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Zeitgeschichte: Die "Goldelse" in Berlin erinnert an einen vergessenen Krieg

Zeitgeschichte

Die "Goldelse" in Berlin erinnert an einen vergessenen Krieg

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    Die Siegessäule in Berlin, auch Goldelse genannt, erinnert an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870 bis 1871.
    Die Siegessäule in Berlin, auch Goldelse genannt, erinnert an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870 bis 1871. Foto: Herbert Knosowski, dpa (Archiv)

    Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 elektrisierte die Welt. Jetzt wird das Duell der verfeindeten Nachbarstaaten oft der „vergessene Krieg“ genannt, wenn er sich in einer jubiläumstauglichen Zahlenkombination jährt. Dass die Erinnerungen verblasst sind, ist trefflich damit erklärt, dass der Krieg im Schatten der beiden Weltkriege 1914-1918 und 1939-1945 steht. Doch wird die stiefmütterliche Behandlung der Bedeutung des Ereignisses nicht gerecht – nicht nur, weil der Sieg der Preußen und ihrer Verbündeten die Vormachtstellung der Grande Nation auf dem Festland beendete und die Einigung sowie den Aufstieg Deutschlands vorantrieb, sondern auch, weil der militärische Konflikt vor 150 Jahren die Industrialisierung und Nationalisierung der Kriege forcierte.

    Heute wird sie wieder diskutiert, vor 150 Jahren kam sie: die Wehrpflicht

    Stichwort Wehrpflicht. Mit der Einführung der allgemeinen Pflicht, in den Streitkräften zu dienen, öffnete Preußen die „Büchse der Pandora“, schreibt Klaus-Jürgen Bremm in seinem aktuellen Werk „70/71 – Preußens Triumph über Frankreich und die Folgen“. Und diese Folgen waren epochal, denn das preußische Modell wurde von vielen anderen Nationen kopiert: „Der weltweite Siegeszug der allgemeinen Wehrpflicht eröffnete das Zeitalter der Millionenheere und des totalen Krieges“, resümiert Bremm.

    War der Krieg, der am 19. Juli 1870 erklärt wurde, also ein Vorgeschmack auf ein neues militärisches Zeitalter, so mutet sein Auslöser vielmehr rückwärtsgewandt an: Ein Streit um die spanische Thronfolge wurde letztlich auf den Schlachtfeldern ausgetragen. Im Juli 1870 weigerte sich der französische Kaiser Napoleon III., die vom preußischen König Wilhelm I. und der Regierung vorangetriebene Kandidatur des Erbprinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen für die spanische Krone hinzunehmen.

    Paris ließ sich durch den Verzicht Leopolds nicht besänftigen, sondern legte mit einer ganzen Reihe von Forderungen an Preußen nach. Während Wilhelm I. und seine Berater geneigt schienen, auf Paris zuzugehen, wies Reichskanzler Otto von Bismarck die Forderungen in seiner „Emser Depesche“ brüsk zurück. Darüber, ob Bismarck es tatsächlich darauf angelegt hat, den Krieg zu provozieren, gibt es unter Historikern bis heute keinen Konsens. Das liegt auch daran, dass schlicht Quellen fehlen, die das eine wie das andere eindeutig belegen könnten. Offensichtlich ist, dass sich in dem forschen Ton des Reichskanzlers das neue preußische Selbstbewusstsein nach den Siegen über Dänemark von 1864 und zwei Jahre später über Österreich spiegelte.

    Deutsch-Französischer Krieg hatte weitreichende Folgen

    Was im August 1870 geschah, verblüffte die Zeitgenossen nicht nur in Europa, sondern weltweit: Die Preußen und ihre deutschen Verbündeten wehrten nicht nur einen Angriff der kaiserlichen Truppen auf ihr Territorium ab, sondern verlagerten das Kampfgeschehen mithilfe ihres exzellenten Schienennetzes entschlossen auf französisches Gebiet. Keine der großen Schlachten konnte Frankreich gewinnen, viele entscheidende – wie etwa bei Sedan Anfang September 1870 – gingen vernichtend verloren. Zwar wuchs der Widerstand der Franzosen, nachdem Napoleon III. bei Sedan in Gefangenschaft geriet und am 4. September in Paris die Dritte Republik ausgerufen wurde.

    Die Niederlage Frankreichs aber war nicht mehr abzuwenden. Nach Artillerie-Beschuss kapitulierte Ende Januar 1871 zuerst das belagerte Paris, weitere französische Divisionen retteten sich wenige Tage später über die Schweizer Grenze. Der Krieg war entschieden und erwies sich als veritable Katastrophe für Frankreich, das mehr als 135.000 Gefallene – auf deutscher Seite waren es rund 44.000 – zu beklagen hatte. Die Republik musste das Elsass und Teile Lothringens abtreten. Ein Triumph für das neue Deutsche Kaiserreich, das bereits am 18. Januar 1871 ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles feierlich proklamiert wurde. Dazu flossen fünf Milliarden Francs an Reparationszahlungen von Paris nach Berlin – ein Schub, der den rasanten wirtschaftlichen Aufschwung des Kaiserreiches mit ermöglichte.

    Die Berliner haben sie täglich vor Augen: die goldene Siegesgöttin Viktoria

    Die Euphorie half die Vorbehalte, ja Abneigungen gegen Preußen, die nicht zuletzt in Bayern bestanden, abzumildern. Denkmäler wie die Siegessäule in Berlin mit der Siegesgöttin Viktoria an der Spitze – von den Berlinern „Goldelse“ genannt – zeugen bis heute von der Aufbruchstimmung. Frankreich hingegen vermochte die Kette von militärischen und politischen Demütigungen durch den Emporkömmling im Osten nur schwer zu ertragen.

    Doch der Theorie, dass schon im Deutsch-Französischen Krieg der Keim des Ersten Weltkrieges angelegt war, mag Militärhistoriker Bremm nicht folgen. Er verweist auf die auf 1871 folgende 43 Jahre dauernde Friedenszeit in Europa – eine für damalige Verhältnisse ungeheuer lange Spanne. Bremm ist der Ansicht, dass die durch den Sieg über Frankreich begünstigte deutsche Einigung Europa zunächst stabilisiert habe, gar ein „Glücksfall“ gewesen sei. Die Erzfeindschaft zwischen Frankreich und Deutschland allerdings blieb eine offene Wunde auf dem Kontinent.

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