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Coronavirus: So blickt das Ausland auf die deutschen Corona-Erfolge

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    Ruhig, besonnen, präzise: Das sind die Attribute, die der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Corona-Krise wieder oft nachgesagt werden – vor allem aus dem Ausland.
    Ruhig, besonnen, präzise: Das sind die Attribute, die der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Corona-Krise wieder oft nachgesagt werden – vor allem aus dem Ausland. Foto: Michael Kappeler/dpa-Pool/dpa

    Italien ist beeindruckt, ungläubig und verärgert. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Tagen den Zusammenhang zwischen Lockerung der Schutzmaßnahmen und der Reproduktionszahl, also der Zahl der Ansteckungen durch einen positiven Corona-Patienten erklärte, klang in den italienischen Medien ein Ton der Bewunderung mit. Entsprechende Videos waren auf Internetseiten zu sehen. Wie glücklich sich doch die Deutschen in der

    Bei den Corona-Bonds reagieren die Italiener mit Unverständnis

    Ungläubigkeit bekommt man zu spüren, wenn von den Soforthilfen in Deutschland die Rede ist. „Stimmt es, dass man 5000 Euro oder mehr beantragen kann und dann auch bekommt, wenn man durch Corona in Not geraten ist“, wollte neulich ein Bekannter wissen? Als man ihm erwiderte, ja, diese Hilfe sei in Aussicht gestellt und unbürokratisch zu bekommen, lautete die Reaktion angesichts der als hoch empfundenen Zahlungen: „Unglaublich, ich dachte das sei ein Witz.“

    Schließlich reibt man sich vor allem in der gebeutelten Lombardei die Augen angesichts der Tatsache, wie die Pandemie bislang in Deutschland mit medizinischen Tests und einer raschen Aufstockung der Intensivbetten im Zaum gehalten wird. Die organisatorischen Fähigkeiten des großen Nachbarn, der auch noch vergleichsweise lockere Schutzmaßnahmen anwendete, machen Eindruck.

    Die Bewunderung schlägt in Unverständnis um, wenn von Corona-Bonds die Rede ist. Die Weigerung einer Vergemeinschaftung von Schulden zuzustimmen, um dem schwer gezeichneten Italien aus der Corona-Krise aufzuhelfen, wird von vielen Italienern als darwinistischer Egoismus des Stärkeren empfunden.

    ---Trennung Großbritannien: Britische Politiker müssen sich dem Vergleich mit Deutschland stellen Trennung---

    Wenn sich täglich ein Regierungsvertreter in der Downing Street an die Nation wendet, um diese in der Corona-Krise auf den neuesten Stand zu bringen, dann hagelt es im Anschluss Kritik. Besonders unter Druck geraten Minister sowie beratende Wissenschaftler stets dann, wenn auf Deutschland verwiesen wird. Und das passiert so ziemlich ständig. Warum sterben in der Bundesrepublik deutlich weniger mit Covid-19 Infizierte als auf der Insel? Warum schaffen es die Deutschen, so viel mehr zu testen? Was können wir von Deutschland lernen?

    Mittlerweile rollen bei der Erwähnung der europäischen Vorbildnation etliche Briten schon die Augen. „Wie es Deutschland richtig machte, während Großbritannien falsch lag“, titelte der Telegraph und damit ausgerechnet jene europaskeptische Zeitung, die gerne gegen den Kontinent ätzt und dafür den Patriotismus im Königreich beschwört. Doch Experten befürchten, dass Großbritannien mit Blick auf die Sterberate das am schlimmsten betroffene Land in Europa werden könnte. Oder es gar schon ist? Bis Mittwoch wurden allein in den Krankenhäusern fast mehr als 18.000 Tote gezählt. Schätzungen gehen von rund 8000 zusätzlichen Opfern aus.

    Bis Ende April sollen in Großbritannien 100.000 Tests durchgeführt werden

    Auch wenn Gesundheitsminister Matt Hancock versprochen hat, dass bis Ende April pro Tag 100.000 Tests durchgeführt werden sollen, fanden zuletzt tatsächlich nicht einmal 20.000 statt. Es herrscht Chaos. Selbst Ärzte, Schwestern und Pfleger, die weiterhin über den Mangel an Schutzausrüstung wie Masken und Kitteln klagen, werden lediglich getestet, wenn sie oder Familienmitglieder Symptome zeigen, ganz zu schweigen von der restlichen Bevölkerung. Von einer „Test-Schande“ sprach die Daily Mail.

