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Der Papst in Deutschland: Papst-Treffen mit Missbrauchsopfern als "scheinheilig" tituliert

Der Papst in Deutschland

Papst-Treffen mit Missbrauchsopfern als "scheinheilig" tituliert

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    Papst Benedikt XVI in Freiburg
    Papst Benedikt XVI in Freiburg Foto: Patrick Seeger

    Papst Benedikt XVI. hat sich am Freitagabend in Erfurt mit fünf Opfern sexuellen Missbrauchs durch Priester und kirchliche Mitarbeiter getroffen. Anschließend habe der Papst mit Menschen gesprochen, die sich um Betroffene kümmern, teilten der Vatikan und die Deutsche Bischofskonferenz mit: "Bewegt und erschüttert von der Not der Missbrauchsopfer hat der Heilige Vater sein tiefes Mitgefühl und Bedauern bekundet für alles, was ihnen und ihren Familien angetan wurde."

    Nach Angaben des Trierer Bischofs Stephan Ackermann zeigte sich Benedikt tief beschämt. Das Treffen im Priesterseminar habe in einer "menschlichen und offenen Atmosphäre" stattgefunden, sagte Ackermanns Sprecher am Samstag. Der Papst habe den zwei Frauen und drei Männern aus verschiedenen Regionen Deutschlands aufmerksam zugehört.

    Das Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt kritisierte das Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit als "scheinheilig" und unzureichend. Die Begegnung diene dem Verschweigen, Vertuschen und Verleugnen, sagte der Vorsitzende der Opfervereinigung, Norbert Denef, der Nachrichtenagentur dpa: "Das bringt überhaupt nichts. Das ist eine Strategie, um der Gesellschaft zu signalisieren, wir tun etwas." Stattdessen solle die Kirche ihre Akten öffnen und der Politik empfehlen, die Verjährungsfristen aufzuheben, forderte Denef.

    Ähnlich äußerte sich die Initiative "Eckiger Tisch", in der sich Missbrauchsopfer aus Jesuitenschulen zusammengeschlossen haben. "Wir versuchen seit 18 Monaten, in einen Dialog mit den Verantwortlichen der Kirche zu treten - leider ohne wirklichen Erfolg", teilte der Sprecher der Vereinigung, Matthias Katsch, mit. Nötig sei ein Gespräch über die "systemischen Ursachen" sexueller Gewalt. "Es geht um gewalttätige Strukturen in der Kirche, die Missbrauch begünstigt und das zweite Verbrechen, das der Vertuschung, ermöglicht haben."

    Die Begegnung gehörte nicht zum offiziellen Besuchsprogramm des Papstes in Deutschland, war aber als symbolische Geste erwartet worden. Überraschend fand sie nach einem langen und für den 84-Jährigen terminreichen Tag noch am Freitagabend statt und nicht am Wochenende in Freiburg. Bereits bei anderen Auslandsbesuchen hatte sich Benedikt unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit Missbrauchsopfern getroffen und hatte mit ihnen gebetet.

    Vatikan-Sprecher Federico Lombardi beschrieb das Gespräch als "sehr kommunikativ, sehr friedvoll". In der offiziellen Erklärung heißt es: "Er hat den Anwesenden versichert, dass den Verantwortlichen in der Kirche an der Aufarbeitung aller Missbrauchsdelikte gelegen ist und sie darum bemüht sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zu fördern."

    Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, sagte, nach dem Treffen sei eine "emotionale Dichte spürbar gewesen, die mich ungemein beeindruckt hat. Es wurde auch geweint. Dies ist eine sehr gute Stunde des Programms gewesen."

    Der Skandal um jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in katholischen Einrichtungen erschütterte die Kirche im vergangenen Jahr und löste eine neue Austrittswelle aus. Die Deutsche Bischofskonferenz ernannte den Trierer Oberhirten Ackermann zum Beauftragten für das Thema und beschloss neue Leitlinien: Die Kirche will mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten, die Prävention verstärken, jedem minderjährigen Opfer bis zu 5000 Euro Entschädigung zahlen und Therapiekosten übernehmen. Vielen Betroffenen reicht das aber nicht aus.

    In Erfurt hatten am Freitag Missbrauchsopfer mit einer Mahnwache eine weitere Aufarbeitung von sexuellen Vergehen katholischer Priester gefordert. Seit dem Skandal 2010 habe sich nichts geändert, sagte Wilfried Fesselmann von der internationalen Organisation Snap, der nach eigenen Angaben 12 000 Missbrauchsopfer angehören.  dpa

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