In der Corona-Krise verändert auch das Verbrechen sein Gesicht. Während Einbrüche oder Straßenraub zurückgehen, nimmt die Kriminalität im Internet zu. Die häusliche Gewalt steigt. Und die Furcht wächst, dass die Mafia aus der Pandemie Profit schlagen wird.
Genaue Zahlen zur Häufigkeit einzelner Delikte in den vergangenen Wochen gibt es laut Bundeskriminalamt noch nicht. Doch Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamten, kann aus zahlreichen Gesprächen mit Polizisten klare Tendenzen ableiten. Einige klingen positiv. „Wo kaum noch Menschen auf der Straße sind, werden weniger Handtaschen und Geldbeutel geklaut“, sagt Fiedler. Wenn die Leute kaum mehr Urlaub machten und in ihren Häusern blieben, nehme auch die Gefahr von Einbrüchen ab. Fiedler weiter: „Weil die Kneipen geschlossen sind, gibt es kaum noch Betrunkene, die sich die Köpfe einschlagen.“
Kriminelle rufen in der Corona-Krise bevorzugt bei älteren Menschen an
Andere Bereiche der Kriminalität haben dagegen laut Fiedler auch im Ausnahmezustand Konjunktur – teilweise sogar in spezieller Corona-Ausprägung. So hätten sich die berüchtigten Enkeltrick-Betrüger schnell auf Corona eingestellt. Sie melden sich telefonisch bei meist älteren Bürgern und behaupten, sie seien enge Verwandte, die schwer erkrankt in der Klinik lägen und dringend Geld für eine Behandlung bräuchten. Boten holen die Betrugsbeute bei den arglosen Opfern ab.
Neue Höhen erreichen laut Fiedler derzeit fast alle denkbaren Arten von Betrug im Internet. Weil viele Menschen häufiger online einkaufen, locken auch viele Gauner mit faulen Angeboten. Doch wer Medikamente, Schutzmasken oder Desinfektionsmittel bestellt, die gerade hoch im Kurs stehen, erlebt oft eine böse Überraschung. Entweder wird nach der Überweisung gar nichts geliefert. Oder es trudeln dreiste Fälschungen ein, was bei medizinischen Artikeln gefährlich sein kann. Gefälscht werden aber auch Markenkleider oder Elektronik, so Fiedler.
Corona-Krise: Harte Drogen werden jetzt vor allem im Internet bestellt
Immer mehr Drogenkonsumenten bestellen sich laut dem Kriminalbeamten nun ihren „Stoff“ auf den dunklen Seiten des Internets. Denn manche übliche Lieferkette für Kokain, Heroin oder Haschisch ist durch die Grenzschließungen unterbrochen. Und der Vertrieb könne nicht wie sonst in Diskotheken oder Shisha-Bars stattfinden. „Um Drogenhandel und Produktpiraterie zu bekämpfen, müssen wir die Kontrollen in Paketzentren nach oben schrauben“, fordert Fiedler.
Mit zunehmender Dauer der Kontaktbeschränkungen sei eine Zunahme der sogenannten frustrationsgetriebenen Gewalt zu befürchten. Viele Kollegen berichteten laut Fiedler von mehr häuslicher Gewalt und Beziehungstaten. Es bestehe die Gefahr, dass gerade Kinder zu Opfern würden, wenn die Mitarbeiter der Jugendämter weniger oft die Familien besuchen könnten.
Die Polizeigewerkschaft warnt auch in der Corona-Krise vor Extremisten
Der Polizeigewerkschafter warnt, dass Extremisten jeder Couleur durch den Corona-Ausbruch nicht weniger gefährlich seien. Im Gegenteil, die Behörden müssten derzeit besonders genau hinschauen. Denn Radikale versuchten, die Pandemie im Sinne ihrer jeweiligen Ideologie zu deuten: „Linksextreme träumen jetzt von Anarchie und Plünderungen, Rechte vom Bürgerkrieg und Islamisten vom Himmelreich.“
Auch die Mafia, ist sich Fiedler sicher, wird keinesfalls die Hände in den Schoss legen: „Das Organisierte Verbrechen schwimmt in schmutzigem Geld und kann das jetzt besonders leicht waschen, weil viele Firmen in Not geraten sind. Das vermutet auch die Innenpolitikerin Susanne Mittag (SPD). Schon nach der Finanzkrise 2008 hätten Verbrechersyndikate die Geldknappheit der Menschen ausgenutzt. So werde es vermutlich wieder sein: Betreiber von Eisdielen, Gaststätten oder Kleinunternehmen werden in Not sein, womöglich ihre Geschäfte verkaufen müssen. „Kriminelle könnten sich mit betrügerisch erlangtem Geld einkaufen“, so Sonntag. „Daher heißt es für Immobilienmakler, Notare und Banker sowie Fahnder jetzt und in näherer Zukunft besonders wachsam zu sein.“
Kriminelle profitieren: Beamte sind durch die Überwachung der Corona-Regeln gebunden
Für die Polizeibehörden bringt Corona also zusätzliche Herausforderungen. Viele Kräfte aber sind allein durch die Überwachung der Kontaktbeschränkungen gebunden. Und dabei müssen die Beamten darauf achten, sich selbst nicht mit dem Virus anzustecken. Doch oft fehlt dafür die nötige Schutzausrüstung, kritisiert Hans Wengenmeir, Vize-Generalsekretär des Europäischen Rats der Polizeigewerkschaften (CESP). Er sagt: „Europaweit herrscht ein massives Beschaffungsproblem von Masken und Schutzausrüstung für Polizeibeamte.“ Der CESP habe sich in einem dramatischen Appell an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gewandt: „Wir brauchen geeignete Schutzausrüstung für unsere Aufgabe in diesen schwierigen Zeiten.“
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