Angesichts eines deutlichen Anstiegs der Coronavirus-Infizierten im Gesundheitswesen auf über 10.000 Beschäftigte mit mehr als einem Dutzend Todesfällen fordern die Fraktion der Linken und Mediziner Arbeitsentlastungen für Krankenpfleger.
Wie jüngste Daten des Robert-Koch-Instituts belegen, stieg die Zahl der Infektionen von Beschäftigten im Gesundheitssystem binnen zwei Wochen um über ein Drittel auf 10.101 registrierte Fälle, die Zahl der im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion verstorbenen Berufstätigen im medizinischen Bereich hat sich seit Mitte April auf 16 verdoppelt.
Ärzte und Pfleger mit Corona infiziert: Tatsächliche Zahlen dürften viel höher liegen
Das Robert-Koch-Institut geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Die tatsächlichen Zahlen könnten dabei noch höher liegen, da nur für zwei Drittel aller Corona-Infektionen entsprechende aufgeschlüsselte Daten vorlägen, erklärt das RKI in seinem Lagebericht.
“Da Angaben zu Betreuung, Unterbringung und Tätigkeit bei 36 Prozent der Fälle noch fehlen, sind die Anteile der Fälle mit einer Betreuung, Unterbringung oder Tätigkeit in den einzelnen Einrichtungen als Mindestangaben zu verstehen“, heißt es in dem Bericht. Zu den medizinischen Einrichtungen zählt das Institut Krankenhäuser, ärztliche Praxen, Dialyseeinrichtungen und Rettungsdienste.
Pflege: Linke für generell kürzere Schichten zum Arbeitsschutz
Die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Susanne Ferschl fordert eine Verkürzung der Arbeitszeit für das Pflegepersonal und beruft sich auf Erkenntnisse der Behandlung von Corona-Patienten. „Kürzere Arbeitszeiten im Gesundheitswesen retten Leben und schützen die Gesundheit von Beschäftigten und Patienten“, sagte Ferschl unserer Redaktion. Sie fordert generelle Sechs-Stunden–Schichten und eine sofortige Rücknahme der Corona- Arbeitszeitverordnung, die zwölf Stunden Arbeitstage zulässt.
Wie der Bayreuther Medizinprofessor und langjährige Ethikrat Eckhard Nagel unserer Redaktion bestätigte, sanken in Wuhan sowohl die Infektionsraten bei Ärzten und Pflegern als auch die Sterberaten bei den Corona-Patienten, als die Schichten auf sechs Stunden verkürzt wurden „Die Arbeit in Spezialoveralls, Schutzmasken mit Handschuhen und Überschuhen ist enorm anstrengend“, sagt Nagel, der die Bundesregierung in Fragen der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich berät und Vizepräsident der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft für Medizin ist.
Medizinprofessor Eckhard Nagel: Aus Erfahrungen von China lernen
„Als man wegen der anstrengenden Arbeit die Schichten auf sechs Stunden verkürzte, hat man einen doppelten Effekt festgestellt: Bei den Patienten sank die Sterblichkeitsrate, weil man sie besser behandeln kann und als zweites haben sich deutlich weniger Klinikmitarbeiter mit Covid-19 in der Arbeit angesteckt“, berichtete Nagel, der auch einer der beiden Präsidenten des Chinesisch-Deutschen Freundschaftskrankenhauses in Wuhan ist.
„Aus dieser Erfahrung mit den Arbeitszeiten sollten wir für die Versorgung von Schwerstkranken, etwa bei Transplantationen, Schlaganfällen und Herzinfarkten lernen“, forderte der Chef des Bayreuther Universitäts-Instituts Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften. „Ob kürzere Schichten in der Normalversorgung auch einen Vorteil hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz und für das Wohl der Patienten haben, sollte man untersuchen.“
Bis zu 400.000 Pfleger haben Beruf gewechselt
Linken-Fraktionsvizechefin Ferschl will die Erfahrungen in allen Bereichen der Pflege anwenden: „Aufwertung der Pflegeberufe heißt konkret: Sechs-Stunden-Schichten, allgemein verbindliche Tariflöhne und ein Gesundheitswesen in öffentlicher Hand“, sagte sie unserer Redaktion. Auf diese Weise könne für den Mehrbedarf an Personal um Aussteiger aus den Pflegeberufen geworben werden.
Es gebe im Pflegebereich bis zu „400.000 Beschäftigte, die ihren Job hierzulande aufgrund der katastrophalen Arbeits- und Entlohnungssituation aufgegeben haben“, sagt die Linke-Abgeordnete.
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