Übelste Beleidigungen, Gewaltdrohungen, sexuell anzügliche Kommentare – praktisch täglich, so erzählt das Fotomodell Cheyenne Ochsenknecht, werde sie mit Online-Gewalt konfrontiert. Oft fühle sie sich sprachlos, gehe kaum mehr raus, weil sie sich verfolgt fühle. Schon seit ihrer Schulzeit werde sie gemobbt, beleidigt, geschlagen und bespuckt. Aber online, über die sozialen Medien, sagt die heute 20-Jährige, sei es noch viel schlimmer geworden. Wie der Tochter des Schauspielers Uwe Ochsenknecht, die am Donnerstag auf einer Podiumsdiskussion von ihren Erfahrungen berichtet, geht es unzähligen Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Sie werden Opfer von Mobbing, Ziel von sexuellen Avancen, aber auch übler Abzocke.
Um junge Menschen besser vor den Gefahren im Netz und digitaler Gewalt zu schützen, will die Bundesregierung das Jugendschutzgesetz verbessern und an die neuen digitalen Gegebenheiten anpassen. Denn zum letzten Mal überarbeitet wurde das Regelwerk laut Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) in der Zeit von „Videokassette und CD-Rom“ – nämlich im Jahr 2002. Heute sei es selbstverständlich, dass Kinder und Jugendliche täglich mehrere Stunden im Internet verbringen. Um in sozialen Netzwerken mit Freunden zu kommunizieren, Spiele zu spielen, Videos zu schauen und sich zu informieren.
Cyber-Mobbing: Gesetzentwurf soll Belästigungen vorbeugen
Der Gesetzentwurf aus Giffeys Haus, den die Bundesregierung nun beschlossen hat, soll dafür sorgen, dass junge Menschen nicht im Internet von Fremden belästigt, bedroht oder beschimpft werden. Aber auch vor Kostenfallen, die etwa bei beliebten Onlinespielen lauern, soll das Gesetz schützen. Giffey: „Es geht um Beleidigung, Beschimpfung, sexuelle Anmache, um Mobbing.“ In den sozialen Netzwerken werde sichergestellt, dass Kinder und Jugendliche nicht länger automatisch von Fremden gefunden und angesprochen werden können. Kostenfallen sollen zudem nicht bereits als Voreinstellungen in den Systemen vorhanden sein dürfen.
Online-Inhalte sollen einheitliche Alterskennzeichen bekommen
Vorgesehen sind zudem einfache Melde- und Beschwerdemöglichkeiten für junge Internet-Nutzer, die sich bedroht oder bedrängt fühlen. Für Online-Inhalte sind einheitliche Alterskennzeichen geplant. Die Alterskennzeichnung soll sich nicht mehr nur danach richten, ob ein Spiel etwa besonders viel Gewalt enthält, sondern auch berücksichtigen, ob Kostenfallen oder „Interaktionsrisiken“ bestehen. Das sind Möglichkeiten, mit den Kindern etwa über die Chat-Funktion von Spielen in Kontakt zu treten. Nicht selten versuchen etwa Pädophile, die sich als Gleichaltrige ausgeben, so Kontakte aufzubauen. An das Gesetz sollen auch internationale Plattformen gebunden sein. Sie müssten demnach in Deutschland Ansprechpartner nennen, bei Verstößen drohten Bußgelder von „bis zu 50 Millionen Euro“, so Giffey.
Zur Kontrolle des Gesetzes soll eine „Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz“ geschaffen werden, als Weiterentwicklung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Dieser Punkt birgt Konfliktstoff. Denn Medien sind bislang weitgehend Sache der Länder. Die Landesmedienanstalten fürchten, dass der Bund in ihre Kompetenzen eingreifen könnte. Branchenverbände aus dem Bereich digitale Medien und Computerspiele kritisieren den Entwurf als „verfehlt“. Sowohl für Eltern, als auch für Anbieter drohe eine noch größere Verwirrung.
Kinderschützern geht das Vorhaben nicht weit genug
Kinderschützern geht das Vorhaben dagegen nicht weit genug. Ekin Deligöz, Grünen-Bundestagsabgeordnete und Vizepräsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes, sagte unserer Redaktion: „Leider bleibt der Gesetzentwurf vage. Es ist lediglich von der Bereitstellung kind- und jugendgerechter Melde- und Abhilfeverfahren die Rede.“ Damit werde Verantwortung zum Kinderschutz „einfach an die Kinder delegiert“. Die Bundesregierung mache es sich leicht und schone die Plattformbetreiber. Deligöz: „Wer sich mit seinem Angebot direkt an Kinder und Jugendliche richtet, muss aus meiner Sicht mehr tun, als lediglich einen Alarmknopf zu installieren.“ Das Gesetz wird nun im Bundestag diskutiert. Mit der schwarz-roten Regierungsmehrheit könnte es bereits im Frühjahr in Kraft treten.
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