    Matt Hancock, Gesundheitsminister von Großbritannien.
    Matt Hancock, Gesundheitsminister von Großbritannien. Foto: Aaron Chown, dpa

    Das dezentral organisierte Deutschland dagegen, so werden die Briten nicht müde zu betonen, führte schon länger deutlich mehr Tests durch – der Schlüssel zum Erfolg in der Pandemie. Damit nicht genug. Mit Neid blickt das Land auf den Kontinent, wo die ohnehin weniger strikten Ausgangsbeschränkungen nun weiter gelockert wurden, während auf der Insel noch immer die strenge Anweisung gilt, zuhause zu bleiben. Mit Verwandten oder Freunden aus anderen Haushalten etwa darf man sich nicht treffen im Gegensatz zu Deutschland, wo Alleinlebende zumindest eine andere Person sehen durften.

    ---Trennung Russland: Hoffnung auf Lockerungen wie in Deutschland Trennung---

    Geht es nach Aljona Popowa, macht Deutschland vieles richtig in diesen „präzedenzlosen Zeiten“. So nennt die 37-Jährige die Covid-19-Pandemie und die Maßnahmen, die jedes Land anwendet, um die Bedrohung gering zu halten. „Schaut doch einfach mal nach Deutschland“, rät die Kämpferin gegen digitale Überwachung den Behörden in ihrem Telegram-Kanal.

    Damit ist sie nicht allein. Wenn Russen wegen Corona den Blick nach außen wenden, so führen sie Deutschland stets als positives Beispiel an: Das Land habe zwar eine hohe Zahl an Infizierten, dennoch ist die Todesrate relativ niedrig, und das, obwohl niemand zum Zuhausebleiben gezwungen werde. „Die Menschen dürfen raus in den Park und sogar Radfahren“, heißt es bewundernd, vor allem in den Berichten unabhängiger Medien.

    Russen dürfen nur mit wenigen Gründen vor die Tür

    In den meisten russischen Regionen gelten strenge Ausgangsbeschränkungen. Die Wohnung verlassen dürfen die Menschen lediglich zum Einkaufen (und selbst das in manchen Gegenden nur mit einem Passierschein), zur Apotheke und zum Gassigehen mit dem Hund. „Smarte Systeme“ überwachen die Vergehen und sollen bald russlandweit greifen. Verstöße gegen die Selbstisolation werden mit Strafen von umgerechnet ab knapp 100 Euro geahndet.

    In Moskau sollen sich Menschen, die kein Homeoffice machen und sich durch die Stadt bewegen müssen, online registrieren, samt Autokennzeichen und der Nummer der elektronischen Metro-und-Bus-Karte. Das Land ist bestens mit Kameras ausgestattet, in vielen Regionen werden bereits jetzt Softwares zur Gesichtserkennung eingesetzt. Einige russische Beobachter befürchten, dass viele einschränkende Maßnahmen auch nach der Pandemie bleiben werden. „Deutschland hat keinen Hausarrest, Deutschland kann frische Luft atmen“, schreibt Aljona Popowa.

    ---Trennung USA: Angela Merkel als Gegen-Präsidentin Trennung---

    Schon die Überschriften lassen Sehnsucht verspüren. „Eine vernünftige Politik liegt in greifbarer Nähe“, titelt die Meinungsseite der New York Times zu einem Foto mit der deutschen Kanzlerin. „Das Geheimnis des deutschen Covid-19-Erfolgs“ lüftet das Polit-Magazin The Atlantic gleich in der Schlagzeile: „Angela Merkel ist eine Wissenschaftlerin.“

    Wenn amerikanische Journalisten in diesen Tagen über Deutschland berichten, haben sie stets die Zustände in ihrer Heimat im Kopf: den Beinahe-Kollaps des Gesundheitswesens in New York, die Verwüstungen am Arbeitsmarkt und die surrealen Ego-Shows ihres Präsidenten. Voller Anerkennung berichten New York Times und Washington Post entsprechend, wie stabil das deutsche Gesundheitswesen ist, wie früh die Tests begannen und wie gut das Kurzarbeitergeld soziale Verwerfungen verhindert.

