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Datenschutz: Die Polizei ermittelt mit Corona-Gästedaten aus Restaurants

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Die Polizei ermittelt mit Corona-Gästedaten aus Restaurants

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    Die schwäbische Polizei hat in einem Fall offenbar Gästedaten für Ermittlungen genutzt.
    Die schwäbische Polizei hat in einem Fall offenbar Gästedaten für Ermittlungen genutzt. Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Was genau sich vergangene Woche in einem Lokal in Hamburg abgespielt hat, versucht die Polizei noch zu klären. Wie sie das jedoch tut, ist bereits klar. Ein Mann soll vor dem Restaurant Passanten mit einem Teppichmesser bedroht haben. Jetzt sucht die Polizei Zeugen und nutzt dazu die Kontaktdaten, die das Restaurant gesammelt hat, um Corona-Infektionsketten nachvollziehen zu können. Das berichtet unter anderem die Hamburger Redaktion der Tageszeitung. Der Fall macht öffentlich, was offenbar auch in anderen Teilen des Landes Praxis ist: Denn auch das Polizeipräsidium Schwaben Nord in Augsburg berichtet auf Anfrage unserer Redaktion von einem Fall, „in dem derartige Daten für ein Ermittlungsverfahren herangezogen“ wurden. Dabei beruft sich Pressesprecher Michael Jakob auf die Strafprozessordnung – so wie es auch Hamburger Polizei und Staatsanwaltschaft tun.

    Doch das Vorgehen ist strittig. Eingeführt wurde die Regelung im Mai. Lokale in Bayern und anderen Bundesländern müssen seither Namen und Kontaktdaten ihrer Gäste erfassen. Damit soll nachvollzogen werden, mit welchen Personen Corona-Infizierte Kontakt hatten. Laut Landesamt für Datenschutz dürfen die Daten „ausschließlich auf Anforderung des Gesundheitsamtes zur Nachverfolgung möglicher Infektionsketten weitergegeben“ werden. Und auch der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri hatte erklärt, dass eine Verwendung der Daten ausschließlich den Gesundheitsämtern vorbehalten sei.

    Bayerischer Datenschutzbeauftragter möchte Vorgehen der Polizei prüfen

    Petri möchte das Vorgehen der schwäbischen Polizei nun prüfen, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion sagt. Für die Daten der Restaurants gebe es eine „strikte Zweckbindung“, nach wie vor sei eine Weitergabe an die Polizei grundsätzlich nicht vorgesehen. Dass in Bayern diese Daten für Ermittlungen einer Straftat genutzt wurden, sei ihm bislang noch nicht bekannt gewesen, sagt er. Nähere Informationen zu dem Fall lägen ihm demnach nicht vor.

    Worum es in dem Fall in der Region ging und weshalb die Polizei zur Ermittlung die Daten der Gäste benötigte, ist unklar. Aus „ermittlungstaktischen Gründen“ könne er „zu diesem noch nicht abgeschlossenen Fall“ derzeit keine konkreteren Aussagen treffen, gibt Polizeisprecher Jakob an. Das Polizeipräsidium Schwaben Nord, das er vertritt, ist für die Stadt Augsburg sowie die Landkreise Aichach-Friedberg, Donau-Ries, Dillingen und Augsburg zuständig.

    Nutzung von Gästedaten in Strafermittlungen vom konkreten Fall abhängig

    Grundsätzlich dürften die Gästedaten nur genutzt werden, um mögliche Infektionsketten nachzuvollziehen, eine Zweckänderung sei dem Bayerischen Datenschutzgesetz zufolge jedoch zulässig. Der Strafprozessordnung zufolge könne man zudem „Ermittlungen jeder Art“ durchführen – worunter auch die Nutzung der Gästedaten fiele. Dabei müsse immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, schreibt Jakob. Ähnlich argumentiert das Innenministerium: Pressesprecher Michael Siefener zufolge seien „originär die Gesundheitsämter zuständig“ für die Verarbeitung der Gästedaten. Ob sie jedoch „anderweitig verwendet werden dürfen, ist im konkreten Einzelfall auf Grundlage der Regelungen der Strafprozessordnung zu prüfen“.

    Allerdings setzt diese den „Ermittlungen jeder Art“ auch Grenzen. Im Text heißt es nämlich, dass die Ermittler jene „Ermittlungen jeder Art“ nur dann vornehmen dürfen, „soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln“. Die Behörden müssen bei ihren Ermittlungen abwägen. Ob die Behörden Gästedaten in Strafermittlungen nutzen dürfen, ist also vom konkreten Fall abhängig.

    Gastronomen von Ermittlungen der Polizei überrascht

    Die Gastronomen zeigen sich von den Ermittlungen der Polizei überrascht. Thomas Geppert, der Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes sagt, er sei „verwundert“ über das Vorgehen. Er sei davon ausgegangen, dass die Daten lediglich genutzt werden, um Infektionsketten nachzuvollziehen. Er hoffe, dass Gäste sich von der möglichen Zweckentfremdung nun nicht abgeschreckt fühlen, sagt Geppert – und stellt zugleich die Frage: „Aber ob das der wahrheitsgemäßen Angabe der Gästedaten dient?“

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