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Der erste Termin des Bundespräsidenten: Gauck feiert den Thomanerchor - und überlässt Anderen das Reden

Der erste Termin des Bundespräsidenten

Gauck feiert den Thomanerchor - und überlässt Anderen das Reden

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    Der neue Bundespräsident Joachim Gauck wurde bei seinem ersten offiziellen Termin in Leipzig mit Beifall begrüßt.
    Der neue Bundespräsident Joachim Gauck wurde bei seinem ersten offiziellen Termin in Leipzig mit Beifall begrüßt.

    Es ist ein Einstieg "light" für den neuen Bundespräsidenten: Sein erster offizieller Termin außerhalb Berlins führt Joachim Gauck nach Leipzig. Dort wurde am Dienstag das 800-jährige Jubiläum des weltberühmten Thomanerchores gefeiert wurde. Bei dem rund anderthalbstündigen Festakt in der Thomaskirche können sich Gauck und seine mitgereiste Lebensgefährtin Daniela Schadt ganz der Musik und dem Gesang des Knabenchores hingeben. Die Festreden halten diesmal noch Andere.

    Joachim Gauck schüttelt Hände der Thomaner-Knaben

    "Guten Tag Leipzig", ruft ein gut gelaunter Joachim Gauck, als er bei schönstem Sonnenschein an der Thomaskirche aus der schwarzen Präsidentenlimousine steigt. Aus der Menschenmenge erntet er Beifall und vereinzelte Jubelrufe. Gauck schüttelt Thomaner-Knaben die Hände und lasst sich vor dem Bach-Denkmal fotografieren, bevor er - begleitet von Glockengeläut - in die Kirche geht. Für den Theologen eigentlich ein vertrauter Ort. Dass ihn die dort versammelten Repräsentanten von Stadt, Politik und Gesellschaft mit Standing Ovations empfangen, daran muss sich der neue Bundespräsident aber erst noch gewöhnen.

    Das Leben der Daniela Schadt

    Damiela Schadt wurde am 3. Januar 1960 in Hanau geboren.

    Schadt legte 1978 an der Karl-Rehbein-Schule in Hanau das Abitur ab und studierte im Anschluss in Frankfurt am Main Germanistik, Politik und französische Literatur.

    1985 kam sie als Redakteurin zur Nürnberger Zeitung, wo sie derzeit Ressortleiterin der Innenpolitik ist.

    Bei einem seiner Vorträge in Nürnberg lernte sie Joachim Gauck, damals Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, kennen.

    Seit 2000 führen Schadt und Gauck eine Beziehung; auf dem Papier besteht allerdings noch Gaucks Ehe mit seiner Frau Gerhild.

    Ehrenamtlich nimmt sie im Nürnberger Presseclub die Aufgabe der Beisitzerin im Vorstand wahr.

    Die Hessin ist ein sportbegeisterter Fußballfan. Selbst spielte sie früher Volleyball.

    Schadt sagt von sich, sie sei bodenständig und könne gut Fisch in Weißweinsoße mit Zwiebeln und Tomaten zubereiten.

    Die Veranstaltung ist Teil des Jubiläumsjahres "800 Jahre Thomana", mit dem Leipzig in diesem Jahr Thomanerchor, Thomaskirche und Thomasschule würdigt. In zahlreichen Festreden wird an die lange Tradition des Thomanerchors erinnert, der untrennbar mit der Geschichte Leipzigs und dem Namen Johann-Sebastian Bach verbunden  ist. Unter der Leitung des Thomaskantors erlebte der Chor in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Blütezeit. Heute ist der weltberühmte Knabenchor, dem rund hundert Jungen und Jugendliche von neun bis 18 Jahren angehören, einer der wichtigsten musikalischen Botschafter der Stadt.

    Gauck hatte schon Ende Februar zugesagt - ursprünglich war Wulff eingeladen

    Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) freut sich zugleich über die "Ehre", dass Gauck zwei Tage nach seiner Wahl am Sonntag und noch vor seiner Vereidigung am kommenden Freitag nach Leipzig gekommen ist. Immerhin hatte Gauck schon Ende Februar zugesagt - zehn Tage nach dem Rücktritt des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, dem die Einladung ursprünglich galt. Im Programmheft prangt auch noch Wulffs Foto.

    Zitate von Joachim Gauck

    "Unsäglich albern" (16.10. 2011, zur Finanzmarkt-Debatte)

    "Das wird schnell verebben." (16.10.2011, zur internationalen Protestbewegung "Occupy")

    "Wir träumten vom Paradies und wachten auf in Nordrhein-Westfalen." (24.06.2010, über die Ernüchterung vieler Ostdeutscher über das Leben im wiedervereinigten Deutschland)

    "Ich würde in der Tradition all derjenigen Bundespräsidenten stehen, die sich gehütet haben, die Politik der Bundesregierungen zu zensieren. Mancher wünscht sich ja einen Bundespräsidenten wie einen Kaiser, als letzte Instanz über allem - das darf er nicht sein." (25.6.2010, bei seinem ersten Anlauf zur Präsidentschaft im Fernsehsender n-tv über sein Amtsverständnis.)

