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Debatte: Der Rezo-Faktor: Ein Youtuber rechnet ab

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Der Rezo-Faktor: Ein Youtuber rechnet ab

Michael Stifter
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    Der Youtuber Rezo wurde mit dem renommierten „Nannen Preis“ für Journalisten ausgezeichnet. 	 	Klar ist: Die Provokation funktioniert auch dieses Mal.
    Der Youtuber Rezo wurde mit dem renommierten „Nannen Preis“ für Journalisten ausgezeichnet. Klar ist: Die Provokation funktioniert auch dieses Mal. Foto: Henning Kaiser, dpa

    Er hat es wieder getan. Nachdem der Youtuber Rezo im vergangenen Jahr mit seinem Video „Die Zerstörung der CDU“ nicht nur die Partei in helle Aufregung versetzt hatte, rechnet er nun mit Verschwörungstheoretikern ab – und mit den Medien. „Die Zerstörung der Presse“, heißt der neue Beitrag des 27-Jährigen, der über die Internet-Plattform Millionen Menschen erreicht. Wie soll man als Journalist darauf reagieren, wenn jemand den eigenen Berufsstand anprangert? Sich rechtfertigen, zurückschießen, sich anbiedern? Tun wir doch das, was Rezo selbst in dem fast einstündigen Video fordert: Schauen wir auf die Fakten.

    Warum klassische Medien an Vertrauen verlieren

    Dazu gehört die Erkenntnis, dass die Corona-Krise ein Konjunkturprogramm für Verschwörungstheoretiker ist. Wenn Leute wie Attila Hildmann oder Xavier Naidoo mit ihren irren Thesen so viel Gehör finden, liegt das für Rezo auch daran, dass die klassischen Medien an Vertrauen verlieren. Tatsächlich ergab eine aktuelle Umfrage der Meinungsforscher von Infratest dimap, dass immerhin 20 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland denken, nicht nur Politiker, sondern auch Medien würden die Gefahr der Corona-Pandemie absichtlich größer machen als sie ist. Woher kommt dieses Misstrauen?

    Rezo sieht die Schuld vor allem bei Boulevardzeitungen und Klatschheftchen, die mit „Falschbehauptungen“ oder sogar erfundenen Interviews „Cash machen“. An seine eigenen Abonnenten hat der Youtuber eine klare Botschaft: „Misstraut diesen Journalisten und verachtet weiter deren Verhalten, aber bitte übertragt dieses Urteil nicht auf die seriösen Zeitungen!“

    Youtuber Rezo möchte mit seinem Video Missstände herausarbeiten

    An diese seriösen Medien appelliert Rezo, sich klarer vom Boulevard zu distanzieren, anstatt dessen Reichweite zu vergrößern, indem aus spekulativen Geschichten zitiert werde. Ein Teil des Problems seien auch reißerische Überschriften, die darauf abzielten, Klicks im Netz zu erzeugen, kritisiert der Youtuber. Damit wirft er sich allerdings eine Scheibe im eigenen Glashaus ein. Schließlich suggeriert der Titel seines Beitrags weit mehr Krawall, als am Ende drinsteckt. „Ich zerstöre in diesem Video gar nichts, sondern möchte Missstände herausarbeiten, um diese zu lösen“, sagt er gleich zu Beginn. Warum er dennoch diese Überschrift gewählt hat, erklärt er nicht. Vielleicht, weil es besser geklickt wird.

    Klar ist: Die Provokation funktioniert auch dieses Mal. Schon kurz nachdem Rezos Video erschienen ist, meldet sich Julian Reichelt zu Wort. Der Bild-Chefredakteur fühlt sich offenbar besonders angesprochen und geht in die Gegenoffensive. Reichelt wirft dem Influencer „Selbstgerechtigkeit“ vor. „Du machst Dein Geld und Deinen Ruhm auf einer Plattform, Youtube, die mit verantwortlich ist für die Verbreitung übelster Verschwörungstheorien“, kontert Reichelt via Twitter. Und bei aller gerechtfertigten Kritik am Kampagnenjournalismus, den die Bild unter seiner Führung (auch) macht, trifft Reichelt einen wunden Punkt. Zwar räumt Rezo ein, dass man auf Youtube „unzählige Videos findet, in denen zum Beispiel erzählt wird, dass die Erde flach ist, oder dass die Erde hohl ist, weil die Nazis da drin leben“. Dass die Plattform ziemlich wenig dagegen tut, hinterfragt er allerdings nicht.

    "Die Zerstörung der Presse": Ein Plädoyer für den Qualitätsjournalismus

    Rezo attackiert im Übrigen nicht nur die Bild. Er untersucht 1700 Artikel in deutschen Medien und kommt zu dem Ergebnis, dass etwa ein Drittel der Texte Falschbehauptungen enthält. Die Beweisführung hat allerdings eine kleine Schwäche: Es geht nur um Artikel, in denen Rezo selbst vorkommt. Da lassen sich die Fakten für ihn leicht checken, aber es liegt eben auch eine gewisse Befangenheit nahe. Was zweifellos stimmt: Wir Journalisten sind dafür verantwortlich, dass unsere Texte sorgfältig recherchiert und Fakten nachvollziehbar belegt sind, dass alle beteiligten Seiten gehört und etwaige Fehler transparent korrigiert werden. Und so ist das vermeintliche Zerstörungsvideo in Wahrheit ein Plädoyer für Qualitätsjournalismus.

    Die Überhöhung der eigenen Heldenhaftigkeit hätte sich Rezo aber besser gespart. „Ich habe mich mit diesem Video total ins Fadenkreuz von zwei Gruppen gebracht, in deren Fadenkreuz man eigentlich nicht sein möchte“, raunt er mit arg viel Pathos. An der Richtigkeit seiner Schlussfolgerung ändert das nichts: „Wenn der Presse menschlich weniger vertraut wird, dann wird ihr auch inhaltlich weniger geglaubt und das stärkt dann nicht nur die Verschwörungsideologen, sondern auch alle anderen zwielichtigen Parteien, Konzerne oder andere Menschengruppen, die mit Fakes, Desinformation und Bullshit den öffentlichen Diskurs manipulieren wollen.“

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