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Corona: Warum die deutsche Impfkampagne kaum junge Menschen anspricht

Corona

Warum die deutsche Impfkampagne kaum junge Menschen anspricht

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    Die deutsche Impfkampagne ist in den sozialen Medien kaum vertreten.
    Die deutsche Impfkampagne ist in den sozialen Medien kaum vertreten. Foto: Marijan Murat, dpa (Symbolbild)

    „Lasse ich mich impfen? A) Ja B) Ja C) Ja D) Ja.“ Günther Jauch lacht fröhlich in die Kamera, er zieht sein fliederfarbenes Shirt nach oben. Zum Vorschein kommt ein gelbes Pflaster. Nach seiner Corona-Infektion, die in ganz Deutschland für großes Aufsehen gesorgt hatte, war der Fernsehmoderator einer der ersten Prominenten, die medienwirksam für die Corona-Impfung geworben haben. So wurde er zum Gesicht der deutschen Impfkampagne. Denn Jauch erfreut sich in der deutschen Bevölkerung großer Beliebtheit. Angesprochen auf ihn, sagt die Professorin für Marketing an der Hochschule für Ökonomie und Management in Siegen, Julia Naskrent:  „Meine Eltern sind 72 Jahre alt – die lieben den!“

    Günther Jauch sei der Testimonial überhaupt. Doch seinen Promi-Status hat er eher bei einer Zielgruppe, die zum Großteil vollständig geimpft ist. Je jünger und damit weniger geimpft die deutsche Bevölkerung, desto geringer die Verbindung zum Quizmoderator. Und auch Uschi Glas kennen die meisten Jüngeren vermutlich höchstens in ihrer Rolle als Ingrid Leimbach-Knorr bei Fack ju Göhte: „Warum macht das denn nicht jemand Junges?", fragt sich Naskrent.

    In einem einminütigen Video: Erzieherin wirbt für die Corona-Impfung

    Tatsächlich gibt es ein paar jüngere Menschen, die auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums für die Corona-Impfung werben. Eine davon ist Annika Fischer. Die 27-Jährige ist Erzieherin in einem Kindergarten und nebenbei Influencerin bei Instagram. Dort verfolgen über 40.000 Menschen ihre Fitness- und Ernährungstipps. Am 3. April teilte Fischer ein Foto – in der Hand hält sie ihren Impfausweis, am Oberarm klebt ein Pflaster. Sie versah den Post mit dem Hashtag #ÄrmelHoch.

    Kurz darauf hatte sie eine Nachricht des Bundesgesundheitsministeriums in ihrem Postfach: „Als ich den Adler und den blauen Haken gesehen habe, dachte ich zuerst, ich hätte etwas Falsches über Corona erzählt“, erinnert sich Annika Fischer an diesen Moment zurück und lacht. Doch die Bundesregierung fragte an, ob sie das Foto in ihrer Instagram-Story verwenden dürfe. Kurze Zeit landete Fischer mit einem einminütigen Video, in dem sie erklärt, warum sie sich hat impfen lassen, auf der Website.

    Dass sie bei dieser Aktion mitwirken möchte, war der 27-Jährigen sofort klar: „Ich habe gesehen, dass an der Kampagne hauptsächlich etwas ältere Menschen beteiligt sind und glaube, dass junge Menschen eher an den Erfahrungen und Meinungen anderer junger Leute interessiert sind.“ Eine ähnliche Einschätzung gab nun die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppeab: „Die Werbekampagne zur Corona-Schutzimpfung geht an vielen Ungeimpften vorbei.“

    Impfkampagne wird in den sozialen Medien kaum aktiv beworben

    Das vermutlich größte Problem: In den sozialen Medien ist von der Impfkampagne kaum etwas zu sehen. Zwar finden sich unter dem Hashtag #ÄrmelHoch über 14.000 Beiträge bei Instagram. Doch die Kampagne hat keinen eigenen Account, auch nicht bei Facebook. Das einzige, was geschieht: Das Bundesgesundheitsministerium teilt Bilder und versieht sie mit dem #ÄrmelHoch. Julia Naskrent sagt, dass es für den Erfolg gerade bei der jüngeren Zielgruppe mehr braucht: „Die jungen Leute müssen mit viralen Kampagnen interagieren können und brauchen einen Anreiz, das mit ihren Freunden in den sozialen Medien zu teilen.“ Reine Plakat- und Fernsehwerbung bringe weniger, da die Leute nicht beteiligt seien. Sie nennt den Spaßfaktor als wesentliches Element.

    Überhaupt, findet Naskrent, würde die Bundesregierung in Bezug auf ihre Impfstrategie derzeit psychologisch falsch herum vorgehen. Mit dem Ende der kostenlosen Tests ab Oktober setze die Regierung direkt auf Zwang anstatt nun erst einmal Anreize zu schaffen. „Man müsste beobachten: Was bringt es, wenn wir die Leute ermutigen? Erst wenn das zu nichts führt, sollte man Sanktionen einführen“, sagt Naskrent.

    Denn die Marketing-Professorin weiß, dass Menschen in ihre Konsumentscheidungen grundsätzlich mit einbeziehen, welche Auswirkungen diese für das Gemeinwohl haben werden. Dieser in der Forschung noch relativ junge Aspekt nennt sich public value und meint den Wert für die Öffentlichkeit: „Nehmen wir beispielweise die Corona-Impfung von Kindern: Ein einzelnes Kind würde sehr wahrscheinlich einen schwachen Verlauf haben. Dennoch fordern viele die Impfung von Kindern, weil sie dann nicht mehr als Träger dienen können“, erklärt Naskrent.

    Ständige Impfkommission empfiehlt nun auch Impfung 12- bis 17-Jähriger

    Das Motto „Einer für Alle“, das diesen Ansatz trägt, müsste die Bundesregierung in ihrer Impfkampagne deutlich stärker fokussieren, sagt Julia Naskrent. Auch Annika Fischer hat danach gehandelt, indem sie sich für die Corona-Impfung entschieden hat: „Wenn ich mit meinem Post ein paar Menschen die Angst vor der Impfung nehmen konnte, bin ich schon happy.“ Die deutlich jüngere Zielgruppe, so war die Erfahrung der Influencerin, habe anfangs den Älteren und Vorerkrankten den Vortritt lassen wollen.

    Deshalb wäre es aus ihrer Sicht nun umso wichtiger, verstärkt die Jüngeren anzusprechen und ihnen zu sagen: „Jetzt seid ihr an der Reihe!“ Von offizieller Seite spricht nichts mehr dagegen: Die Ständige Impfkommission hat eine offizielle Empfehlung für die Impfung der 12- bis 17-Jährigen ausgesprochen.

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