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Debatte: Auch das noch: Brauchen wir eine neue Hymne?

Debatte

Auch das noch: Brauchen wir eine neue Hymne?

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    Den Text der Nationalhymne verdanken wir Heinrich Hoffman von Fallersleben. Dieses Denkmal steht auf Helgoland, wo sein Gedicht entstand und wo es erstmals zum offiziellen Anlass gesungen wurde.
    Den Text der Nationalhymne verdanken wir Heinrich Hoffman von Fallersleben. Dieses Denkmal steht auf Helgoland, wo sein Gedicht entstand und wo es erstmals zum offiziellen Anlass gesungen wurde. Foto: Christian Charisius, dpa

    Bodo Ramelow ist ein Wiederholungstäter. Nicht zum ersten Mal stellt er das „Lied der Deutschen“ als Nationalhymne infrage. Dieses Gedicht, dessen heute verpönte erste von drei Strophen mit der Zeile „Deutschland, Deutschland über alles“ beginnt, stammt bekanntlich aus den 1840er Jahren. Es entstand in einer Zeit der Sehnsucht nach Freiheit und nationaler Einheit. Knapp 100 Jahre später wurde es von den Nationalsozialisten für deren expansionistische Kriegsziele missbraucht.

    Seit 1952 singen wir mehr oder weniger inbrünstig vor allem bei sportlichen Anlässen die dritte Strophe, die in nur wenigen Worten zum Ausdruck bringt, worauf es der überwältigenden Mehrheit der deutschen Gesellschaft ankommt: „Einigkeit und Recht und Freiheit“ – sie sind die Garantien unseres friedlichen Zusammenlebens. Oder wie es der Dichter Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874) im Stil seiner Zeit lyrisch formuliert hat: unser „Glückes Unterpfand“. Wer anderes dabei denkt, vielleicht sogar frühere deutsche Großmannssucht im Kopf hat, ist stehen geblieben.

    Mit weniger Inbrunst als Italiener oder Franzosen

    Der Linken-Politiker Bodo Ramelow könnte einer von ihnen sein. Der Ministerpräsident von Thüringen, ein West-Import, glaubt, dass die Ostdeutschen ein Problem mit der Nationalhymne haben, weil sie ihnen nach dem Zusammenbruch der DDR aufgenötigt worden ist. Im Osten wurde bis Anfang der 70er „Auferstanden aus Ruinen“ gesungen und später nur noch gespielt – heute auch nicht mehr zeitgemäß. Das „Lied der Deutschen“ war Hymne schon in der Weimarer Republik. Nicht zuletzt deshalb, weil die Deutschen es zu ihrem Lied gemacht hatten und es lange zuvor häufiger als andere Lieder sangen.

    Natürlich singen die Deutschen ihre Hymne nicht so inbrünstig wie die Italiener seit 1947 ihr „Il Canto degli Italiani“, die Franzosen seit 1795 ihre „Marseillaise“ oder die Brasilianer ihre „Hino Nacional“. Aber wir haben uns allmählich mit ihr angefreundet. Sie ist eines der Symbole der freiheitlichen und demokratischen Bundesrepublik Deutschland.

    Wie stellt sich Bodo Ramelow eine neue Hymne überhaupt vor? „Etwas Eingängiges“, meint er. Ein Marsch? Eine Ballade? Pop, Rock, Hip-Hop, um modern zu klingen? Die heimliche Hymne aller Deutschen „An Tagen wie diesen“ von den „Toten Hosen“ vielleicht? Oder Ralph Siegels „Ein bisschen Frieden“, mit dem Nicole Grand-Prix-Siegerin wurde? Oder der Deutsche-Einheit-Hit der Scorpions „Wind of Change“?

    Gruß an Adenauer mit „Heidewitzka, Herr Kapitän“

    Die Findung einer neuen Melodie und eines neuen Textes könnte qualvoll werden. EU-weite Ausschreibung, Autoren-Casting, Jury- und/oder Publikumswertung. Am Ende könnte es Deutschland so ergehen, wie bald nach dem Krieg dem damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, der bei offiziellen Anlässen den weinerlichen Kirchenchoral „Ich hab mich ergeben mit Herz und mit Hand“ singen ließ. Nach einem Briefwechsel mit Bundeskanzler Konrad Adenauer musste er einlenken und machte Fallerslebens dritte Strophe zur neuen Hymne. Adenauer war in der hymnenlosen Zeit in Chicago mal mit dem Karnevalslied „Heidewitzka, Herr Kapitän“ begrüßt worden. Eingängig, aber…

    Wir könnten auf die Melodie unserer Hymne auch „Gott! Erhalte Franz den Kaiser“ singen – machen wir aber nicht. Für dieses ebenfalls vom Wiener Hof bei einem gewissen Lorenz Leopold Haschka bestellte Gedicht hat sie der Österreicher Joseph Haydn 1797 eigentlich komponiert. Hoffmann von Fallersleben hat die Melodie für sein viel später entstandenes „Lied der Deutschen“ nur ausgeliehen.

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