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„Das Leben ist kein Schaden“

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„Das Leben ist kein Schaden“

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    Ein dementer Mann liegt die letzten Jahre bewegungsunfähig im Bett, nur eine Magensonde zögert den erwartbaren Tod hinaus. Der Arzt habe ihn sinnlos leiden lassen, meint der Sohn. Und er strengt einen beispiellosen Schmerzensgeld-Prozess an. Vor dem Landgericht in München scheitert er noch, das Oberlandesgericht spricht ihm elf Monate später 40000 Euro zu. Am Dienstag erklärt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in letzter Instanz, es verbiete sich, das Leben als Schaden anzusehen, auch wenn es mit Leiden verbunden ist.

    Seit 2006 wird der Mann mittels einer Magensonde ernährt. In den beiden letzten Lebensjahren verschlimmert sich sein Gesundheitszustand. Er kann sich nicht mehr mitteilen, steht unter der Betreuung eines Anwaltes. Im Herbst 2011 stirbt der Mann im Alter von 82 Jahren. Der Sohn ist überzeugt, dass spätestens seit Anfang 2010 die künstliche Ernährung das Leben seines Vaters verlängert habe: „Er musste weiter leiden.“ Vom behandelnden Hausarzt will der Alleinerbe Schmerzensgeld sowie Ersatz der aus seiner Sicht unnötigen Behandlungs- und Pflegekosten verlangen – zusammen mehr als 150 000 Euro.

    Für den Kläger und seinen Anwalt Wolfgang Putz geht es noch um mehr: Medizinische Standards würden nur gewahrt, wenn bei Verstoß Sanktionen drohten, argumentieren sie. Deswegen müsse es auch eine Haftung für Fehler am Lebensende geben. Ihr Ziel ist ein Grundsatzurteil, das Ärzte in die Pflicht nimmt.

    Die Richter in Karlsruhe lassen ausdrücklich offen, ob der Arzt seine Pflichten verletzt hat. Sie haben viel grundsätzlichere Bedenken. „Das menschliche Leben ist ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig“, heißt es in der Entscheidung. Die Verfassungsordnung verbiete es, den Wert eines Lebens zu beurteilen. Er entziehe sich auch der menschlichen Erkenntnisfähigkeit, sagte die Vorsitzende des VI. Zivilsenats des BGH, Vera von Pentz. Ärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery erklärt, maßgeblich sei der Wille des Patienten. In diesem Fall war das für den Hausarzt nicht mehr zu klären. Eine Patientenverfügung hätte das Leiden vielleicht verkürzt. (bom, dpa)

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