Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

DFB-Krise: Theo, wo fahr’n wir hin?

DFB-Krise

Theo, wo fahr’n wir hin?

    • |

    Augsburg Wer die Zentrale des mit sechs Millionen Mitgliedern größten Einzelverbandes der Welt besucht, muss die Augen offen halten. Er wird weder auf einen mächtigen Komplex noch auf einen Prunkbau stoßen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) bewohnt einen schmucklosen Funktionsbau, versteckt im Frankfurter Stadtwald.

    Die Parkbuchten vor dem Eingang sind mit Schildern markiert – den Autokennzeichen des Präsidenten und seiner Stellvertreter. Hier soll alles seine Ordnung haben. Dafür steht Theo Zwanziger, der Präsident. Als jüngst an einem Montagmorgen fünf Ermittler in der DFB-Zentrale anrückten und dort Unterlagen beschlagnahmten, war es allerdings wieder einmal vorbei mit der Ordnung.

    Nicht das erste Mal in den vergangenen Monaten. Und wieder zielte die Polizeiaktion auf einen besonders empfindlichen Teil des Fußballs: das Schiedsrichterwesen. Unparteiische werden der Steuerhinterziehung verdächtigt. „Wir haben es hier mit Unzulänglichkeiten einzelner Personen zu tun“, spielt Zwanziger die Ermittlungen gegen etwa 70 ehemalige und aktive Schiedsrichter herunter.

    Es wird nicht gegen den DFB ermittelt – und trotzdem trifft es ihn. Wieder ein Sprengsatz, der mitten in der Zentrale eingeschlagen hat, ganz nahe bei Theo Zwanziger. Weil der Präsident die Dinge nicht sauber entschärfen kann, bleibt auch etwas hängen. So ist der mächtige Funktionär, dessen Verband 100 Millionen Euro auf der hohen Kante hat, der Angela Merkel gerne den Weg in die Spielerkabine öffnet, zuletzt ins Gerede gekommen.

    Erste Begegnungen mit dem Mann aus Rheinland-Pfalz sind nicht unangenehm. Ein kräftiger Händedruck, ein offenes Gesicht, ein breites Lachen. Dass der 66-Jährige wegen seiner weißen Haare auch als 70-Jähriger durchgehen würde, betont das Funktionärhafte an ihm. Vom Vorsitzenden des Fußball-Verbandes Rheinland über das Amt des DFB-Schatzmeisters ist er ins höchste deutsche Fußballamt geklettert. Daneben gibt es auch den Politiker und Juristen Zwanziger. Er war CDU-Landtagsabgeordneter und Regierungspräsident, später Verwaltungsrichter.

    Der VfL Altendiez sorgt für den Stallgeruch

    Vielleicht ist es diese geschliffene Karriere, die es einem schwer macht, sich vorzustellen, Zwanziger könne unfallfrei einen Zehn-Meter-Pass spielen. Dabei hat er früher in seinem Heimatort Altendiez gekickt. Um sich den Stallgeruch zu bewahren, hält er die Verbindung zum VfL warm. Zum 125. Jubiläum beorderte er fünf Nationalspieler und Bundestrainer Joachim Löw in seine Heimat. Es sollen nicht alle so gern wie er selbst angereist sein.

    Den anderen DFB-Präsidenten erlebte Deutschland, als er im voll besetzten Stadion von Hannover und vor Millionen Fernsehzuschauern bewegend zum Tod von Robert Enke sprach. Der mit ein paar frei gesprochenen Sätzen ausgedrückt hat, was vielen mit einem ausgefeilten Manuskript versagt bleibt. So einen, dachten in diesem Moment wohl viele, könnte man sich auch als Kanzler vorstellen.

    Später dachte man das nicht mehr. Dass er einseitig einen Handschlagvertrag mit Joachim Löw verkündete, um einem Auftritt in Altendiez Würze zu verleihen, war ein Eigentor. Als es nämlich zur Unterschrift kommen sollte, wurden sich die Parteien nicht mehr einig. Am Ende amateurhafter Verhandlungen mit vielen Vertrauensbrüchen blieb Löw doch im Amt. Der Versuch, Manager Oliver Bierhoff loszuwerden, war gescheitert. Löw hatte seine Zukunft beim DFB mit der seiner „Mannschaft“ verquickt und sich, die überragende WM in Südafrika im Rücken, durchgesetzt.

