In einer Marathon-Sitzung haben Union und SPD sich auf einen Klimaschutzplan geeinigt. Nach der Präsentation stellt sich die Frage: Was bringen die Maßnahmen wirklich? Und mit welchen Veränderungen muss der Bürger am Ende rechnen?
Wir bewerten acht ausgesuchte Maßnahmen des Pakets und analysieren, wie sie sich konkret auswirken.
1. Mehr Elektroautos sollen auf die Straßen
Der Bereich Verkehr stand bei den Beratungen besonders im Fokus. Um die CO2-Belastung zu senken, will die Bundesregierung die Deutschen dazu bringen, auf E-Autos umzusteigen. Bis 2030 sollen bis zu 10 Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sein (aktuell sind es rund 80.000). Für günstigere E-Autos will der Staat die Kaufprämie erhöhen. Es soll zudem mehr Ladesäulen geben. Gleichzeitig werden die Spritpreise anziehen: Zunächst sollen Benzin und Diesel um etwa 3 Cent je Liter verteuert werden, in einem zweiten Schritt bis 2026 dann weiter auf 9 bis 15 Cent je Liter. Richtig ist: Elektroautos emittieren kein CO2. Doch in die Bilanz fließt eben auch die Produktion der Fahrzeuge und der Batterie. Um eine wiederaufladbare Batterie herzustellen, wird viel Strom benötigt. Dessen Erzeugung verursacht Emissionen. Studien gehen von 100 bis 200 Kilogramm CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde Batterieleistung aus. Addiert man die Emissionen der restlichen Herstellung, kommen die verschiedenen Studien am Ende auf Werte zwischen zehn und zwölf Tonnen. Zum Vergleich: Für
2. Tanken und Heizen wird moderat teurer
Die Große Koalition hat sich nicht getraut, sich mit den Autofahrern anzulegen. Sie will zwar eine CO2-Abgabe einführen, aber sie startet sehr moderat. Der Preis des Treibhausgases war der Knackpunkt der Verhandlungen zwischen Union und SPD. Das Bündnis traf sich in der Mitte und einigte sich auf eine Mischform zwischen Steuer (
3. Die Ölheizung hat bald ausgedient
Rund 5,8 Millionen Gebäude werden durch eine Ölheizung versorgt. Diese Geräte sind teilweise uralt, entsprechend hoch ist der CO2-Ausstoß. Die Beschlüsse des Klimakabinetts sehen vor, dass ab 2025 keine Ölheizungen mehr eingebaut werden dürfen. Bereits eingebaute Anlagen haben Bestandsschutz. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW hat die Folgen untersucht und ist begeistert: Mindestens 2,1 Millionen Gebäude könnten schnell und unkompliziert mit einer Gasheizung modernisiert werden, weitere 510 000 Gebäude ließen sich an das Fernwärmenetz anschließen. Mehr als 14 Millionen Tonnen CO2 ließen sich so einsparen. Würde man alle Ölheizungen durch moderne Technologien ersetzen, ließen sich bis zu 30 Millionen Tonnen CO2 einsparen. „Mit der Umrüstung auf Gas stellen sich die Hausbesitzer zukunftssicher auf: Schon heute lassen sich moderne Gasheizungen ohne technische Umstellung auch mit grünen Gasen wie Biomethan betreiben“, erklärt
4. Bahn billiger, dafür Fliegen teurer
Der Verkehrssektor ist für rund ein Fünftel der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland verantwortlich, und dem Bahnverkehr kommt in den Konzepten des Klimakabinetts deshalb eine besondere Bedeutung zu. CO2 soll eingespart werden, indem Fahrkarten durch eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent billiger werden. Insgesamt rechnet die DB mit einem jährlichen Plus von fünf Millionen Fahrgästen allein durch diese Absenkung der Mehrwertsteuer, die rechnerisch zu einer Preisreduzierung von zehn Prozent führt. Bahn-Chef Richard Lutz kündigte gleichzeitig den Kauf von 30 neuen Hochgeschwindigkeitszügen an. Bei den Experten kommt das gut an. „Wir brauchen eine umwelt- und klimafreundliche Mobilität, die für Menschen mit geringem Einkommen bezahlbar bleibt“, sagt etwa Dirk Flege, der Chef der Allianz pro Schiene. Gleichzeitig soll das Fliegen über Abgaben teurer gemacht werden. Denn die billigen Flugtickets haben den Individualverkehr und damit den CO2-Ausstoß rasant ansteigen lassen. Dabei verursacht eine Flugreise 19 Mal so viel Treibhausgas wie eine Fahrt mit der Bahn. Konsequent ist die Regierung bei der Verkehrswende allerdings nicht. Wer mit dem Auto weit zur Arbeit fährt, etwa auf dem Land, kann bald mehr bei der Steuer sparen. Vom 21. Kilometer an soll die Pendlerpauschale ab 2012 von jetzt 30 auf 35 Cent pro Kilometer steigen – erst mal befristet bis Ende 2026.
