Wer verstehen will, wie ernst es um Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) und ihre Kanzlerinnenambitionen steht, muss auf die Witze achten. Christian Sewing versucht etwa einen, immerhin Vorstandschef der Deutschen Bank. Sewings Bank hat am Mittwochabend zu einem Essen im prachtvollen Innenhof ihrer Berliner Niederlassung geladen, es tagen die Stipendiaten der „Internationalen Journalisten-Programme“. Jedoch hat die Deutsche Bank wahrlich schon bessere Tage gesehen – und deswegen ließ sich Sewing in das Manuskript seiner Begrüßungsrede die Bemerkung schreiben, er begrüße besonders herzlich die Vorsitzende der CDU, deren aktuelle Herausforderungen zeigten ja, dass es durchaus noch andere Jobs gebe, bei denen man jeden Morgen genau wisse, dass noch jede Menge zu tun sei.
An der Stelle wäre Raum für Lacher, Sewing blickt auch erwartungsvoll zu AKK, die in der ersten Reihe sitzt. Aber es bleibt still im Saal.
Kann AKK auch Kanzlerin?
Der Trend setzt sich fort, als AKK später ans Rednerpult schreitet. Auch an den Stellen ihrer Rede, in denen Applaus vorgesehen wäre, regt sich keine Hand – etwa als Kramp-Karrenbauer betont, wie wenig journalistische Freiheit in Russland wert sei, wo kritischen Berichterstattern ein Schauprozess drohe, nicht bloß Twitter-Kritik vom Präsidenten wie in den USA.
Vielleicht liegt es daran, dass AKK wenige Stunden zuvor schon eine außenpolitische Rede gehalten hat, bei einem Treffen der Atlantik-Brücke und des American Council on Germany. Allerdings hatte sie ihre Abendrede ausdrücklich als „Grundsatzrede“ ankündigen lassen – und man stellt sich ja generell gerade bei jedem AKK-Auftritt die Frage: Kann sie Kanzlerin, gerade auch Außenkanzlerin?
Vorgängerin Angela Merkel, das wird heute oft vergessen, war ja zu Beginn ihrer Kanzlerinnenzeit auch keineswegs die ewige Kanzlerin. Wie regte man sich in ihrer Partei über die „Ostdeutsche“ auf, wie lautstark zweifelte man an ihrer Qualifikation, gerade außenpolitisch? Doch Merkel hatte den Vorteil, dass sie damals in vielem die Erste war, auch die erste Frau, Merkel hatte zudem in einer Oppositionsphase der Union mehr Bewährungszeit. Das gilt nun nicht mehr, und schon wetzen die Spahns, Laschets, Merzens – der bei einer der AKK-Reden am Mittwoch auch im Publikum sitzt – parteiintern die Messer. Amtsinhaberin Merkel beweist unterdessen bei Reden in Harvard und anderswo, wie sehr sie in 14 Regierungsjahren die Weltkanzlerin geworden ist.
Kramp-Karrenbauer gibt sich keine Blöße, überzeugt aber auch nicht
Hat AKK an diesem Mittwoch also die außenpolitische Bewährungsprobe bestanden? Die Antwort lautet: na ja. Gewiss, die CDU-Chefin gibt sich keine Blöße. Sie betont, dass bloßer Hass auf Donald Trump nicht ausreiche und man gerade mit dem „anderen Amerika“, etwa in den Bundesstaaten, weiter zusammenarbeiten müsse, beispielsweise zum Klimaschutz. Das sagt die Merkel-Regierung allerdings auch.
AKK betont, in Abgrenzung zu ihrem Parteifreund Michael Kretschmer, die Russland-Sanktionen dürften auf keinen Fall enden, weil Russland seine Nachbarn gezielt destabilisiere. Sie hebt hervor, wie wenig sich China an internationale Regeln halte. Und sie erinnert die Deutschen mal wieder an das Ziel, zwei Prozent des Bundeshaushalts für Verteidigung auszugeben, was auch schon Vorgänger von Donald Trump, wie Barack Obama, gefordert hätten. Da ist Ungeduld bei AKK zu spüren, dass Deutschland bei diesem Ziel noch immer hinterherhinkt – allerdings stellt ihre CDU seit rund 14 Jahren die Kanzlerin, also ist es auch ein selbst gemachtes Problem.
Was nach der Problemanalyse allerdings nicht folgt, ist ein neuer Akzent. Die Ostdeutsche Merkel brachte ihre eigene Sicht auf die Welt ins neue Amt mit, das war nach der Kohl-Ära durchaus erfrischend. Als ehemalige Ministerpräsidentin des Saarlands verbindet Kramp-Karrenbauer etwa viel mit Frankreich. Aber ein anderer Blick auf die Welt lässt sich daraus noch nicht erkennen. Zwar betont AKK, Europa müsse stärker werden, als es bisher war. Aber Vorschläge etwa, wie Berlin auf die europäischen Visionen von Emmanuel Macron reagieren könnte, sind von ihr nicht zu vernehmen. So bleibt bei ihren Reden eher der Eindruck einer Pflichtübung.
Die Schlagzeilen drehen sich danach also auch darum, weshalb Daniel Günther – Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und noch so einer, der sich in die CDU-Kanzlerkandidatendebatte durchaus einmischt – gerade jetzt ein gemeinsames Interview mit dem Thüringer Linken-Chef Bodo Ramelow gegeben hat. Andere fragen, ob nicht Jens Spahn antreten müsse. Und noch später am Abend sitzen in Talkshows „Experten“, die „keine Sekunde“ daran glauben, dass AKK Kanzlerkandidatin würde.
Am Ende des Berliner Abends bei der Deutschen Bank stellt jemand AKK noch die Frage, ob ihr ein Vorschlag von Donald Trump aus dem vorigen Jahr einfalle, den sie unterstütze. AKK sagt, nach gehörigem Nachdenken, dass ihr da nichts einfalle. Doch einen Lacher erntet sie auch damit nicht, dabei geht Trump-Bashing doch derzeit in Deutschland eigentlich immer. Aber was geht gerade für AKK?
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