    Heftiger noch erschütterte die Affäre Amerell den DFB und seinen Präsidenten. Dem Schiedsrichter-Obmann waren sexuelle Übergriffe vorgeworfen worden. Was Amerell als einvernehmlich beschrieb, stellte der betroffene Michael Kempter anders dar.

    Neue Enthüllungen sind nicht auszuschließen

    Zwanziger, der öffentlich für homosexuelle Sportler eintritt, erklärte den Fall zur Chefsache. Umso irritierender schlug er sich früh auf die Seite Kempters. Inzwischen ist ein Dauerrechtsstreit aus der Affäre geworden. Am 7. Dezember ist nächster Verhandlungstermin, und Amerell, der die jüngste Steuergeschichte losgetreten hat, könnte noch mit weiterem Insiderwissen die DFB-Zentrale erschüttern.

    Zwanziger hat seinen Verbleib im Amt mit dem Fall Amerell verknüpft. Wenn der DFB verliert, tritt er zurück. Zwanziger mag in persönlichen Dingen keine Unentschieden. Auch in der gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Journalisten Jens Weinreich, der Zwanziger als „unglaublichen Demagogen“ bezeichnete hatte, drohte er mit Rücktritt.

    Würde er tatsächlich gehen? Seine Amtszeit läuft noch bis 2013. Ursprünglich wollte er 2010 Schluss machen. Dann erhielt Deutschland die Frauen-WM 2011. Für Zwanziger, den größten, wenn auch etwas onkelhaften Freund des Frauenfußballs, der Anstoß, drei weitere Jahre zu bleiben. Und jetzt? „Wir hatten in den vergangenen Jahren schon schwierigere Situationen zu meistern“, sagt er. Das klingt nicht nach überstürztem Rückzug. Wenn Zwanziger bis 2013 bleiben möchte, wird ihn keiner daran hindern können. Die Nationalelf spielt erfolgreich und die 21 Verbandsfürsten grummeln im Wesentlichen nur hinter vorgehaltener Hand.

    Wie es einem ergeht, der Zwanziger in die Quere kommt, hat Rainer Koch, Präsident des mächtigen Bayerischen Fußball-Verbandes und DFB-„Vize“, erfahren. Der 52-Jährige galt lange als Zwanzigers Gefolgsmann, was ihm den Branchennamen „Einundzwanziger“ eintrug. Manchen war der beredte Richter am Oberlandesgericht deshalb Zwanzigers logischer Nachfolger. Koch hat den Übergang vorbereitet, er arbeitet nur noch halbtags. Was ihm jetzt noch fehlt, heißt es, sei ein ordentlicher Friseur und neuer Herrenausstatter. Wahrscheinlich aber braucht er nun doch mehr. Auf der Suche nach einem Schlichter zwischen DFB und Amerell hat Koch den Präsidenten angeblich rechts überholt, worauf der Präsident seinem „Vize“ das hochgeschätzte Ressort „Rechts- und Satzungsfragen“ entzog.

    Wolfgang Niersbach beobachtet die Scharmützel aus der Deckung. Die Verlängerung des Sponsorenvertrags mit der Brauerei Bitburger hat Zwanziger auf Eis gelegt, obwohl Niersbach dafür war. Der Generalsekretär des DFB wäre als Präsidentschaftskandidat der Gegenentwurf zu Koch. Der bald 60-jährige ehemalige Journalist ist smart und pfiffig, wäre aber der erste DFB-Angestellte auf dem Amtssessel und als solcher bei den Profiklubs nicht mehrheitsfähig. Bleibt also Zwanziger. So wie Löws Auswahl heuer gespielt hat, dürfte er seinen Verbleib im Amt sogar mit dem Gewinn des EM-Titels verknüpfen, ohne um den Posten fürchten zu müssen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden