Der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Kinderschutzbund warnen vor einer Zunahme unentdeckter Gewalt gegen Kinder in der Coronavirus-Krise angesichts von Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. „Es besteht die Befürchtung, dass es durch die Ausgangsbeschränkungen und die Kontaktsperre in den nächsten Wochen verstärkt zu Gewalt in Familien kommen kann“, sagte Geschäftsführer Gerd Landsberg unserer Redaktion. „Problematisch ist, dass persönliche Kontakte zwischen Jugendämtern und Familien derzeit die Ausnahme sind“, fügte er hinzu.
Viele Frühwarnsysteme gegen Gewalt an Kindern funktionieren wegen Corona nicht
Auch andere Frühwarnsysteme seien derzeit sehr eingeschränkt: „Die Kinder besuchen auch nicht mehr die Kitas, die Schule oder die Sportvereine, Orte, an denen ein möglicher Missbrauch entdeckt werden könnte“, sagte Landsberg. Jugendämter versuchten nun über Telefon, Mail oder Videoanrufe Kontakt zu den Familien mit Hilfebedarf zu halten. In Härtefällen würden die Kinder oftmals weiter in Kitas und Schulen betreut. „Notwendig wäre es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jugendämtern zu den systemrelevanten Berufen zu zählen und sie mit Schutzkleidung auszustatten“, forderte der Städtebunds-Geschäftsführer. Dann könnten auch Hausbesuche stattfinden.“
Man versuche, die Kinder zu schützen und die Familien entlasten, die schon ohne Corona den Alltag kaum schafften. „Die Jugendämter kümmern sich vor allem um diejenigen Kinder, für die ein sogenannter Schutzplan vorliegt, in solchen Härtefällen würden die Kinder oftmals weiter in Kitas und Schulen betreut“, sagte Landsberg. Er betonte, dass trotz einzelner Berichte keine verlässlichen Zahlen über den Anstieg von Gewalt in Familien vorlägen.
Nummer-gegen-Kummer bekommt 20 Prozent mehr Anrufe
Auch der der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, berichtet von widersprüchlichen Signalen. „Die bundesweite Beratungshotline Nummer-gegen-Kummer verzeichnet aktuell etwa 20 Prozent mehr Anrufe von Eltern und Kindern, die sich mit ihren Sorgen dorthin wenden“, sagte er unserer Redaktion. Zugleich berichteten Jugendämter dem Kinderschutzbund von abnehmenden Fremdmeldungen von Kindeswohlgefährdungen. „Die abnehmenden Meldungen haben wohl eher ihre Ursache darin, dass übliche Frühwarnsysteme wie Kita, Schule und Kinderärzte aktuell entweder eingestellt sind oder nur noch im Notbetrieb arbeiten“, sagte Hilgers.
Kinderschutzbund fordert finanzielle Sofort-Nothilfe für arme Familien
Das größte Problem sei, dass in vielen ärmeren Familien zu beengten Wohnverhältnissen nun auch noch die Angst vor dem Verlust der Arbeit komme. „Viele Eltern haben eigentlich Anspruch auf kostenlose Mittagsversorgung ihrer Kinder in der Schule und Kita, auch das fällt jetzt weg“, fügte er hinzu. Zudem seien günstige Lebensmittel im Moment wegen der steigenden Nachfrage schnell ausverkauft sind. „Wir fordern deshalb von der Politik, den betroffenen Eltern wenigstens diese Sorge zu nehmen und mit einer unbürokratischen Zahlung von 90 Euro pro Kind und Monat, einen Ausgleich zu zahlen“, sagte der Kinderschutz-Präsident „Wer Armut und Existenzsorgen lindert, der trägt ganz konkret auch zu Gewaltprävention bei“, betonte er. (AZ)
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