Es regnet Milliarden. Milliarden für Gasthäuser und den Handel, Milliarden für das Gesundheitssystem, Milliarden für die Kurzarbeit. Es kann einem schwindelig werden. Die Milliarde ist eine Zahl mit neun Nullen. Sie ist die neue Maßeinheit, wenn es darum geht, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu bemessen. Der Bundesfinanzminister bietet viele Milliarden auf, damit die Konjunktur nicht ungebremst abstürzt und Millionen Arbeitsplätze vernichtet werden.
Eine Kreditlinie von bis zu 400 Milliarden Euro hat sich Olaf Scholz für dieses und nächstes Jahr vom Bundestag als Krisenhilfe genehmigen lassen. Die Summe ist gewaltig, ist sie doch größer als alle Ausgaben der Bundesregierung während eines normalen Jahres. Deshalb drängen sich die Fragen regelrecht auf, ob Deutschland sich das alles leisten kann und wie das ganze Geld zurückgezahlt werden soll. Die Antworten auf beide Fragen sind verblüffend. Deutschland kann es sich leisten, weil die Corona-Schulden wahrscheinlich nur zu einem kleinen Teil abgetragen werden. Der Trick dahinter geht so: Die Schulden werden einfach über Jahrzehnte mitgeschleift. Das funktioniert, weil der Staat auf Ewigkeit angelegt ist. Das unterscheidet ihn grundsätzlich von Menschen. Wenn Häuslebauer einen Kredit haben wollen, besteht die Bank auf eine Tilgungszeit von 25 Jahren. Die Bank verlangt das, weil alle Menschen irgendwann in Rente gehen und schließlich sterben müssen. Nicht so der Staat.
Schulden in der Corona-Krise: Staaten müssen Verbindlichkeiten selten zurückzahlen
Die Ökonomen der Commerzbank haben sich dieses grundlegenden Unterschieds angenommen und in der Geschichte zurückgeschaut. In ihrer Untersuchung blicken sie auf Großbritannien und die Vereinigten Staaten in den letzten 200 Jahren. Nur einmal haben die USA demnach ihre sprunghaft gestiegenen Verbindlichkeiten beinahe vollständig getilgt. Das war Anfang des 19. Jahrhunderts nach einem Krieg, ausgerechnet gegen das einstige Mutterland Großbritannien. Ansonsten setzten Washington und London stets darauf, aus den Schulden herauszuwachsen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Genau das wird jetzt auch mit den Corona-Schulden passieren. Denn ob ein Staat seine Schuldenlast tragen kann, hängt von der Wirtschaftsleistung ab. Beide Größen werden in der Wirtschaftswissenschaft in ein Verhältnis gesetzt.
Bis Ende 2021 wird die Schuldenlast wegen der enormen Neuverschuldung von derzeit 60 auf rund 75 Prozent der Wirtschaftsleistung schnellen. Wenn das Gröbste überstanden ist, der Finanzminister nicht mehr so viele Kredite aufnehmen muss und die Wirtschaft wächst, reduziert sich der Schuldenstand gemessen an der Wirtschaftskraft. Die Volkswirte der DZ-Bank haben sich eine Schätzung zugetraut und sagen voraus, dass 2025 die Verbindlichkeiten auf 65 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken werden – ohne dass dafür eine harte Sparpolitik oder Steuererhöhungen nötig sein werden. Dem Finanzminister kommen dabei die historisch niedrigen Zinsen zu Hilfe, die es ihm erlauben, sich das Geld von Investoren äußerst günstig zu leihen. Das muss nicht immer so bleiben, aber dass sich daran rasch etwas ändert, erwarten die Ökonomen nicht.
Deutschland verkraftet die Corona-Hilfen für die Wirtschaft
Daraus folgt, dass der Staat auch im neuen Jahr finanziell nachlegen könnte, wenn Wirtshäuser, Hotels und Geschäfte länger schließen müssen. Es wäre für Deutschland verkraftbar. Über Jahre ist diese Politik der enormen Defizite jedoch nicht durchzuhalten. Falsch wäre es im Nachgang der schweren Krise, die Ausgaben zusammenzustreichen oder Steuern zu erhöhen, weil das die Erholung bremst. Es braucht eine Finanzpolitik der ruhigen Hand.
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