Den Schutz von Menschenleben mit dem Schutz von Jobs gegenzurechnen, ist zynisch. Wer jetzt fordert, das Land endlich wieder hochzufahren, und dafür eben ein paar Corona-Tote mehr in Kauf zu nehmen, sollte einen Moment darüber nachdenken, dass diese Toten auch die eigenen Eltern sein könnten. Das Problem am deutschen Krisenmanagement ist doch nicht, dass Läden und Restaurants geschlossen wurden. Das war richtig, das war nötig, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Das Problem ist, dass sich Unternehmer, Gastronomen und Selbstständige nicht auf die Regierung verlassen können.
Corona-Hilfen: Mit viel Geld sollte die Krise erstickt werden
Zu den Grundsätzen von Angela Merkel gehört es, nie etwas zu versprechen, das sie möglicherweise nicht halten kann. Ihre Minister haben sich für eine andere Strategie entschieden. Vor einem Jahr versprach Wirtschaftsminister Peter Altmaier, man werde alles tun, damit kein gesundes Unternehmen wegen Corona schließen muss und kein Job verloren geht. Und Finanzminister Olaf Scholz wollte die Bazooka aus dem Schrank holen. Schnell und unbürokratisch sollte die Krise mit Geld erstickt werden. Heute türmt sich eine Insolvenzwelle auf, viele Firmen warten noch immer auf zugesagte Hilfen, andere gehen komplett leer aus und bis heute fehlen Perspektiven, wie es weitergehen soll.
Man kann der Regierung kaum vorwerfen, die Tragweite der Pandemie anfangs unterschätzt zu haben. Doch sie hat sich nicht die Mühe gemacht, die Unterstützung für die lahmgelegte Wirtschaft der Wucht dieser Krise anzupassen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, Kriterien nachzuschärfen, Streitereien hintanzustellen.
Ab welchem Inzidenzwert sind Lockerungen möglich?
All jenen, die nun vom Spielfeldrand schlaue Ratschläge hineinrufen, ohne je dafür geradestehen zu müssen, sei gesagt: In dieser Situation politische Verantwortung zu tragen, ist ein Höllenjob. Dass dabei Fehler unterlaufen, ist zu verzeihen. Unverzeihlich ist es aber, solche Fehler nicht zu korrigieren. Ein eklatantes Versäumnis war es, den Winter nicht zu nutzen, um Kriterien zu definieren, bei welchen Infektionszahlen und mit welchen Hygienekonzepten eine schrittweise Rückkehr zum Alltag möglich ist. Wer hier mit dem lapidaren Hinweis kapituliert, dass sich das Virus sowieso an keine Pläne halte, hat seine Aufgabe nicht verstanden.
Immerhin dem Wirtschaftsminister scheint zu dämmern, wofür er da ist. Doch mit dem Härtefallfonds, der Ungerechtigkeiten abfedern soll, verspricht er schon wieder etwas, das er allein nicht halten kann. Denn einzahlen sollen wohl die Länder. Und für seine Zusage, dass künftig auch Firmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz Anspruch auf Hilfe haben, braucht er den Finanzminister.
Es ist eine Farce, dass Peter Altmaier erst jetzt an eine Öffnungsperspektive denkt
Ganz abgesehen davon ist es eine Farce, wenn ein Wirtschaftsgipfel Mitte Februar (!) mit der bahnbrechenden Erkenntnis endet, dass es ganz gut wäre, sich mal zu überlegen, wie man im Frühjahr weitermachen könnte. Ja, was denn sonst? Kein Betrieb, keine Branche darf nur einen Tag länger in den Stillstand gezwungen werden, als es nötig ist, um die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen. Klingt selbstverständlich, ist es aber offenbar nicht.
Wir alle haben im vergangenen Jahr einen Preis bezahlt. Kinder ohne Freunde. Eltern am Rande des Wahnsinns. Lehrer im Kampf mit der Technik. Ärzte und Pflegepersonal kurz vor dem Zusammenbruch. Einsame Senioren. Aber eben auch: Arbeitnehmer in Angst um den Job, Unternehmer und Selbstständige in Existenznot.
All das erscheint klein im Vergleich zu den Menschenleben, die der Lockdown gerettet hat. Doch es sind die Alltagssorgen von zig Millionen Menschen, die der Staat damit nicht alleine lassen darf.
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