5. Energieverlust in alten Gebäuden stoppen
Was für Ölheizungen gilt, gilt auch für viele Gebäude in Deutschland: Sie sind alt und nicht auf dem Stand der Technik. Um etwa zwei Drittel soll der CO2-Ausstoß des Gebäudesektors bis 2030 gegenüber 1990 schrumpfen und das soll durch die sogenannte energetische Gebäudesanierung erreicht werden: Der Energieverbrauch für Heizung, Warmwasseraufbereitung und Belüftung wird durch gezielte bauliche Maßnahmen minimiert. Der Sinn solcher Maßnahmen ist unumstritten. Das Problem ist bloß, dass sie viel Geld kosten. Der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA freute sich hier über die angekündigte steuerliche Abschreibung von energetischen Sanierungsmaßnahmen. Bei der Ausgestaltung müssten alle Gebäudetypen Berücksichtigung finden, auch Gewerbeimmobilien. Die Chefs des Deutschen Mieterbundes, des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW und des Deutschen Verbandes (DV) befürchten ein Finanzierungsloch von sechs Milliarden Euro jährlich für vermietete Wohnungen sowie von mindestens 14 Milliarden Euro für Wohngebäude insgesamt. Damit dieses Loch gestopft werden kann, wäre den Experten zufolge die Schaffung eines Fonds die beste Lösung. Ohne frisches Geld vom Staat werden demnach entweder für diesen Bereich die Klimaziele 2030 nicht erreicht. Oder aber es kommt für die 40 Prozent der Menschen mit niedrigen Einkommen zu sozialen Härten.
6. Deutlich mehr Windräder und Solarfelder
Ob der Klimaschutzplan aufgeht, wird im Wesentlichen davon abhängen, ob in den nächsten Jahren deutlich mehr Windräder in Deutschland und vor den hiesigen Küsten aufgestellt werden als bislang geplant. Das Gleiche gilt für Solaranlagen. Doch die Bundesregierung will ihrem Klima-Eckpunktepapier zufolge nur bei Solaranlagen und bei Windparks in Nord- und Ostsee den Ausbau steigern. Das Ausbaulimit wird um fünf Gigawatt angehoben, was der Leistung von fünf Atomkraftwerken entspricht. Nur wenn Windräder und Photovoltaik-Anlagen mehr Strom produzieren, können Kohlekraftwerke abgestellt werden. Gehen sie vom Netz, sinkt der CO2-Ausstoß beträchtlich. Dafür muss aber der Widerstand gegen neue Windräder und die nötigen Leitungen gebrochen werden. Die Kläger berufen sich oft auf den Naturschutz, zum Beispiel von seltenen Vögeln. Die Klagewelle hat die Behörden vor Ort vorsichtig werden lassen. Hinzu kommt, dass die zwei großen Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen hohe Hürden für die Windkraft durch rigide Abstandsregelungen aufgestellt haben. „Die Abstandsregelungen hätten abgeschafft werden müssen“, sagte die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die strengen Regeln könnten beide Landesregierungen streichen. Die CSU hat aber in das Paket hineinverhandelt, dass die Abstände zu Wohnhäusern im Freistaat nicht kleiner werden.
7. Kohle-Aus lässt Strompreise steigen
Spätestens 2038 soll hierzulande das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet werden, wenn möglich früher. Aus Sicht der Braunkohlereviere in Ost- und Westdeutschland werden die anderthalb Jahrzehnte gebraucht, um dort neue Betriebe anzusiedeln. Den demonstrierenden Schülern ist das Datum viel zu spät. Sie pochen auf das Ausstiegsjahr 2030. Inwiefern das in zehn oder 15 Jahren überhaupt möglich sein wird, bestimmt maßgeblich der Ausbau von Windparks und Solarfeldern. Durch das Aus für Kohlekraftwerke, da sind sich alle Experten sicher, wird hierzulande der Strompreis weiter steigen. Schon heute liegt Deutschland bei den Haushalts- und Industriestrompreisen an der Spitze Europas. Für die Unternehmen ist das ein schwerer Wettbewerbsnachteil, weshalb die Bundesregierung die Ökostromumlage absenken will. Im Jahr 2021 soll sie um ein viertel Cent fallen, ein Jahr später um einen halben Cent. Aktuell beträgt die Ökostromumlage 6,4 Cent je Kilowattstunde. Für den einzelnen Haushalt und den einzelnen Betrieb handelt es sich um kleine Entlastungen, gesamtwirtschaftlich addieren sie sich auf Milliardenbeträge. „Die geplanten Stromkostensenkungen von knapp einem Prozent stehen allerdings in keinem Verhältnis zu den höheren Preisen für Diesel und Erdgas“, beklagte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) als Stimme der Unternehmen.
8. Keine ökologische Wende für Landwirtschaft
Rund 11 Prozent der Treibhausgase kommen aus der Landwirtschaft. Trotzdem kommt dieser Bereich beim Klimapaket vergleichsweise glimpflich davon. Beschlossen wurde ein Sammelsurium ohne wirkliche Vorgaben. Das größte CO2-Einsparpotenzial sieht die Politik in der Senkung der Stickstoffüberschüsse. Allerdings gab es hier ohnehin schon Änderungen in der Düngegesetzgebung, um die seit langem erhöhten Nitratwerte zu senken. „Das Ministerium erwartet eine Einsparung von bis zu 3,5 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 durch die Senkung des Stickstoffüberschusses. Mit der bestehenden Düngeverordnung ist jedoch nur eine Einsparung von 2 Millionen Tonnen CO2 zu erwarten,” sagt Gerald Wehde vom Ökoverband Bioland dem Portal agrarheute. Landwirtschaftsexperte Peter Breunig von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf kritisiert zudem die Konzentration auf den Ökolandbau. Der habe zwar viele Vorteile, leiste aber keinen Beitrag zur CO2-Reduzierung. „Es gibt Studien, die sogar von höheren Klimagasemissionen bei ökologischer
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