Der riesige Wappenteppich im Oval Office ist ausgetauscht. Das Gemälde des rassistischen Präsidenten Andrew Jackson wurde abgehängt, und an den Wänden stehen nun Büsten der schwarzen Bürgerrechtler Rosa Parks und Martin Luther King. Den massiv hölzernen Schreibtisch seiner Vorgänger aber hat Joe Biden behalten, und auf dem stapelten sich am ersten Arbeitstag des neuen US-Präsidenten gleich 15 Mappen mit Verordnungen. Eilig setzte der neue Hausherr seine Unterschrift darunter.
Joe Biden hat nicht vor, sich mit kosmetischen Änderungen im Weißen Haus zu begnügen. Die Salve präsidialer Dekrete soll eine Kehrtwende in der Corona-, der Klima- und der Migrationspolitik der USA einleiten. „Wir haben viel zu tun in diesem Winter der Gefahr, viel zu reparieren, viel wiederherzustellen, viel zu heilen“, hatte der 78-Jährige nach seiner Vereidigung vor dem Kapitol gesagt. In einem beeindruckenden Tempo lässt er nun Taten folgen.
Ganz oben auf Bidens Liste: Der Kampf gegen Corona
Im Vordergrund von Bidens Aktivitäten dürfte zunächst die Bekämpfung der Corona-Pandemie sein, die in Amerika praktisch ungehindert wütet und bislang mehr als 400.000 Tote gefordert hat. Zwar wird in den USA deutlich mehr geimpft als in Deutschland, doch verläuft das teilweise chaotisch – vor allem weil die Trump-Regierung die Verteilung ganz den Bundesstaaten und Kommunen aufgebürdet hat, ohne sie dabei finanziell oder logistisch zu unterstützen. So droht in New York der Impfstoff auszugehen, in Florida entwickelt sich gerade ein lukrativer Impftourismus aus anderen Bundesstaaten.
An seinem ersten Tag legte Biden eine 21-seitige Covid-Strategie vor, erklärte den Wiedereintritt der USA in die Weltgesundheitsorganisation und verfügte eine hunderttägige Maskenpflicht in Gebäuden und Verkehrsmitteln des Bundes. Gleichzeitig machte der neue Präsident seine Ankündigung wahr, das Land zurück in das Pariser Klimaschutzabkommen zu führen, was der republikanische Senator Ted Cruz ernsthaft mit der Bemerkung kritisierte, die neue Regierung sei „mehr an den Überzeugungen der Bürger von Paris als an den Jobs der Bürger von Pittsburgh“ interessiert.
Weitere Verordnungen stoppen den Bau der umstrittenen Keystone-Ölpipeline und legen die von Vorgänger Donald Trump in den letzten Tagen seiner Amtszeit erlaubten Bohrungen in der Arktis auf Eis. Außerdem wird der Einreisebann für Bürger aus muslimischen Staaten aufgehoben und der Bau der Mauer zu Mexiko gestoppt.
Mit der Welle von Dekreten demonstriert Biden Handlungswillen. Für große Gesetzesvorhaben wie das angekündigte Covid-Hilfspaket im Umfang von 1,9 Billionen Dollar braucht er jedoch den Senat. Dort wurden am Mittwoch die beiden neuen demokratischen Senatoren Raphael Warnock und Jon Ossoff vereidigt. Nun sitzen in der Kammer 50 Republikanern exakt 50 Demokraten gegenüber. Bei einem Abstimmungspatt gibt das Votum der neuen Vizepräsidentin Kamala Harris den Ausschlag.
Der Senat muss auch Bidens Kabinett bestätigen. Erste potenzielle Mitglieder wie die designierte Finanzministerin Janet Yellen und der designierte Außenminister Antony Blinken wurden angehört und dürften bald problemlos durchgewunken werden. Bei anderen Kandidaten wie dem designierten Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas und der Budgetdirektorin Neera Tanden baut sich Widerstand auf. Als erste Top-Besetzung wurde die Berufung der neuen Geheimdienstchefin Avril Haines abgesegnet.
Tendenziell droht Bidens ambitionierte Agenda im Senat mit dem vom Repräsentantenhaus beschlossenen Impeachment-Verfahren zu kollidieren. Der nachträgliche Amtsenthebungsprozess gegen Expräsident Trump könnte die Kammer nämlich für Wochen lähmen. Bislang konnten sich der neue demokratische Mehrheitsführer Chuck Schumer und der republikanische Fraktionschef Mitch McConnell nicht auf ein Verfahren einigen, das die normale Gesetzgebungsarbeit während des Verfahrens sicherstellt. Möglicherweise deshalb hält Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, die offizielle Anklage bislang zurück.
Das Trump-Impeachmet könnte Bidens Offensive bremsen
Im Weißen Haus hält sich die Begeisterung über das Impeachment erkennbar in Grenzen. Biden, der die Aussöhnung des Landes als sein wichtigstes Ziel beschreibt, hat sich zu dem Vorhaben nicht direkt geäußert. Seine Sprecherin Jan Psaki erklärte bei ihrer ersten Pressekonferenz am Mittwochabend nur, die Regierung sei optimistisch, dass der Senat das Multitasking beherrsche: „Die konkreten Abläufe sind Sache des Kongresses.“
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