeste Affäre und muss definitiv Weils Rücktritt bedeuten", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

    Stephan Weil hält Kritik für ein Wahlkampfmanöver

    Der niedersächsische Bundestagsabgeordnete der Linken und ehemaliger Vorsitzender des Untersuchungsausschusses Abgasskandal, Herbert Behrens, nannte das Verhalten Weils ungeheuerlich. Weil wende sich als Kontrolleur an diejenigen, die er kontrollieren soll. "Das ist absurd, aber auch ein deutlicher Hinweis auf die wahren Machtverhältnisse in Niedersachsen." 

    Volkswagen: Die Geschichte der Abgasaffäre

    Volkswagen ist seit dem 18. September 2015 offiziell in einen Abgasskandal verstrickt. Der Skandal wird auch VW-Abgasaffäre oder Dieselgate genannt.

    Was hinter der Affäre steckt? VW hatte illegal eine Abschalteinrichtung in die Motorsteuerung aller Diesel-Fahrzeuge eingebaut. Mit der Software wollte man den Abgasnormen in den USA entgehen.

    Dieselgate wurde von der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) mit aufgedeckt.

    Die Software wurde nach Angaben von Volkswagen in etwa elf Millionen Fahrzeugen mit der Motorenreihe VW EA189 weltweit eingebaut, in den USA ist demnach auch die Nachfolgereihe VW EA288 betroffen. Anderen Berichten zufolge wurde die Software allerdings für vier verschiedene Motorentypen angepasst.

    Der Skandal weitete sich auch auf Fahrzeuge von Porsche und Audi aus. Der Vorstandsvorsitzende der Volkwagen AG, Martin Winterkorn, zog die Konsequenzen aus dem Skandal und trat zurück. Sein Nachfolger wurde Matthias Müller, bislang Vorstandsvorsitzender der Porsche AG.

    Auch an Dieselfahrzeugen anderer Hersteller aus Deutschland und von internationalen Herstellern wurde nach Bekanntwerden der Abgasaffäre nachgeforscht. Häufig wurden ebenfalls überhöhte Schadstoffwerte festgestellt. Dieselgate von Volkswagen war Auslöser einer internationalen Krise der gesamten Automobilindustrie.

    Anfang 2016 soll die vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordnete Rückrufaktion gestartet werden. In ganz Deutschland sollen bundesweit im Laufe des Jahres 2,4 Millionen Diesel-Autos in die Werkstatt. Der Start der Rückrufaktion verzögert sich.

    Die Amerikaner verklagen Volkswagen. In den USA sollen mehr als 600.000 Fahrzeuge von der Abgasaffäre betroffen sein.

    Außerdem bestätigt das Landgericht Braunschweig gegenüber dem NDR, dass 278 Aktionäre Volkswagen auf insgesamt 3,255 Milliarden Euro verklagent. Die Anleger fordern Schadenersatz als Ausgleich für die Kursverluste durch den Diesel-Skandal.

    Für Volkswagen wird allein die Aufarbeitung des Skandals in den USA immens teuer. Die Entschädigungen und Strafzahlungen sollen sich auf 14,7 Milliarden Dollar (13,3 Milliarden Euro) voraussichtlich belaufen. (AZ)

    Bayern hat als erstes Bundesland eine Klage gegen VW angekündigt. Voraussichtlich im September werde der bayerische Pensionsfonds Klage auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen von Volkswagen einreichen, sagte eine Sprecherin des bayerischen Finanzministeriums. Die Vorbereitung der Klage laufe bereits. Bayern will sich mit der Klage einen sogenannten Kursdifferenzschaden zurück holen.

    Weil wies Kritik an seinem Verhalten zurück. "Der angeblich neue Ärger ist eine olle Klamotte und schon vor mehr als einem Jahr in Niedersachsen diskutiert worden. Das ist ein Wahlkampfmanöver", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Klipp und klar" habe VW seine Regierungserklärung nicht weichgespült.

    Die Staatskanzlei veröffentlichte einen Vergleich des Redeentwurfs mit der im Oktober 2015 vor dem Landtag gehaltenen Rede Weils. Zu erkennen sind dort viele Änderungen, die teils vom Hausanwalt der Regierung vorgenommen wurden, teils auf Anregung von VW.

    Die schärfste Formulierung, mit der Weil Kritik an dem Autobauer übte, blieb demnach erhalten. Der Ministerpräsident sagte: "So erklärt es sich auch, dass wir alle tief betroffen und entsetzt sind zu erfahren, dass bei Volkswagen über etliche Jahre hinweg Abgaswerte manipuliert worden sind. Dieses Vorgehen ist unverantwortlich, völlig inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen." 

    Diesel-Skandal: Diese Passagen wurden in der VW-Rede geändert

    Allerdings wurde im selben Absatz eine Passage über VW entpersonalisiert. Der Dokumentation der Landesregierung zufolge war zunächst die Formulierung vorgesehen: "Volkswagen hat damit gegen Gesetze verstoßen und Vertrauen missbraucht." Laut dem in der Dokumentation eingefügten Kommentar von Regierungssprecherin Anke Pörksen wurde daraus in einem angenommenen VW-Änderungsvorschlag: "Damit ist gegen Gesetze verstoßen und Vertrauen missbraucht worden."

    Die meisten der weiteren Änderungen, bei denen die Landesregierung nach eigener Darstellung den Wünschen des VW-Konzerns folgte, beziehen sich auf technische Details und Angaben zum amerikanischen Verfahrensrecht.

    Weil sagte zum Seitenwechsel Twestens und möglichen Lockangeboten der CDU dem Sender FFN: "Da darf auch nicht nur der Schatten eines Verdachtes sein." 

    Er setze nun auf schnelle Neuwahlen, sagte er der "Bild". Dabei trete er selbstverständlich wieder an. Weil berät am Montag mit den Chefs der Landtagsfraktionen über einen Termin für eine vorgezogene Landtagswahl. Der SPD-Politiker und auch die größte Oppositionspartei CDU streben an, parallel zur Bundestagswahl am 24. September abstimmen zu lassen. dpa

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