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Coronavirus: So erleben Ärzte, Lehrer und Gastronomen die Corona-Krise

Coronavirus

So erleben Ärzte, Lehrer und Gastronomen die Corona-Krise

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    Das Coronavirus hat die Region fest im Griff. Manche Berufsgruppen trifft die Situation besonders hart.
    Das Coronavirus hat die Region fest im Griff. Manche Berufsgruppen trifft die Situation besonders hart. Foto: Alexander Kaya

    Ob als Arzt, Künstler, Lehrerin oder Tourist auf Mallorca: Viele Menschen aus der Region trifft das Corona-Virus besonders stark. Uns erzählen sie, wie sie mit der Situation zu kämpfen haben.

    Roland Eberstein, 46, Hausarzt in Friedberg

    Es klingt ein bisschen kurios, aber in dieser Woche hatten wir in der Praxis weniger Arbeit als sonst. Das liegt daran, dass sich viele Patienten nicht mehr hierher trauen. Sie haben Angst, sich anzustecken, obwohl es einen abgeschlossenen Bereich mit eigenem Eingang für Patienten gibt, die fürchten, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben.

    Roland Eberstein (46) ist Hausarzt in Friedberg.
    Roland Eberstein (46) ist Hausarzt in Friedberg. Foto: Eberstein

    Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist gerade die Aufklärung. Viele Patienten sind verunsichert und wollen sich unbedingt testen lassen. Das verstehe ich gut, und selbstverständlich führen wir – wie viele andere Hausärzte – Tests im begründeten Verdachtsfall durch. Aber wir müssen klarmachen, dass es nur Tests für Personen gibt, die Symptome haben und entweder in einem Risikogebiet gewesen sind oder mit Infizierten in Kontakt waren. Andernfalls würden wir das System überfordern. Für Menschen, die nicht in die Praxis kommen wollen, etablieren wir eine Videosprechstunde. Und natürlich machen wir viel mehr Hausbesuche als sonst. Ich hatte diese Woche eigentlich Urlaub, habe aber einige Besuche übernommen, um meine Kollegen zu entlasten.

    Angst habe ich nicht unbedingt, aber es macht einen schon nachdenklich, wenn man erlebt, wie ein Erreger unser hochgelobtes Gesundheitssystem binnen kürzester Zeit an seine Grenzen bringen kann. Trotzdem habe ich Vertrauen in unsere Regierung. Es wird viel unternommen, um die Ausbreitung zu bremsen. Aber es kommt eben auch auf jeden Einzelnen an. Und wenn ich sehe, wie viele Leute noch immer in großen Gruppen unterwegs sind, fürchte ich, dass am Ende nur eine Ausgangssperre hilft.

    Kurt Idrizovic, 67, Buchhändler in Augsburg

    Ich betreibe die Buchhandlung am Obstmarkt in Augsburg. Der Mittwoch war der erste Tag, an dem ich aufgrund der Corona-Epidemie meinen Buchladen geschlossen lassen musste. Aktuell habe ich dadurch noch keine Probleme, aber jeder Tag, an dem wir nicht öffnen können, schmerzt in der Kasse. Für meine beiden Mitarbeiterinnen habe ich am Mittwoch Kurzarbeitergeld beantragt und den Brief gleich am Donnerstag verschickt.

    Kurt Idrizovic, 67, Buchhändler in Augsburg.
    Kurt Idrizovic, 67, Buchhändler in Augsburg. Foto: Silvio Wyszengrad

    Ich habe einige Rücklagen gebildet, sodass ich in der nächsten Zeit sicher über die Runden komme. Auch im Buchladen gibt es noch einige Arbeit. Derzeit hilft uns, dass die Buchhandlung am Obstmarkt auch online erreichbar ist und wir Bücher verschicken können.

