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Deutschlandtag: Junge Union will einen Neustart ohne die Älteren

Deutschlandtag

Junge Union will einen Neustart ohne die Älteren

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    Wortführer der Wut: Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union.
    Wortführer der Wut: Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union. Foto: Bernd Thissen, dpa

    Wenn die Wut groß ist, dann darf es auch mal deftig werden. „Wir haben uns verhalten wie ein Hühnerhaufen“, sagt Tilman Kuban auf dem Deutschlandtag der Jungen Union. Zuvor hat der JU-Chef ein noch kräftigeres, wenig druckfähiges Wort benutzt, um den Zustand bei CDU und CSU zu beschreiben. In der Münsteraner Messehalle kommt das an diesem Freitagabend gut an bei den 317 Delegierten. Der Politik-Nachwuchs ist immer noch erschüttert von der historischen Schlappe bei der Bundestagswahl, die jungen Frauen und Männer schütteln die Köpfe über die Älteren in der Union.

    Die Wahlanalyse der Jungen Union fällt desaströs aus

    Kuban ist der Wortführer der Wut. In seiner Rede feuert er eine Breitseite nach der anderen gegen die Unionsführung. „Wir befinden uns in einer Lage, die man nur als beschissen bezeichnen kann“, wettert er. Die Union stehe am Scheideweg. „Werden wir noch Volkspartei sein oder stehen wir am Scheideweg wie andere Volksparteien in Europa?“

    Vorwürfe auch aus den eigenen Reihen, die rund 100.000 JU-Mitglieder seien nur ein Netzwerk aus Karrieristen, gehen tief unter die Haut. Kuban will sie nicht länger hinnehmen. „Wenn ihr im Wahlkampf weiter gegen uns schießt, dann könnt ihr im nächsten

    Die Probleme skizziert die JU in einer Wahlanalyse. „Armin Laschet konnte die Herzen der Menschen leider nicht erreichen“, heißt es da, und weiter: „Ganz im Gegenteil: Viele Wähler haben der Union wegen des Personalangebots die Stimme nicht gegeben.“ Doch die Schuld wird nicht nur Laschet in die Schuhe geschoben. Denn in den Augen der JU waren nur „wenige im amtierenden Bundeskabinett im Wahlkampf eine wirkliche Hilfe.“ Der internetaffine Polit-Nachwuchs kritisiert heftig „eine Kultur der Illoyalität und des Durchstechens von vertraulicher Kommunikation an die Presse auf Kosten der Partei“.

    Schelte für Markus Söder, Jubel für Friedrich Merz

    Der Name von Markus Söder wird da direkt nicht genannt, aber viele hier meinen ihn damit. Der bayerische Ministerpräsident hat es sich mit der JU ohnehin gründlich verscherzt: Er hat seine Teilnahme an der dreitägigen, bis Sonntag dauernden Veranstaltung abgesagt. „Wir bedauern es sehr, dass

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    Der Abgeordnete Merz hingegen wird beim Deutschlandtag wie ein Popstar empfangen. Begleitet von donnernder Musik läuft der 65-Jährige in die Halle ein und verpasst der Unions-Führung gleich eine schallende Ohrfeige. „Wir haben eine historische Niederlage hinnehmen müssen“, wettert der ehemalige Unions-Fraktionsvorsitzende und nennt als Referenzgröße das Jahr 2013. Damals habe die Union 41,5 Prozent geholt, seitdem aber „in zwei Wahlperioden über ein Drittel unserer Wähler verloren.“

    Merz bezeichnet die Union der letzten Jahre als denkfaul

    „Die Union ist mit diesem Wahlergebnis ein insolvenzgefährdeter, schwerer Sanierungsfall geworden“, sagt Merz und fordert eine Debatte nicht über Personen, sondern über Inhalte. Dabei müsse „das christliche Menschenbild im Vordergrund stehen“, sagt er und hält kurz inne: „Das Jahr 2021 war kein Referenzjahr im christlichen Umgang miteinander in der Union.“ Das aber müsse besser werden, fordert der Sauerländer. Denn es spreche „eine gewisse historische Wahrscheinlichkeit“ dagegen, dass es bereits bei der nächsten Wahl wieder einen Regierungswechsel geben werde.

    „Die Union ist in den letzten Jahren in der Regierung denkfaul geworden“, legt Merz noch nach. Man habe sich drauf verlassen, dass die Ministerien liefern. „Wir haben nur abgefragt, anstatt selbst zu denken und selbst zu entwerfen.“ Das müsse in der Opposition wieder anders werden, sagt Merz, und dient sich den Jungen an: „Junge Besen kehren gut, aber die alten Bürsten kennen die Ecken.“

    Wie sich die Junge Union für die Zukunft aufstellen will

    Die Junge Union will gründlich auskehren. „Wir werden dafür sorgen, dass der Neuanfang von diesem Wochenende ausgeht“, sagt Kuban. In der JU-Analyse steht auch, mit wem das gelingen kann. „Nur mit neuen, in der Öffentlichkeit unverbrauchten Köpfen können wir neue Wähler gewinnen. Wir müssen jetzt einen Generationenwechsel einleiten mit der nächsten Generation in verantwortungsvollen Positionen“, heißt es.

    Dazu gehören klare Abgrenzungen zu den anderen Parteien. Denn die politischen Inhalte der Union zogen bei den unter 36-Jährigen kaum. Sie wählten mehrheitlich Grüne und FDP. Die Schlussfolgerung der Jüngeren wirkt wie ein verbaler Faustschlag ins Gesicht der Älteren: „Wir brauchen keine Beschlusslage vom Staubsaugerbeutel bis zur Nebelschlussleuchte, sondern wir müssen über längere Zeit konkrete Themen und Forderungen besetzen, die im besonderen Interesse der jungen Generation liegen.“

    Es gilt, den inneren Frieden bei CDU und CSU wieder herzustellen. JU-Chef Kuban will deshalb einen „Unionsrat“ installieren, in dem Vertreterinnen und Vertreter beider Parteien aus Bund und Ländern zusammenkommen und die Parteiarbeit koordinieren. Neuen Zusammenhalt soll das bringen, hofft Kuban.

    Gesprächsbedarf gäbe es genug, wie sich zu Beginn des Deutschlandtages bereits andeutete. Kuban wünscht sich bei der anstehenden Neubesetzung der CDU-Spitze nicht nur männliche Kandidaten, sondern auch die Bewerbung einer Frau. Ob es sogar eine Doppelspitze werden kann, wie es bisher einige wenige Frauen in der CDU fordern? Nun, darüber wird zu sprechen sein. Kuban schloss das für die Zukunft nicht aus. Jetzt jedoch sei der Zeitpunkt für eine Doppelspitze noch nicht gekommen.

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