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Cum-Ex-Skandal: 31,8 Milliarden Euro: War der Megabetrug gar keine Straftat?

Cum-Ex-Skandal

31,8 Milliarden Euro: War der Megabetrug gar keine Straftat?

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    Über dubiose Dividenden-Steuertricks haben Investoren und Banken Milliarden kassiert - zulasten des Staates.
    Über dubiose Dividenden-Steuertricks haben Investoren und Banken Milliarden kassiert - zulasten des Staates. Foto: Arne Dedert, dpa (Symbolbild)

    Sie haben ein ebenso raffiniertes wie dreistes Betrugssystem entwickelt. Sie haben alleine den deutschen Staat um 31,8 Milliarden Euro geprellt. Mit diesem Geld hätte man mindestens vier Mal den Berliner Großflughafen bauen können. Hätte.

    Denn in Wahrheit sickerte das Geld durch ein Geflecht aus Wertpapiergeschäften in die Taschen gieriger Spekulanten. Und jetzt kommt die zynische Pointe dieser Gangsterstory: Die Justiz muss erst einmal klären, ob der größte Steuerraub in der Geschichte Europas überhaupt illegal war. Seit Mittwoch stehen zwei Männer in Bonn vor Gericht. Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Die früheren Aktienhändler sind die ersten, die im sogenannten „Cum-Ex-Skandal“ zur Rechenschaft gezogen werden.

    Die mafiösen Geschäfte, die den beiden Briten vorgeworfen werden, sind extrem kompliziert – und das war genau der Sinn der Sache. Im Zentrum stehen Gewinne, die börsennotierte Unternehmen einmal pro Jahr an ihre Aktionäre ausschütten. Diese Erträge heißen Dividenden – und müssen versteuert werden. Über die bezahlte Kapitalertragssteuer bekommen Anleger eine Art Quittung von der Bank. Wer viel an der Börse investiert, macht aber naturgemäß nicht nur Gewinne, sondern auch Verluste. Diese kann man unter dem Strich mit den Gewinnen verrechnen – und bekommt dann für zu viel bezahlte Steuern eine Erstattung vom Staat. So weit, so einfach, so legal.

    Sie lassen sich Steuern zurückerstatten, die sie in Wahrheit nie bezahlt haben

    Kriminell wird es erst, als Finanzjongleure eine Gesetzeslücke nutzen und Aktien wie auf einem Karussell so schnell hin und her verkaufen, dass am Ende keiner mehr nachvollziehen kann, wem die Papiere an jenem Tag gehörten, als die Dividenden ausgeschüttet wurden. Das Ergebnis: Fälschlicherweise bekommt nicht nur der tatsächliche Aktienbesitzer eine Bescheinigung über die ordnungsgemäß entrichtete Kapitalertragssteuer, sondern auch viele andere Investoren. Sie lassen sich also Steuern zurückerstatten, die sie in Wahrheit nie bezahlt haben. Die Lizenz zum Gelddrucken.

    In ganz Europa wurden die Finanzbehörden so bis Ende 2011 um mehr als 55 Milliarden Euro betrogen. Die beiden Männer, die unter anderem für die Hypovereinsbank gearbeitet haben und denen nun der Prozess gemacht wird, haben mit 447 Millionen Euro nur einen Bruchteil dieses Schadens angerichtet. Dass ihr Fall so großes Aufsehen erregt, liegt daran, dass sie als Kronzeugen Licht in das düstere Gebahren bringen und andere mögliche Täter belasten wollen. Damit könnten sie die schwierige juristische Aufarbeitung des Megabetrugs ins Rollen bringen. Der Ausgang des Verfahrens gilt als wegweisend für hunderte andere Beschuldigte.

    Der Cum-Ex-Prozess soll bis Januar laufen

    Das Gericht will bis Januar die Frage beantworten, ob die Geschäfte auf Kosten des Steuerzahlers „nur“ dreist, oder tatsächlich Straftaten waren. Dabei geht es auch um die Rolle der Banken. Die Branche zittert. Denn der Staat will sich die ergaunerten Milliarden von beteiligten Instituten zurückholen.

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