    Hier nutzen uns die modernen Medien. Langfristig ist es für uns Buchhandlungen aber wichtig, den Kontakt zu den Kunden und zu den Leuten, die Bücher und Literatur lieben, lebendig halten zu können. Dafür brauchen wir das Tagesgeschäft in der Innenstadt. Sonst befürchte ich, dass die Kunden ganz ins Netz wandern.

    Die Lage ist für unsere Branche sowieso nicht leicht und wir versuchen, in schwierigen Zeiten unsere Umsätze zu machen. Es ist wichtig, entschlossen gegen das Coronavirus vorzugehen. Zwei bis drei Wochen halten wir durch, auch die Osterferien lassen sich vielleicht überbrücken. Wenn die Schließungen im Einzelhandel aber länger dauern, wäre das ein Desaster.

    Wichtig für mich sind unsere Veranstaltungen wie „Literatur im Biergarten“, zu der wir fast 1000 Leute erwarten. Falls diese ausfallen, wäre das schlimm. Ich fahre derzeit auf Sicht.

    Rajinder Kumar, 45, Gastronom in Mindelheim

    Erst am Montag habe ich mein Restaurant „Maximilian“ mitten in der Mindelheimer Innenstadt eröffnet, gestern musste ich es bis auf Weiteres wieder schließen. Schon bei der Eröffnung waren gerade einmal 20 Personen zu Gast, das ist richtig wenig. Wir haben natürlich mitbekommen, dass die Situation wegen des Coronavirus von Tag zu Tag schwieriger wird, verschieben konnten wir den Start aber nicht – alles war schon vorbereitet, alle Lebensmittel waren gekauft.

    Rajinder Kumar, 45, musste sein Restaurant schließen.
    Rajinder Kumar, 45, musste sein Restaurant schließen. Foto: Kumar

    Die Situation jetzt ist eine Katastrophe. Neben meinem Sohn hatte ich drei Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigt – einen Koch, einen Pizzabäcker und eine Bedienung. Wie hätte ich die bezahlen sollen? Einnahmen hatte ich schließlich bislang fast gar nicht, dafür aber viele Ausgaben.

    Ich habe ungefähr 50.000 Euro in das Restaurant investiert und einen Tagesumsatz von 1500 bis 2000 Euro kalkuliert. Bis Freitag waren es durchschnittlich ungefähr 300 Euro. Das reicht natürlich nicht, um das Restaurant am Laufen zu halten. Ich kann grundsätzlich sehr gut verstehen, warum so strenge und umfassende Maßnahmen getroffen werden. Alle haben Angst. Aber natürlich müssen wir uns jetzt Gedanken machen, wie es weitergehen soll.

    Wir hatten uns sehr darauf gefreut, das Restaurant in Mindelheim eröffnen zu können. Jetzt hoffen wir, dass die Corona-Krise so bald wie möglich vorbei ist und wir dann wieder öffnen können. Wenn die Krise aber länger dauert und der Staat uns nicht unter die Arme greift, müssen wir das Restaurant nach nur ein paar Tagen wahrscheinlich wieder komplett schließen.

    Violetta Rukes, 29, Lehrerin an der Mittelschule Wemding

    Als vor gut einer Woche erste Gerüchte aufkamen, dass alle Schulen geschlossen werden sollen, war ich geschockt. Die Situation seitdem ist für mich und das Kollegium purer Stress. Mit einer spontan ausgearbeiteten To-do-Liste, einer digitalen Hausaufgabentafel und Lernvideos, die ich selbst erstelle, können die Schüler seit Montag von zu Hause aus lernen.

    Violetta Rukes, 29, Lehrerin an der Mittelschule Wemding.
    Violetta Rukes, 29, Lehrerin an der Mittelschule Wemding. Foto: Rukes

    Ich habe ihnen sofort klargemacht, dass sie jetzt nicht schul-, sondern nur schulhausfrei haben. Das hat mit Ferien nichts zu tun. Damit der Tagesablauf einigermaßen geregelt bleibt, müssen mir die Schüler jeden Tag bis 13 Uhr ihre Aufgaben per Mail oder WhatsApp zuschicken.