    "Es schwächt die Schwachen, wenn wir nichts mehr von ihnen erwarten." (3.10.2010 bei einer Feierstunde im Berliner Abgeordnetenhaus zum Einheits-Jubiläum)

    "Denn als Bürger der DDR haben ich und viele andere Menschen im ganzen Osten Europas Ohnmacht erlebt und trotz Ohnmacht Ähnliches geschafft: Es gibt ein wahres Leben im falschen.". (10.10.2010 bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den israelischen Schriftsteller David Grossmann)

    «Verantwortung ist dem Untertan meistens fremd. Was er am besten kann, ist Angst haben.» (1999 über Furcht vor der Freiheit bei Menschen in Ostdeutschland)

    "Wir sind nicht dazu da, vor dem Verbrechen zu kapitulieren und vor dem Unheil zu flüchten." (29.11.2010, vor der Entgegennahme des Geschwister-Scholl-Preises)

    „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik.“ (2011 über Thilo Sarrazin und sein Buch über Migrationspolitik.

    «Es schwächt die Schwachen, wenn wir nichts mehr von ihnen erwarten.» (3.10.2010 bei einer Feierstunde zum Einheits-Jubiläum)

    "Wir dürfen uns von den Fanatikern und Mördern nicht unser Lebensprinzip diktieren lassen." (27.7.2011, bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele gegen die Einschränkung von Freiheitsrechten aus Sicherheitsaspekten als Reaktion auf Terror)

    "Geben Sie mir einfach noch ein wenig Zeit." (17.2.2012, auf die Frage eines Reporters, ob er bereit für eine Kandidatur als Bundespräsident sei)

    Die mehreren hundert Menschen, die am Dienstag auf dem Platz vor der Thomaskirche der Übertragung des Festakts lauschen, sind nicht nur des Thomanerchors wegen gekommen. Viele wollen ihren neuen Bundespräsidenten sehen. Zu ihnen gehört Christel Blödorn - sie wünscht sich, dass Gauck sich in seinem neuen Amt nicht nur seinem Hauptthema, der "Freiheit" zuwendet, sondern sich auch zur sozialen Gerechtigkeit bekennt. "Die Erwartungen an Gauck sind sehr hoch, aber man muss ihm eine Schonfrist zugestehen", sagt die 71-jährige Leipzigerin.

    Freitag wird der neue Bundespräsident vereidigt

    Als Gauck gegen Mittag winkend die Thomaskirche verlässt, brandet erneut Beifall auf. Der Bundespräsident zeigt sich sehr bewegt von dem Festakt und dem freundlichen Empfang. "Ich bin dankbar, dass das mein erster Termin war", sagt Gauck und steuert auf die Limousine zu, ohne nochmals Hände zu schütteln.

    Denn die Zeit drängt. Am Donnerstag nimmt Gauck in Berlin an einer Preisverleihung für Bürgerstiftungen teil. Für Freitag ist die nächste Ansprache des neuen Bundespräsidenten geplant, wenn er nach seinem Amtseid vor Bundestag und Bundesrat das Wort ergreifen will. Das wird dann keine "Light-Version" mehr. Auf Gauck ruht die Hoffnung, dass er dem Amt nach dem Abtritt von Wulff neue Würde verleiht.

    Gaucks erste Auslandsreise geht wahrscheinlich nach Polen

    Das ist Joachim Gauck

    Bundespräsident Joachim Gauck hat ein bewegtes Leben hinter sich. Seine wichtigsten Stationen.

    Gauck kommt 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater ist Kapitän, seine Mutter gelernte Bürofachfrau. Sein Vater wird von den Russen wegen angeblicher Sabotage in einem Lager in Sibirien verschleppt, als Gauck sechs Jahre alt ist. Er kommt erst viele Jahre später wieder frei.

    Nach dem Abitur studiert Joachim Gauck Theologie in Rostock und arbeitet dann ab 1967 als Pastor in Lüssow. Sein eigentlicher Berufswunsch Journalist zu werden, lässt sich in der DDR nicht erfüllen.

    Ab 1974 wird Joachim Gauck wegen seiner kritischen Predigten von der Stasi beobachtet.

    Als sich in der DDR Ende der achtziger Jahre Widerstandsgruppen formieren, wird Gauck Mitbegründer und Sprecher des „Neuen Forums“. Er leitet unter anderem Gottesdienste und führt Großdemonstrationen an.

    Das Ende des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt Gauck die "prägende Zeit meines Lebens".

    1990 leitet er als Abgeordneter der frei gewählten DDR-Volkskammer den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernimmt Joachim Gauck die nach ihm benannte Stasi-Unterlagen-Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgiebt, avanciert Gauck zum bekanntesten Gesicht der DDR-Demokratiebewegung.

    Nach dem Mauerfall trennt sich der Theologe von seiner Frau und findet eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen - eine Journalistin aus Nürnberg. Bis heute sind beide nicht miteinander verheiratet.

    2003 wird Joachim Gauck aus den Reihen der FDP erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.

    2005 wird Joachim Gauck, damals 65 Jahre alt, Ehrendoktor der Universität Augsburg.

    Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland.

    Im Sommer 2010 wird er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der durch Horst Köhlers Rücktritt nötig gewordenen Wahl knapp an Wulff scheitert, ändert nichts an seiner Beliebtheit.

    2011 sorgt Gauck für Schlagzeilen, als er Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ Mut attestiert. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, sagte Gauck, wobei er sich den den Inhalten des Buches distanzierte.

    Nach dem Rücktritt von Christian Wulff wird Gauck von Union, FDP, Grünen und SPD zum gemeinsamen Kandidaten für die Wahl eines neuen Bundespräsidenten nominiert.

    Am 18. März 2012 wählt ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten, am 23. März wird er vereidigt.

    Die erste Auslandsreise geht voraussichtlich nach Polen. Und der erste Staatsgast, den Gauck empfängt, ist am Donnerstag nächster Woche der Präsident der Mongolei, Tsakhia Elbegdorj. Die Einladung war schon vor Monaten ausgesprochen worden.afp/dpa/AZ

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