    Bundeskanzlerin Merkel (oben links) und andere europäische Staats- und Regierungschefs, sowie Mitglieder des Europäischen Rates, während einer Videokonferenz.
    Bundeskanzlerin Merkel (oben links) und andere europäische Staats- und Regierungschefs, sowie Mitglieder des Europäischen Rates, während einer Videokonferenz. Foto: Ian Langsdon, dpa

    Pannen und Unzulänglichkeiten der deutschen Bürokratie schrumpfen mit 7000 Kilometern Distanz zu Fußnoten. Und die nüchtern-unprätentiöse Kanzlerin mutiert für das linksliberale Amerika endgültig zur Lichtgestalt. Als New York Times-Kolumnist Bret Stephens sie neulich als Vizepräsidentin an der Seite von Joe Biden vorschlug, war das noch mit einem Augenzwinkern versehen. Atlantic-Autorin Saskia Miller hingegen lobt unumwunden die Offenheit, die Rationalität und die Empathie von Angela Merkel. Eine Mischung aus „ruhiger Bestärkung und klarsichtigem Realismus“ macht auch New York Times-Korrespondentin Katrin Bennhold als Stärke der Kanzlerin aus. „Führung durch Ehrlichkeit“, kommentiert der US-amerikanische Politikwissenschaftler Ian Bremmer die Regierungserklärung vom Donnerstag.

    Genau das ist es wohl, was viele Amerikaner derzeit am meisten vermissen. Nach einer aktuellen Umfrage vertrauen in der Corona-Krise nur noch 23 Prozent ihrem Präsidenten.

    ---Trennung China: Europa galt hier als neues Virus-Epizentrum Trennung---

    Am Freitag hat Deutschlands Botschafter in Peking dem chinesischen Magazin Caixin ein Interview gegeben. „Einigkeit und Transparenz“ seien bei der Virusbekämpfung das Wichtigste, sagte Botschafter Clemens von Goetze – ein diplomatischer Seitenhieb auf die chinesischen Behörden, die besonders zu Beginn der Virus-Krise freie Informationen unterdrückt haben.

    In China ist der Blick auf die Virus-Bekämpfung im Ausland allerdings ein eher nationalistischer, wenig differenzierter. Europa galt hier lange Zeit als neues Virus-Epizentrum, mit Staunen haben die Chinesen die chaotischen Szenen aus Italien verfolgt. „Westler“ wurden plötzlich als potenziell Infizierte betrachtet und teilweise in den U-Bahnen auf Abstand gehalten und sogar beschimpft. Für die Regierung war dieses Narrativ ein willkommenes Ablenkungsmanöver von den eigenen Fehlern. Zwischenzeitlich wurde auch kolportiert, dass das Virus aus den Vereinigten Staaten nach China gebracht wurde.

    Medizinisches Personal in Schutzanzügen schiebt in Wuhan einen Covid-19-Patienten über eine Straße, um ihn in die Intensivstation zu verlegen.
    Medizinisches Personal in Schutzanzügen schiebt in Wuhan einen Covid-19-Patienten über eine Straße, um ihn in die Intensivstation zu verlegen. Foto: Shen Bohan, dpa

    In China interessiert vor allem das Versagen der Behörden in den USA

    Dass sich die Lage in Deutschland mittlerweile entspannt hat, ja eine unkontrolliert wütende Epidemie bislang vermieden werden konnte, verfolgt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Hauptsächlich fokussiert sich die Berichterstattung derzeit auf das Versagen der Behörden in den Vereinigten Staaten. Dass auch andere Länder abseits Chinas das Virus unter Kontrolle bekommen – etwa Südkorea –, wird von den Medien wenig prominent berichtet. Vielleicht auch, um die eigene Leistung nicht schmälern zu wollen.

    Sehr wohl aber haben die Chinesen mitbekommen, dass zu Beginn der Corona-Pandemie asiatisch aussehende Bürger auch in Deutschland teilweise Opfer von Diskriminierung wurden.

