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Covid-19: Corona in Südkorea: Mit Disziplin durch die Pandemie

Covid-19

Corona in Südkorea: Mit Disziplin durch die Pandemie

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    Desinfektion und Disziplin – das sind in Südkorea zwei Schlüsselworte im Kampf gegen das Coronavirus.
    Desinfektion und Disziplin – das sind in Südkorea zwei Schlüsselworte im Kampf gegen das Coronavirus. Foto: Han Jong-chan, dpa

    Als Hyomin Han davon hörte, dass in anderen Ländern Klopapier und Seife aus sind, wollte sie ihren Ohren nicht trauen. Dann stieß sie online auf mehrere Artikel, die aus allen Erdteilen über dieses Problem klagten. Sie berichteten aus Japan, Europa und USA, jenen Ländern also, die man in Südkorea die wichtigsten Partner nennt. Plötzlich kamen ihr diese Länder fremd vor. "Ich kann es nicht glauben, dass man so etwas tut. Was soll das?" Die 29-Jährige aus Seoul sprach mit ihren Freunden im In- und Ausland darüber, ob so etwas normal sei. In ihrem Land sei es das jedenfalls nicht. Dabei geht es Südkorea auf den ersten Blick nicht viel besser als anderen: Über 9200 Infektionsfälle mit dem Coronavirus sind es bereits.

    Es gibt Grund zur Sorge, dass es zuerst noch mehr werden, ehe der Wert irgendwann wieder abnimmt, wie überall sonst auch. Zugleich aber wird in Südkorea kaum von Hamsterkäufen berichtet. Der reduzierte Alltag läuft weitgehend geordnet ab, die Menschen befolgen die Anweisungen. Hyomin Han hat den Eindruck, dass ihre Landsleute verstanden haben, worum es geht. Sie wundert sich deshalb, dass das anderswo auf der Welt nicht der Fall ist. Tatsächlich mausert sich das ostasiatische Land gerade zu einem internationalen Vorbild.

    Zu Beginn der Corona-Pandemie explodierten die Zahlen in Südkorea

    Noch Ende Februar hatte die Welt mit Schaudern nach Südkorea gesehen, nachdem die Infektionszahlen dort in nur zwei Wochen von 28 auf über 6000 explodiert waren. Eine Kirchengemeinde südöstlich der Hauptstadt Seoul hatte unbeirrt ihre Gottesdienste durchgeführt, schon bald war ein Großteil der Infektionen im Land auf diese Kirche zurückzuführen. Südkorea erschien als Paradebeispiel einer Gesellschaft, die von dem sich rasant verbreitenden Virus überfordert ist.

    Mittlerweile aber steht das Land für das Gegenteil. Einerseits hat es die Politik erreicht, eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus weitgehend zu verhindern. Der Ansatz der Regierung besteht unter anderem aus der Desinfektion öffentlicher Orte, breit durchgeführten Tests an der Bevölkerung durch Drive-in-Einrichtungen sowie regelmäßigen, detaillierten Informationen zu den Aufenthaltsorten der zuletzt bekannt gewordenen Infizierten – auch mithilfe von Handydaten-Auswertung. In einer internationalen Telefonkonferenz hat Südkoreas Außenministerin Kang Kyeong-hwa dieses Vorgehen auch den Regierungen anderer Länder, auch Deutschland, vorgestellt und empfohlen.

    Dabei wäre dieses System, das Südkorea maßgeblich in Reaktion auf die vorigen Epidemien Sars und Mers entwickelt hat, nur wenig wert ohne eine Bevölkerung, die aktiv kooperiert. Es scheint zu funktionieren. Am Montag berichtete etwa die Tageszeitung Hankyoreh, dass besonders gefährdete Gruppen häufig Atemschutzmasken und andere Hygieneartikel von Mitmenschen geschenkt bekommen. Vor allem Taxifahrer, Sicherheitskräfte und ältere Menschen zählten zu den Glücklichen. Laut Medien werden Masken derzeit auch als eine Art Friedenspfeife eingesetzt: Man schenkt sie demjenigen, mit dem man einen Konflikt beilegen will.

    Südkoreaner zeigen sich in der Corona-Krise solidarisch und diszipliniert

    Kindergärten und Schulen, die in Südkorea derzeit geöffnet bleiben, freuen sich zudem über Sammel- und Spendenaktionen rund um Masken oder Desinfektionssprays. Besondere Schlagzeilen machte eine ältere Frau im südöstlich gelegenen Ulsan, die sich bei der Polizei als einfache Straßenverkäuferin vorstellte und dort eine Plastiktüte mit 40 Gesichtsmasken und einer Million Won (rund 750 Euro) in bar abgab. Die Polizei möge diese Gaben für Notdürftige verwenden.

    Es sind Anekdoten, die sich in Südkorea zu einem sozialen Notfallnetz zusammenfügen, das trägt. Insbesondere in Krisenzeiten fällt in dem Land immer wieder eine enorme Hilfsbereitschaft auf. So etwa 2014, als im Südwesten das Passagierschiff Sewol mit rund 300 Schulkindern an Bord untergegangen war, von denen man lange Zeit nicht wusste, ob diese noch lebten. Kurz nachdem die Eltern der Kinder ans nächste Ufer gereist waren, um dort auf Rettungen oder Bergungen zu warten, hatte sich für deren Aufenthalt schon ein Versorgungsdorf etabliert. Freiwillige kochten den bangenden und trauernden Eltern Suppe, boten ihnen Zelte, Massagen und Kuchen.

    In Südkorea gelten solche Aktionen kollektiver Solidarität nicht als Heldentat – vielmehr als Gebot in schwierigen Zeiten. "In Ausnahmesituationen muss man sich doch helfen", sagt Hyomin Han, die derzeit weiterhin wie sonst zur Arbeit gehen und einkaufen kann. "Indem man alles für sich kauft, hilft man niemandem, nicht mal sich selbst." Vielmehr wäre es peinlich, sagt sie, wenn man mit all den Einkäufen unterm Arm gesehen würde. Aber wenn einer einem fremden Passanten auf der Straße eine Maske schenkt, das vergesse man nicht.

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