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Datenschutz: Vorratsdatenspeicherung: Darf der Staat alles über uns wissen?

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Vorratsdatenspeicherung: Darf der Staat alles über uns wissen?

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    Protest gegen Vorratsdatenspeicherung in Berlin: Die Regierung erhofft sich von der Wiedereinführung eine effizientere Bekämpfung von Terror und schweren Verbrechen.
    Protest gegen Vorratsdatenspeicherung in Berlin: Die Regierung erhofft sich von der Wiedereinführung eine effizientere Bekämpfung von Terror und schweren Verbrechen. Foto: Gregor Fischer (dpa)

    Kurt Beck, der langjährige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und kurzzeitige SPD-Chef, wusste es ganz genau. „Man kann nicht zweimal mit demselben Kopf durch dieselbe Wand.“ Sein Ratschlag galt damals der hessischen Parteifreundin Andrea Ypsilanti, die mit Unterstützung der Linken eine rot-grüne Minderheitsregierung bilden wollte – und zweimal grandios scheiterte.

    Zweiter Anlauf zum Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung

    Kurt Beck ist längst im Ruhestand, doch seine griffige Warnung ist von zeitloser Gültigkeit. Nur wird sie gerne in den Wind geschlagen, weil manche glauben, dass ihr Kopf am Ende stärker als die Wand ist oder sie ein Schlupfloch im Mauerwerk gefunden haben. So sind sich CDU/CSU und SPD sicher, im zweiten Anlauf ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung auf den Weg gebracht zu haben, das Bestand haben wird. Weil es aus ihrer Sicht sowohl den strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes entspricht und die Bürgerrechte schützt als auch dem lautstarken Ruf der Polizei nach Einführung dieses Instruments zur Verfolgung von schweren Straftaten nachgibt.

    Das Gesetz von Justizminister Heiko Maas von der SPD, eigentlich ein erklärter Gegner der Speicherung, und Innenminister Thomas de Maizière von der CDU, der auf die Wiedereinführung drängte, sucht die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Es verkürzt die Speicherfrist für Verbindungsdaten auf lediglich zehn Wochen, die der Standortdaten sogar auf nur vier Wochen, es macht die Nutzung von einem richterlichen Vorbehalt abhängig und beschränkt sie lediglich auf Fälle schwerster Kriminalität. Das ist unbestritten ein gewaltiger Fortschritt im Vergleich zum ersten Gesetz – den Karlsruher Richtern sei Dank für ihren beharrlichen Kampf um die Verteidigung der Bürgerrechte.

    Am Grundproblem der Vorratsdatenspeicherung ändert allerdings auch der deutlich entschärfte und begrenzte Neuanlauf nichts. Wieder werden 80 Millionen Bundesbürger ausnahmslos zu potenziellen Verdächtigen gestempelt, deren Verbindungs- und Standortdaten ohne Vorliegen eines konkreten Tatverdachts anlasslos gespeichert werden. Wieder erliegt die Politik dem Irrglauben, dass ein Mehr an gespeicherten Daten automatisch zu einem Mehr an Sicherheit führt. Wieder gibt die

    Datenspeicherung: Die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit finden

    Dabei ist Deutschland auch ohne Vorratsdatenspeicherung eines der sichersten Länder der Welt. Und wieder kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Geheimdienste Zugriff auf die gespeicherten Daten haben und sie für ihre Zwecke nutzen. Paradox, aber wahr: Der gute alte Brief genießt den vollen Schutz des Grundgesetzes, Mail und SMS hingegen nicht.

    Daten, einmal in der Welt, verschwinden nicht mehr, seitdem die Speichermöglichkeiten praktisch unbegrenzt sind. Das aber widerspricht nicht nur dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie selbst der Justizminister, der Hüter der Verfassung, zugibt, sondern auch der Grundrechtscharta der EU. Aus genau diesem Grunde hat eben erst der EuGH das sogenannte „Safe-Harbor-Gesetz“ verworfen. Das Recht der Bürger, über ihre personenbezogenen Daten zu verfügen, hat oberste Priorität. Geben sie diese bei Amazon, Facebook oder Google preis, ist dies ihre freiwillige Entscheidung. Das aber ist kein Freibrief für eine staatlich verordnete anlasslose Massenspeicherung aller Verbindungsdaten.

    So wird auch dieses Mal Karlsruhe das letzte Wort haben. Bleiben die Hüter der Verfassung ihrer Linie treu, ist kaum vorstellbar, dass sie dieses Mal diesem massiven Eingriff in die Grundrechte ihren Segen erteilen. Union und SPD hätten es wissen müssen – man kann nicht zweimal mit demselben Kopf durch dieselbe Wand.

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