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Cyber-Attacke auf Bundestag: So gehen Abgeordnete aus der Region mit den Sicherheitslücken um

Cyber-Attacke auf Bundestag

So gehen Abgeordnete aus der Region mit den Sicherheitslücken um

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    Hacker haben das interne Netz des Bundestages geknackt.
    Hacker haben das interne Netz des Bundestages geknackt. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Es ist ein alter Hut: Die Bedeutung alltäglicher Techniken erschließt sich dem Menschen erst dann vollständig, wenn ihre Funktionsfähigkeit ins Wanken gerät oder ganz wegzufallen droht. So geht es derzeit vielen Abgeordneten und deren Mitarbeitern angesichts der spektakulären Hacker-Attacke auf den Bundestag. „Man ist ein Stück hilflos, wir können nichts machen ohne Netz“, gibt denn auch die SPD-Parlamentarierin Gabriele Fograscher aus dem Donau-Ries im Gespräch mit unserer Zeitung zu.

    Ein Gefühl, dass sie mit dem Gros ihrer Kollegen in Berlin teilen dürfte. Kein Wunder, denn der Gewöhnungseffekt an den Kollegen Computer setzte bereits vor fast 30 Jahren ein. 1986 begann – gegen zum Teil erhebliche Widerstände – der Einführungsprozess. Anfang der 90er Jahre waren nicht nur Ministerien und Verwaltung, sondern auch die Abgeordnetenbüros flächendeckend vernetzt. Kein Wunder, dass der Bundestag und seine Verwaltung heute ohne

    Abgeordnete haben Angst, dass die Arbeitsfähigkeit verlorengeht

    Das hat Folgen: Dem CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein treibt der Gedanke, dass der Bundestag in den traditionell trubeligen letzten Sitzungswochen vor der Sommerpause ohne funktionsfähiges Internet dastehen könnte, den Schweiß auf die Stirn. „Viele wichtige Gesetzesvorhaben stehen an, Vorlagen und Sitzungen müssen vorbereitet werden. Sollte das Netzwerk gerade jetzt zusammenbrechen oder komplett heruntergefahren werden, wären die Auswirkungen dramatisch.“ Der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Neu-Ulm würde sogar in Kauf nehmen, dass die Sicherheit der Daten noch bis zur Sommerpause spürbar eingeschränkt ist. Schon jetzt müssen die Büros damit leben, dass das Netz zwischenzeitlich heruntergefahren wird und neue Passwörter eingerichtet werden müssen.

    Zu der Angst, dass die Arbeitsfähigkeit verloren geht, kommt das mulmige Gefühl, dass eine unsichtbare Macht in der Lage sein könnte, auf den eigenen PC zuzugreifen. Nüßlein: „Besonders quält mich die Vorstellung, dass irgendwelche Geheimdienste – auch gegen ihren erklärten Auftrag – auf brisante Daten zugreifen könnten.“ Ein Problem sei natürlich auch, dass Dritte, also auch Bürger, die per Internet mit Abgeordneten kommunizieren, nicht sicher sein können, dass ihre Mails sicher sind.

    Bei heiklen Sachen empfiehlt es sich, Papier zu nutzen

    Was also tun angesichts der grassierenden Unsicherheit? „Bei heiklen Sachen empfehle ich: mehr Papier und mehr Tresor“, sagt Nüßlein. Sein Parteifreund aus Augsburg, Volker Ullrich (CSU), verfolgt eine ganz ähnliche Taktik. Sein Credo: „Brisante Dokumente nur auf Papier, brisante Gespräche möglichst nicht per Telefon oder per Mail, sondern persönlich führen.“ Als Beispiel nennt Ullrich den Untersuchungsausschuss zu den Kinderpornografie-Vorwürfen gegen den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy. „Unterlagen aus dem Ausschuss haben auch im internen Netz des Bundestages nichts verloren. So etwas bewahre ich nur in Papierform auf.“

    Nicht völlig unvorbereitet treffen die Meldungen über die Angriffe von außen die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) aus Augsburg: „Die Verunsicherungen, die uns durch die Veröffentlichungen von Edward Snowden vor zwei Jahren alle noch sehr abstrakt erfasst haben, bekommen nun eine ziemliche Konkretion.“ Das Problem sei, dass individueller Schutz schwerfalle, wenn man „nichts Genaues über die tatsächlichen Gefahren“ wisse.

    Dennoch hat sich der tägliche Umgang bei der Arbeit am Computer auch im Büro von Claudia Roth verändert: „Wir haben uns zumindest darauf verständigt, bis auf Weiteres keine Speichersticks mehr zu benutzen und bei der Verwendung von Passwörtern vorsichtig zu sein.“ Als grundlegende Konsequenz fordert Roth, dass der Vorfall nun „aber auf alle Fälle dazu führen muss, dass die Debatte über Datensicherheit und Bürgerrechte in der digitalen Welt endlich die Ernsthaftigkeit bekommt, die sie verdient“.

    Verzichtet auf Speichersticks im Büro: Claudia Roth (Grüne).
    Verzichtet auf Speichersticks im Büro: Claudia Roth (Grüne). Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Abgeordnete fühlen sich nicht genug von der Bundesverwaltung informiert

    Heftig diskutiert wird derzeit unter den Abgeordneten über die Kommunikationspolitik der Bundesverwaltung. Gabriele Fograscher fühlt sich, obwohl sie im für solche Fälle zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium sitzt, alles andere als gut informiert. „Es hieß zunächst nur: ,Da ist etwas, schließen Sie alle offenen Daten‘ – das ist mir zu wenig.“

    Fograscher bezweifelt zudem, ob die Experten der Bundesanstalt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) rechtzeitig hinzugezogen worden sind. Dazu muss man wissen, dass der Bundestag bereits am 21. Mai über die Cyber-Attacke informiert worden war.

    Setzt auf „mehr Papier und mehr Tresor“: Georg Nüßlein (CSU).
    Setzt auf „mehr Papier und mehr Tresor“: Georg Nüßlein (CSU). Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Nüßlein hingegen warnt vor einer voreiligen Kritik an der Bundestagsverwaltung: „Die Sache ist hoch kompliziert. Infos, die man nicht hat, sind schließlich außerordentlich schwer, weiterzugeben“, sagt er mit einem Schuss Ironie.

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