Wenige Wochen vor dem Start des größten Militärmanövers der letzten 25 Jahre in Deutschland kritisiert die Opposition die geplante Übung „Defender Europe 2020“ scharf. „Manöver, insbesondere in dieser Größenordnung, wirken auf die andere Seite immer provozierend und können auch aus dem Ruder laufen“, sagte der Linken-Verteidigungsexperte Alexander Neu unserer Redaktion. Die Grünen-Haushaltspolitikerin Ekin Deligöz warnte vor den finanziellen Folgen für die Kommunen. Die Übung findet nach Angaben des Verteidigungsministeriums von Januar bis Mai statt. Rund 37000 Soldaten sind daran beteiligt. Deutschland ist Drehscheibe, Übungsräume sind auch Polen und das Baltikum.
USA und weitere Nato-Länder wollen Stärke gegenüber Russland zeigen
Mit dem Manöver wollen die USA und andere Nato-Länder Stärke gegenüber Russland demonstrieren. Unter den 37.000 Soldaten sind den Angaben zufolge mehr als 20.000 US-Kämpfer, die aus den USA mitsamt Material und Fahrzeugen in Europa ankommen und danach Richtung Osten fahren. Hierzulande sind die Flughäfen Frankfurt, München, Nürnberg und Ramstein eingebunden. Etwa 4000 Kilometer Straße werden die verschiedenen Konvois unter ihre Räder und Panzerketten nehmen, eine der Routen führt im Süden von Düsseldorf über Mannheim, Nürnberg, Dresden und Görlitz. Neben US-amerikanischen Liegenschaften ist auch das Nato-Kommandozentrum JSEC in Ulm beteiligt.
„Das Großmanöver Defender Europe 2020 wird von unserer Partei in Gänze abgelehnt“, sagte der Linken-Abgeordnete Neu und betonte: „Wir brauchen endlich wieder eine Sprache der De-Eskalation und der Abrüstung, statt weiteres Säbelrasseln.“ Neu erinnerte an das Nato-Manöver „Able Archer“ von 1983, das „fast zu einem nuklearen Präemptiv-Schlag der Sowjetunion geführt hätte“. Russland habe weder die Absicht noch die Fähigkeiten, die Nato anzugreifen.
Wie viel Militär-Manöver hält die deutsche Infrastruktur aus?
Der deutsche Reservistenverband sieht das anders. „Wenn 20.000 US-amerikanische Soldaten quer durch Deutschland verlegen, dann wird das nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die Bevölkerung spüren“, sagte Präsident Patrick Sensburg unserer Redaktion. „Wir hoffen, dass die Menschen – auch dadurch – für sicherheitspolitische Themen sensibilisiert werden“, erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete und betonte die Notwendigkeit des Manövers: „Übungen auf Nato-Ebene, auch in der Größenordnung, halten wir für wichtig und richtig.“
Der Bundeswehrverband gab keine Stellungnahme ab. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums erklärte, über den bisherigen Sachstand hinaus seien am 14. Januar bei einer Pressekonferenz der US-Streitkräfte weitere Informationen zu erwarten. Ein vergleichbar großes Manöver hatte es in Deutschland 1988 mit rund 44.000 Soldaten gegeben. Die Übung wird von der Regierung auch als Test für die Belastbarkeit der deutschen Infrastruktur angesehen. Im Mai hatte der deutsche Nato-Admiral Manfred Nielson in einem Interview erklärt, Deutschland habe sich um seine Straßen, Brücken und Schienentransporte auch jenseits militärischer Bedürfnisse in den vergangenen Jahren zu wenig gekümmert.
Wenn Panzer und schwere Laster die Brücken und Straßen in Deutschland demolieren, dann kostet das natürlich Geld. Die Grünen-Haushaltsexpertin Deligöz forderte von der Bundesregierung „maximale Transparenz, vor allem den Menschen vor Ort gegenüber“. Diese sollten wissen, was auf sie zukommt. „Am Ende dürfen die Kommunen nicht auf den Kosten für mögliche Infrastrukturreparaturen sitzen bleiben“, sagte Deligöz.
Warum das Militär-Manöver ein gewagtes ist, schreibt Stefan Lange im Kommentar.