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Kommentar: Deutschland und Frankreich haben sich entfremdet

Kommentar

Deutschland und Frankreich haben sich entfremdet

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    Deutschland und Frankreich haben sich entfremdet
    Deutschland und Frankreich haben sich entfremdet Foto: Christophe Simon, afp

    Ende Januar haben Deutschland und Frankreich einen neuen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Das Dokument sollte an den ersten Vertrag dieser Art erinnern, den 1963 Konrad Adenauer und Charles de Gaulle auf den Weg brachten, Symbol der Aussöhnung nach dem Schrecken der Kriege.

    Vor 56 Jahren sorgte das Konstrukt für Ärger, es musste eine Präambel eingefügt werden, dass die Annäherung zwischen Paris und (damals noch) Bonn die engen Bande zu den USA nicht untergrabe.

    Auf den Vertrag folgten kaum Reaktion

    Als diesmal Angela Merkel und Emmanuel Macron in Aachen den neuen Vertrag unterzeichneten, geschah hingegen als Reaktion: so gut wie nichts. Das ist eigentlich noch schlimmer als der schlimme Streit damals. Denn diese neue Apathie ist auch ein Ausdruck des neuen Verhältnisses zwischen den beiden Nachbarn: die deutsch-französische Achse knirscht nicht, sie lahmt nicht – sie interessiert einfach nicht mehr. Und es scheint auch die handelnden Akteure nicht mehr zu interessieren, das Gegenteil wenigstens zu zelebrieren.

    Nur so ist zu deuten, dass kurz nach dem neuen Freundschaftsvertrag – bei dessen Unterzeichnung doch feierlich vereinbart wurde, sich in wichtigen Fragen wieder stets eng abzustimmen – genau das nicht geschah: Im Ringen um die umstrittene Pipeline Nordstream 2 düpierte Paris Berlin soeben, auch wenn es letztlich zu einer (windelweichen) Einigung kam. Und dass Macron gerade seine Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz absagte, mag durchaus mit dringenden Terminen in seiner Heimat zu tun haben. Aber für einen kurzen Auftritt mit Merkel hätte seine Zeit wirklich nicht gereicht?

    Es gibt in Frankreich und Deutschland viele Experten, die all dies genau erklären können. Sie tragen vor, Merkel habe Macron hängen lassen, als der seine europapolitischen Visionen präsentierte und nicht weniger als eine „Neuerfindung von Europa“ anstrebte – nur um monatelang kein Wort aus der deutschen Regierungszentrale zu erhalten. Andere argumentieren umgekehrt, der junge Franzose habe völlig unrealistische Erwartungen geschürt und so Enttäuschung vorprogrammiert. Er solle lieber erst mal zu Hause Reformen liefern, statt Digitalsteuern oder EU-Finanzminister zu fordern.

    Das gegenseitige Interesse ist abhandengekommen

    Doch solche oberflächlichen Analysen verfehlen den Kern des Problems. Deutsche und Franzosen haben aneinander das Interesse verloren. Ausgerechnet den beiden Staaten, die sich zigfach bekriegt haben – dann aber gemeinsam den Grundstein legten für die europäische Einigung –, scheint die Leidenschaft füreinander abhandengekommen. Das gilt nicht allein für die große Politik, das gilt für den kleinen Alltag. Machen Sie mal den Test: Wer in Ihrem Bekanntenkreis spricht noch Französisch – oder lässt es seine Kinder lernen? Wann haben Sie zuletzt über einen französischen Schriftsteller diskutiert, der nicht Michel Houellebecq heißt? Wann einen Film gesehen, dessen Titel nicht „Ziemlich beste Freunde“ lautete? Und wer kann jeweils erklären, warum Marine Le Pen so stark ist und die AfD?

    Um dies zu ändern, braucht es nicht Verträge, dafür braucht es tägliches Miteinander. Hoffnung gibt es durchaus: Unter jungen Leuten ist Europa populär, aber auch das Nachbarland. Fast jeder zweite Franzose zwischen 18 und 24 Jahren etwa ist schon einmal auf die andere Rheinseite gereist.

    Mehr deutsch-französische Annäherung würde dem gerade so schwachen Europa guttun, das dringend einen starken Kern braucht. Und es würde uns Deutschen guttun, nun da der amerikanische Freund sich hinter „America First“ verbirgt. Vielleicht wohnen unsere ziemlich besten Freunde einfach gleich um die Ecke.

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