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Debatte: Liberalismus in der Krise: Lindner muss liefern - die FDP will wieder regieren

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Liberalismus in der Krise: Lindner muss liefern - die FDP will wieder regieren

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    Christian Lindner.
    Christian Lindner. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Christian Lindner hat die Latte hoch gelegt. Sehr hoch sogar. Wenn es ihm nicht gelingt, die Liberalen in die nächste Bundesregierung zu führen, will er im Herbst sein Amt als Parteivorsitzender zur Verfügung stellen. Nach vier Jahren in der außerparlamentarischen Opposition, den gescheiterten Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition und weiteren vier Jahren in der parlamentarischen Opposition zwischen Grünen, Linken und Rechtspopulisten steht der FDP-Chef unter enormem Druck. Er muss liefern – und das in einer Zeit, in der der politische Mainstream schwarz-grün eingefärbt ist und der politische Liberalismus wie ein Relikt aus einer analogen, längst vergangenen Zeit wirkt.

    Vom Deckeln der Mieten über den Klimaschutz bis zum fortgesetzten Einschränken von Grundrechten im Kampf gegen Corona wird in Deutschland heute kaum noch ein Thema diskutiert, ohne dass jemand aus einer vermeintlich moralischen Pflicht heraus radikale staatliche Eingriffe bis hin zur Enteignung von Immobilienbesitzern fordert. Hauptsache, alles ist geregelt. Koste es, was es wolle.

    Bundestagswahl 2021: In Umfragen kommt die FDP nur auf sieben Prozent

    Der frühere Entwicklungsminister Dirk Niebel hat das mit dem schönen Bild von der Sehnsucht der Deutschen nach dem Vater Staat beschrieben, der den kleinen Michel mit der Zipfelmütze an die Hand nimmt und durchs Leben führt. In das liberale Credo von Eigeninitiative und Eigenverantwortung, von offenen Märkten und der schöpferischen Kraft des Wettbewerbs stimmen in den aktuellen Umfragen nur sieben Prozent der Deutschen und nur noch vier Prozent der Bayern ein – zu wenig für die FDP, um wieder mitzuregieren

    „Freiheit bedeutet Verantwortung“, wusste schon der irische Spötter George Bernhard Shaw. „Das ist der Grund, weshalb die meisten Menschen sich vor ihr fürchten.“ So entschieden der Staat in einer Krise wie der gegenwärtigen handeln muss, um Leib und Leben seiner Bürger zu schützen, so wichtig wäre auch in einer solchen Ausnahmesituation ein liberales Korrektiv, das Übertreibungen benennt und den liberalen Rechtsstaat verteidigt. Mit dieser Rolle allerdings tut sich die FDP schwer, teils weil sie nicht gehört wird, teils weil sie auch selbst von der Wucht der Pandemie überrascht wurde. Eine Art Verstaatlichungsfonds mit abzunicken, mit dem der Bund sich direkt an taumelnden Unternehmen beteiligen kann: eigentlich undenkbar für eine liberale Partei, tatsächlich aber so geschehen im vergangenen Jahr.

    In ihrem Glauben an den alles organisierenden, für alle sorgenden Staat ist die große Mehrheit der Deutschen nur schwer zu erschüttern. Liberalismus ist für viele ein Ideal, das man sich leisten können muss. Hat ein früherer Generalsekretär die FDP nicht selbst als Partei der Besserverdiener bezeichnet? Das ist zwar lange her, weit über 20 Jahre, nach wie vor aber sind unter ihren Wählern Selbstständige, Freiberufler und leitende Angestellte überproportional vertreten.

    FDP in der Krise: Liberalismus ist kein Luxus für urbane Eliten

    Dabei ist der Liberalismus kein Luxusartikel für urbane Eliten, für Geschäftsleute und Globalisierungsgewinner, sondern eine Geisteshaltung, die mit dem Slogan „privat vor Staat“ plakativ, aber unzureichend beschrieben ist. „Jeder hat ein Interesse an einem autonomen Leben“, schreibt der Liberalismusforscher Jan-Werner Müller, der im amerikanischen Princeton lehrt. „Auch die Benachteiligten, und auch diejenigen, die nicht einem Ideal maximaler Selbstentfaltung nacheifern wollen.“

    Im Corona-Lockdown hat die maximale Selbstentfaltung naturgemäß ihre Grenzen - was aber kommt danach? Der SPD-Mann Karl Lauterbach wirbt „analog zu den Einschränkungen der persönlichen Freiheit in der Pandemiebekämpfung“ bereits für ähnlich rigide Maßnahmen zum Schutz des Klimas. Diese neue Lust am Autoritären fordert den politischen Liberalismus mehr heraus als jede Krise zuvor: Wo muss der Staat Grenzen setzen und wo überschreitet er sie? Wo schützt er seine Bürger noch und wo gängelt er sie schon?

    In der deutschen Politik ist die FDP die einzige seriöse Partei, die sich eine kritische Distanz zum Staat bewahrt hat - profitieren aber kann sie davon selbst jetzt nicht, da immer mehr Menschen mit der Politik der immer neuen Einschränkungen hadern. Wie schon in der Migrationskrise wirkt die Partei teilweise wie paralysiert, ihre Oppositionsarbeit hat etwas Pflichtschuldiges, Defensives, wenig Inspirierendes. Um wieder in den Bundestag zu kommen, sollte das reichen. Wenn er allerdings mitregieren will, muss Christian Lindner genauer erklären, warum die FDP wieder gebraucht wird.

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