    Wie lange wir das so aber durchhalten können, weiß ich nicht. Lernen braucht Austausch – dieser soziale Aspekt und die Dynamik in der Gruppe gehen gerade komplett verloren. Wie lange bleibt man motiviert, wenn man jeden Tag alleine vor dem Schreibtisch sitzt? Nicht jeder Schüler ist ein Autodidakt, manche brauchen auch Anleitung.

    Ich bin Lehrerin geworden, um mit Kindern direkt zusammenzuarbeiten. Das Schönste an meinem Beruf geht in diesen Zeiten leider verloren. Auch ich arbeite hauptsächlich von zu Hause aus, wir Lehrkräfte treffen uns aber abwechselnd und in kleinen Gruppen in der Schule, um aufzuräumen, auszusortieren und auch neu zu dekorieren. Für Kinder, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten, haben wir eine Notbetreuung eingerichtet.

    Immerhin: Das Kollegium und die Eltern helfen sich gegenseitig, wo sie nur können. Das zu sehen, tut in diesen Tagen wirklich gut und macht mir Hoffnung.

    Sebastian Seidel, 48, Leiter des Sensemble Theaters Augsburg

    Wie soll ich über diese letzte Woche berichten? Es droht die Beschreibung eines schlechten Katastrophenfilms zu werden. Aber jetzt hat die Realität alles übertroffen.

    Keiner im Umfeld des Theaters ist gesundheitlich betroffen. Zum Glück. Aber praktisch alle finanziell und psychisch. Alle Aufführungen sind erst einmal abgesagt. Von heute auf morgen gibt es keine Einnahmen mehr.

    Sebastian Seidel, 48, ist Leiter des Sensemble Theaters Augsburg.
    Sebastian Seidel, 48, ist Leiter des Sensemble Theaters Augsburg. Foto: Birgit Müller-Bardorf

    Davon ist die Woche geprägt: Krisengespräche und Bestandsaufnahme. Das Theater ist zu. Alle Zuschauer, soweit es möglich war, wurden benachrichtigt. Gekommen sind am Wochenende dann trotzdem ein paar, sie waren aber verständnisvoll.

    Ein Hoffnungsschimmer: Wir haben unglaublich tolle und treue Zuschauer. Unser Spendenaufruf und die Bitte, jetzt Gutscheine zu kaufen, zeigen Wirkung. Viele kleinere und auch größere Spenden gehen ein. Vielleicht können wir doch den Monatswechsel finanziell überstehen?

    Für die festangestellten Mitarbeiter beantrage ich Kurzarbeit. Für mich ist das nicht möglich. Laufen die Förderungen von Stadt und Staat weiter, auch wenn wir jetzt die Richtlinien nicht erfüllen können? Können Honorare an Schauspieler, die nichts mehr verdienen, gezahlt werden, obwohl sie „die Leistung“ nicht erbringen? Wie verhalten sich die Sponsoren?

    Viele Telefonate bringen teils Klarheit, teils aber auch weitere Verunsicherung. Bei der angekündigten „Soforthilfe Corona“ des Freistaates dürfen bis fünf Mitarbeiter nur 5000 Euro beantragt werden. Leider viel zu wenig, aber doch ein positives Signal.

    Joachim Bomhard, 65, Tourist auf Mallorca

    Es ist seit zwei Wochen ein tägliches Wechselbad der Gefühle. Wo sind wir sicherer vor dem Virus? Hier auf der abgelegenen Finca im Nordosten Mallorcas – oder doch zu Hause? Seit vergangenem Samstag sitzen wir hier fest. Unsere Kontakte beschränken sich auf Telefon, Mail und WhatsApp. Die einzigen Menschen, denen wir noch begegnen, sind Christa und Arno im Nebenhaus, unsere Vermieter.