    ---Trennung Österreich: Ist Österreich das bessere Deutschland? Trennung---

    Ist Österreich das bessere Deutschland? Ist Sebastian Kurz ein besserer Kanzler als Angela Merkel? Angesichts seiner schnellen und harten Entscheidungen in der Flüchtlings- und der Corona-Krise konnten viele Beobachter ihre Begeisterung über den österreichischen Kanzler kaum zügeln. Das Lob aus Deutschland, besonders aus Bayern, war für Wien zur Selbstverständlichkeit geworden. Umso mehr schmerzt die mediale Kritik an der späten Schließung der Skigebiete. Zu einem Zeitpunkt, als sich das Virus von Ischgl aus in die ganze Welt verbreitet hatte. Darauf spielte

    Bundeskanzler Sebastian Kurz rückt seinen Mundschutz während einer Pressekonferenz zurecht.
    Bundeskanzler Sebastian Kurz rückt seinen Mundschutz während einer Pressekonferenz zurecht. Foto: Roland Schlager, dpa

    Das Verhältnis zwischen Wien und Berlin ist beschädigt

    Das Verhältnis zwischen den Ländern wurde außerdem beschädigt, als eine Lieferung bestellter und bezahlter Masken für Österreich wochenlang vom deutschen Zoll an der Grenze festgehalten wurde. Das ändert aber nichts daran, dass Deutschland in der Krise wieder zum Hauptbezugspunkt für die österreichische Wirtschaft und damit auch die Bevölkerung wird.

    Die Krise schwächt Südosteuropa, das als Markt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs einige Jahre lang sehr wichtig für Österreich war. Das Land wird sich deshalb wieder nach Westen orientieren. Schon jetzt warten die österreichischen Autozulieferer darauf, dass in Deutschland die Produktion anläuft. Ganz zu schweigen vom Tourismus, der auf die Besucher aus dem Nachbarland setzt.

    ---Trennung Frankreich: Deutschland als ewiger Klassenbester Trennung---

    Deutschland nimmt in den Augen vieler Franzosen beim Krisenmanagement in Zeiten des Coronavirus eine altbekannte Rolle ein, nämlich die des europäischen Klassenbesten, der einerseits bewundert, andererseits misstrauisch beäugt wird. Nicht nur bei Fußball-Begegnungen schreiben französische Medien gerne vom „Match“ zwischen beiden Ländern, sondern auch, wenn es um wirtschaftliche Leistungen oder den sozialen Dialog geht – und nun scheint der Nachbar die Lage erneut besser im Griff zu haben als das eigene Land.

    Denn trotz weniger strikter Maßnahmen bei der Ausgangssperre sind rechts des Rheins in der Corona-Krise deutlich weniger Tote zu beklagen. In Frankreich werden die Beschränkungen erst ab 11. Mai gelockert. Auch die Situation in den Krankenhäusern war nicht annähernd so angespannt wie in einigen französischen Regionen. Vielmehr nahmen zahlreiche Bundesländer Intensivpatienten aus dem Nachbarland auf.

    Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, während einer Ansprache (Archiv).
    Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, während einer Ansprache (Archiv). Foto: Ludovic Marin/AFP/dpa

    Kanzlerin Merkel flößt vielen Franzosen Vertrauen ein

    Dass es auch in Deutschland Streitigkeiten über die richtige Strategie, Vorwürfe und zeitweise Engpässe beim Material gab, kam in Frankreich kaum zur Sprache. Stattdessen nutzen Kritiker der französischen Regierung das gute Krisenmanagement der Bundesrepublik als Argument. Kanzlerin Angela Merkel als besonnene Staatsfrau flößt den meisten Franzosen ohnehin mehr Vertrauen ein als der eigene hyperaktive Präsident.

    Obwohl Emmanuel Macron medienwirksam für Corona-Bonds und eine Vergemeinschaftung von Schulden in der Euro-Zone plädierte, wurde diese Frage in der Öffentlichkeit bislang nicht umfassend debattiert. Noch liegt der Fokus stark auf der Situation im eigenen Land, die sich nur allmählich entspannt.

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