Millionen Mieter, Haus- und Wohnungseigentümer schauen derzeit mit Bangen auf das Ringen von Bund und Ländern, wie in Zukunft die Grundsteuer aussehen soll. Für die meisten Bürger geht es dabei um ein paar hundert Euro im Jahr, für die Kommunen in Deutschland um mehr: Mit knapp 14 Milliarden Euro ist die Grundsteuer neben der Gewerbesteuer ihre wichtigste Einnahmequelle. Doch vergangenen April kam es zum großen Knall: Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Berechnungsgrundlage für verfassungswidrig. Die teils aus den dreißiger Jahren stammenden und mehr als 50 Jahre lang nicht mehr angepassten Einheitswerte für Grundstücke seien „völlig überholt“ und führten zu „gravierenden Ungleichbehandlungen“, rügten die Richter in den roten Roben.
Die seitdem um eine Reform streitenden Finanzminister in Bund und Ländern steuern unaufhörlich auf eine Deadline zu: Bis 31. Dezember 2019 muss eine neue Berechnungsformel als Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht sein – oder die Grundsteuer ist tot! Ein Horror vor allem für die Kämmerer von Städten und Gemeinden. Sie drängen seit Monaten auf eine Einigung – fast schon egal in welcher Form. Mieterschutz- und Immobilienbesitzer-Verbände warnen dagegen vor neuen Belastungen, welche die vielerorts explodierenden Wohnkosten weiter in die Höhe schießen lassen. Andere befürchten ein neues Bürokratiemonster.
Beim Grundsteuergipfel in Berlin erweckte SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz nun den Eindruck, dass es zwischen Bund und Ländern zum Durchbruch gekommen sei. Er sprach von einem „großen Meilenstein“, dass die Mehrheit seiner Länderkollegen ihn beauftragt habe, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der neben seinem ursprünglichen Konzept eine Sonderklausel für Sozial- und Genossenschaftsbauwohnungen enthält. Doch Scholz machte seine Rechnung ohne die CSU.
Parteichef Markus Söder machte umgehend klar, dass er einen kompletten Neuanfang der Verhandlungen will: „Die Jacke ist von Anfang an falsch eingeknöpft. Da hilft es nicht, jetzt einfach weiter zu knöpfen.“ Seine Partei werde in der Koalition keinem Modell zustimmen, das Nachteile für Mieter bringe, sagte der Ministerpräsident und lehnte auch das neue Modell von Scholz unmissverständlich ab. Ohne den Segen der Bayern-CSU wird auch nicht die Unionsfraktion der Reform zustimmen, ist in Berlin zu hören. Damit dürfte der Scholz-Vorstoß keine Chance mehr haben.
Umlage der Grundsteuer auf Mieter wird kritisiert
Der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, verfolgt die Debatte kritisch. „Bei jedem Modell steckt der Teufel im Detail“, sagt er. Deshalb sei für ihn die entscheidende Frage bei der Reform, ob die Grundsteuer weiterhin in der Nebenkostenabrechnung auf die Mieter umgelegt werden könne. „Wir lehnen das ab, die Grundsteuer hat nichts mit umlegbaren Verbrauchskosten oder laufenden Kosten, wie den Ausgaben für den Hausmeister, zu tun, sondern ist an das Eigentum gebunden.“
Der Mieterbund will deshalb in den kommenden Wochen eine Kampagne mit einer großen Unterschriftenaktion starten, damit die Umlagefähigkeit im Zuge der Grundsteuerreform abgeschafft werden soll. „Der Juckepunkt ist doch, dass niemand garantieren kann, dass die Grundsteuerreform aufkommensneutral wird, das heißt, ohne zusätzliche Belastungen für die Bürger vonstattengeht“, sagt Siebenkotten. Das möge vielleicht für den Tag X gelten, an dem die Reform beschlossen wird. Danach hätten aber die Kommunen den Hebel in der Hand. Denn der andere Hauptfaktor der Grundsteuer-Formel ist der sogenannte Hebesatz, den jede Kommune selbst bestimmen kann.
Grundsteuer-Belastung seit 2008 um ein Drittel gestiegen
Tatsächlich sind die Einnahmen aus der Grundsteuer nach Angaben des Statistischen Bundesamts in den vergangenen zehn Jahren um rund ein Drittel gestiegen, was hauptsächlich an der Erhöhung der Hebesätze in den Kommunen liegt. Ausgerechnet in Berlin, wo immer mehr Menschen über drastisch steigende Mieten klagen, ist der Hebesatz mit 810 Punkten bundesweit mit am höchsten. Übertroffen wird er nur noch von Ruhrgebietsstädten wie Witten mit 910 oder Castrop-Rauxel mit 825 Punkten.
Die Punkte bedeuten, dass der Teil der Formel, über den die Politiker gerade streiten, zum Beispiel in Berlin mit 8,10 multipliziert wird. In Bayern liegen die Hebesätze unter dem Bundesdurchschnitt, sind aber regional sehr unterschiedlich: In München liegt der Faktor bei 5,35 – während im Nachbarort Haar nur die Multiplikation um 3,1 fällig ist. In Augsburg ist der Faktor mit 5,55 der höchste unter den bayerischen Städten.
„Die Kommunen bestimmen den Hebesatz ausschließlich nach Kassenlage, soziale Gesichtspunkte spielen dabei keine Rolle“, sagt Siebenkotten. Deshalb sei die Annahme illusorisch, klamme Kommunen könnten mit ihrem Hebesatz-Instrument regionale Härten bei der Grundsteuerreform ausgleichen.
Mieterbund schlägt Kompromiss zur Grundsteuer vor
Der Mieterbund-Direktor findet es richtig, dass das Bundesverfassungsgericht eine Reform fordert und dafür eine Deadline gesetzt hat: „Die Berechnung mit Einheitswerten aus den dreißiger Jahren war absurd.“ Doch auch er teilt Bayerns Kritik, dass das Modell des Bundesfinanzministers zu enormem bürokratischen Aufwand führt: „Das Modell aus dem Eckpunkte-Papier ist enorm kompliziert zu berechnen“, kritisiert Siebenkotten.
Auch das bayerische Modell sei zu umständlich. „Wir schlagen das Bodenwertmodell vor, das möglichst einfach ist“, sagt Siebenkotten. Dabei werde einzig der Bodenwert eines Grundstücks herangezogen, egal ob und wie hoch es bebaut ist. Dadurch entstünden gerade auch in Städten keine unverhältnismäßig größeren Belastungen als in ländlichen Regionen. „Das Bodenwertmodell wäre ein idealer Kompromiss zwischen der Position Bayerns und dem Rest der Bundesrepublik“, sagt der Mieterbund-Direktor.