    Letzte Woche schon, als in Deutschland wie auf Mallorca die Schulen, Kitas und vieles mehr geschlossen werden, schreibt meine Tochter flehentlich: „Kommt heim.“ Wir wähnen uns noch in Sicherheit, decken uns mit Vorräten ein und glauben: „Wir schaffen das.“ Einkaufen ist auf Mallorca ja weiterhin erlaubt.

    Am Montagmorgen setzt das Umdenken ein. Weltweite Rückholaktionen werden angekündigt. Also bitten wir unser Reisebüro umzubuchen. Freitag könnten wir fliegen, eine Woche früher als geplant. Dienstag ist alles wieder anders. Vueling fliege am Freitag doch nicht, heißt es nachmittags.

    Joachim Bomhard, 65, Tourist auf Mallorca.
    Joachim Bomhard, 65, Tourist auf Mallorca. Foto: Bomhard

    Donnerstag eine neue Lage. Vueling hat den Flug gestrichen, obwohl die Regierung der Balearen darauf dringt, dass alle Touristen ausreisen sollen. Kein Flug, keine Ausreise. Das deutsche Konsulat in Palma schickt eine Mail an alle, die sich auf einer Liste des Auswärtigen Amtes registriert haben. Es gebe noch genügend Flüge und man solle sich doch bemühen, ein Ticket zu bekommen. Innerhalb weniger Minuten haben wir die Bordkarten für einen Flug mit Eurowings am Samstagvormittag auf dem Smartphone. Bis dahin kann sich noch viel ändern. Das haben wir gelernt.

    Markus Ferber, 55, Bobinger Europa-Politiker in Brüssel

    Am Tag nach den Kommunalwahlen bin ich wieder nach Brüssel gereist, weil dort meine Partnerin und unser gemeinsames Kind leben. Seit Mittwochmittag leben wir in der für ganz Belgien verhängten Ausgangssperre. Ich gebe zu, ich war am Vormittag noch in einem Baumarkt, um all das, was man sich schon immer vorgenommen hat, realisieren zu können. Ich musste feststellen, dass ich nicht der Einzige mit dieser Idee war. Von zwei Meter Abstand und anderen Vorsichtsmaßnahmen war in diesem Baumarkt leider nichts zu spüren.

    Markus Ferber, 55, Europapolitiker aus Bobingen.
    Markus Ferber, 55, Europapolitiker aus Bobingen. Foto: Ferber

    Seit Mittwoch sind Supermärkte und Apotheken streng reglementiert. Nur eine bestimmte Anzahl an Menschen darf hinein und an den Kassen gibt es Bodenmarkierungen, um den Abstand zu wahren. Die nächsten Tage werde ich also in Brüssel verbringen und Homeoffice machen.

    Mit meinen Mitarbeitern, die ebenfalls von zu Hause arbeiten, stehe ich per Telefon, WhatsApp und E-Mail in Kontakt. Über Telefonkonferenzen und Videoanrufe stimme ich mich mit meinen Parlamentskollegen ab.

    Für die nächste Woche ist eine Plenarsitzung des Europäischen Parlaments angekündigt. Insofern tue ich mir leichter, an dieser Sitzung teilzunehmen, weil ich schon in Brüssel vor Ort bin und keine Anreiseschwierigkeiten haben werde.

    Ich hoffe, dass wir diese Zeit gut überstehen. Meinem kleinen Sohn gefällt es natürlich sehr, dass der Papa den ganzen Tag zu Hause ist. Er hat das technische Interesse von mir geerbt und stürzt sich auf alle meine Gerätschaften, die ich fürs Homeoffice benötige, wie Smartphone und Laptop.

    Über alle Entwicklungen rund um das Coronavirus informieren wir Sie in unserem Live-Blog.

    Lesen Sie dazu auch einen Kommentar: Markus Söder geht in der Corona-Krise ein hohes Risiko ein

    Wie verändert sich die Arbeit von Journalisten in Zeiten des Coronavirus? In einer neuen Folge unseres Podcasts geben wir einen Einblick.

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