Die Kanzlerin neigt nicht zur sprachlichen Eskalation. Doch im schwächer werdenden Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Erregers hat Angela Merkel zur Brechstange gegriffen. Die CDU-Politikerin verlangte vor der Runde mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer am Dienstag, dass in Regionen mit stark steigenden Infektionszahlen "brachial durchgegriffen" werden müsse.
Bund und Länder einigen sich auf neue Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus
Merkel bekam von den 16 Regierungschefs von den Regierungschefs, was sie wollte. Es soll zwar noch bei steigenden Infektionszahlen gefeiert werden dürfen, aber nur noch in kleinerem Rahmen. Als Warnwert gelten in einem Landkreis 35 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner binnen der letzten sieben Tage. In privaten Räumen, so vereinbarten es die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten, sollten höchstens 25 Leute zum Feiern zusammenfinden. Dabei handelt es sich aber nur um eine dringliche Empfehlung. In öffentlichen Räumen sollen es maximal 50 sein. Kommen auf 100.000 Einwohner 50 Neuinfektionen, sollen nur noch 25 Leute in öffentlichen oder angemieteten Räumen zusammen feiern dürfen, privat nur noch zehn. "Die schwierigen Monate liegen vor uns", mahnte die Kanzlerin.
An ihrer Seite hatte die 66-Jährige Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der seinem strengen Kurs treu blieb. Für die kalte Jahreszeit gab der CSU-Chef folgende Parole aus: "Mehr Maske, weniger Alkohol und kleinere Feiern." Dass weniger Bier, Wein oder Punsch ausgeschenkt wird, sollen die Behörden vor Ort beispielsweise durch Sperrstunden erreichen.
Ein Teil der Ministerpräsidenten hatte vorher Widerstand gegen eine Verschärfung der Regeln angekündigt. Dazu zählten Michael Kretschmer (CDU) aus Sachsen und Manuela Schwesig (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern. In den ostdeutschen Ländern haben sich deutlich weniger Menschen mit Corona angesteckt. Wegen der Grenzwerte können die zwei Ministerpräsidenten aber mit dem Beschluss leben.
Virologen warnen vor Corona-Infektionen im Winter: Merkel geht vom Schlimmsten aus
Bund und Länder einigten sich außerdem darauf, ein Mindestbußgeld von 50 Euro zu kassieren, wenn Gäste in Restaurants und Kneipen falsche Namen und Kontaktdaten angeben. Söder kündigte an, im Freistaat deutlich schärfer abzukassieren. "Falsche Personenangaben sind kein Kavaliersdelikt", sagte auch die Kanzlerin.
Wie genau es die Wirte mit der Erfassung ihrer Gäste nehmen, wird höchst unterschiedlich gehandhabt: von sehr akkurat bis zur völligen Ignoranz für diese Seuchenschutzmaßnahmen. Nicht wenige Gäste machen bewusst falsche Angaben, nennen sich beispielsweise Peter Pan oder Micky Maus und erfinden Telefonnummern.
Im Herbst und Winter werden sich die Menschen weniger draußen, aber mehr zu Hause aufhalten. Statt vor dem Wirtshaus im Freisitz oder Biergarten, werden sie dann in der geschlossenen Gaststube Platz nehmen. Nach aktuellem Forschungsstand dürfte das dafür sorgen, dass sich mehr Menschen mit dem Coronavirus infizieren.
Bundeskanzlerin Merkel befürchtet deshalb das Schlimmste. Am Montag hatte sie in der Bundestagsfraktion von CDU und CSU vor einer Infektionswelle gewarnt. "Wenn es so weitergeht mit dem Trend, haben wir 192.00 Infektionen am Tag. Das ist wie in anderen Ländern", mahnte sie. Merkel hatte hochrechnen lassen, wie sich die Situation verschärft, wenn die Zahl der Angesteckten so deutlich zulegt wie jüngst. Zur Priorität der Bundesregierung erklärte sie, der Wirtschaft einen zweiten Zwangsstillstand zu ersparen, Schulen und Kindergärten sollen geöffnet bleiben. Sport und Großveranstaltungen nannte sie sekundär.
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