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Corona-Politik: Wie glaubwürdig ist Laschets "Nie wieder Lockdown"-Versprechen?

Corona-Politik

Wie glaubwürdig ist Laschets "Nie wieder Lockdown"-Versprechen?

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    Unions Kanzlerkandidat Armin Laschet versprach bei einer Wahlsendung von Bild-TV, dass  es unter ihm nie wieder einen Lockdown geben soll.
    Unions Kanzlerkandidat Armin Laschet versprach bei einer Wahlsendung von Bild-TV, dass es unter ihm nie wieder einen Lockdown geben soll. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Drei harte Lockdowns hat Deutschland in der Corona-Pandemie hinter sich, einen vierten will niemand. Besonders nicht Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der von Anfang an als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, dem Herunterfahren von Wirtschaft und gesellschaftlichem Leben kritischer als andere Regierungschefs gegenüberstand. Nun ließ sich der CDU-Chef in einer Wahlsendung zu einer Garantie hinreißen. Auf Nachfrage eines Bild-Reporters, ob unter ihm als Kanzler „nie wieder Lockdown“ gelten würde, antwortete er: „Das verspreche ich.“

    Israel ist trotz der vielen Impfungen ein warnendes Beispiel

    So weit wie Laschet würde Israels Regierungschef Naftali Bennett nie gehen. Lange waren die neun Millionen Israelis Impfweltmeister. Doch auch dort stockt die Impfkampagne. Mit 63 Prozent vollständig Geimpfter liegt das Land nur noch knapp vor Großbritannien und auch Deutschland ist mit 59 Prozent voll geimpfter Bevölkerung nicht mehr weit von der Quote entfernt.

    Bevor die Delta-Variante kam, sank die Corona-Inzidenz in Israel fast auf null. Heute steuert der einstige Impfweltmeister eher auf einen Infektions-Rekord zu: Mit 557 Neuinfektionen pro 100.000 Einheimische in den vergangenen sieben Tagen wird das Land nur noch von wenigen Ländern wie Georgien, dem Kosovo oder Kuba übertroffen.

    „Wir werden alles tun, um Lockdowns zu vermeiden“, sagte Ministerpräsident Bennett, der im Juni den Wahlverlierer Benjamin Netanjahu abgelöst hatte. Doch versprechen kann er es nicht. Stattdessen appelliert er eindringlich an die Bevölkerung: „Lasst euch impfen.“ Inzwischen zählt Israel wieder so viele Intensivpatienten wie im Frühjahr.

    Erkrankungen trotz Impfung sind bislang selten

    Wie auch in Deutschland infizieren sich vor allem junge Menschen. Aber die Ärzte beobachten auch, dass hochbetagte Menschen mit im Alter zunehmend schwachem Immunsystem trotz Doppelimpfung schwer an Corona erkranken.

    Deshalb haben längst Drittimpfungen für Senioren begonnen, die laut einer Studie gute Wirkungen zeigen. Doch israelische Experten erklären, erst die nächsten Wochen würden zeigen, ob ein Lockdown noch verhindert werden könne. „Die nächsten Tage werden nicht einfach“, warnt Bennett. „Wir rechnen mit einem deutlichen Anstieg der Infektionen, mit mehr schweren Verläufen und mit mehr Todesfällen.“

    Auch deutsche Wissenschaftler, die versuchen, mit Modellrechnungen das mögliche Infektionsgeschehen vorherzusagen, warnen vor einer vierten Welle im Herbst, die dann auch wieder die Kliniken zu treffen drohe. Derzeit hatten nach Erhebungen des Robert-Koch-Instituts 94 Prozent der aktuellen Corona-Intensivpatienten keinen vollen Impfschutz. Der Rest der sogenannten „Impfdurchbrüche“ entspricht der lange festgestellten Wirksamkeit der Impfstoffe.

    Andere Unbekannte für die vierte Welle wiegen schwerer. Manches ist nicht vorhersehbar, wie mögliche neue Varianten. Doch das Risiko steigt bei hohen Infektionsraten naturgemäß, weil sich dadurch Mutationen besser ausbreiten können.

    Experten fürchten starken Anstieg nach Ende der Sommerferien

    Andere Faktoren sind absehbar – allen voran Urlaubsrückkehrer und der Schulunterricht nach den Sommerferien. Bald wird sich zeigen, ob die Politik für ausreichend Luftfilter gesorgt hat – und ob Eltern der neuen Impfempfehlung für über zwölfjährige Kinder folgen. Ansonsten, so warnen die Modellierungsexperten der Berliner TU in einem Gutachten für die Regierung, würde der Schulunterricht das Infektionstempo rasant beschleunigen. In Nordrhein-Westfalen, wo die Ferien vergangene Woche endeten, liegt die Inzidenz bereits bei über hundert, im

    Galt bislang ein Wert über 50 als bedenklich, sehen mehrere Wissenschaftler diese Schwelle angesichts der vielen geimpften Menschen derzeit eher bei 200. Da sich die Werte meist alle zwei Wochen verdoppeln, sind bis Herbst Inzidenzen von 500 nicht ausgeschlossen, falls Maßnahmen wie Quarantäne, Luftfilter, PCR-Tests neben den Impfungen den Anstieg nicht bremsen.

    „Laut unseren Simulationen wird im Oktober ein exponentieller Anstieg bei den Krankenhauszahlen starten“, warnen die TU-Forscher in ihrem Gutachten vom Juli vor der vierten Welle. „Nur wenn die Impfstoffe gegen Delta deutlich besser wirken als derzeit bekannt oder wenn eine Impfquote von 95 Prozent erreicht wird, dann bleibt diese Welle in unseren Simulationen aus“, betonen sie. Eine Garantie dafür dürfte jedoch niemand versprechen.

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