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Corona-Politik: Bundesregierung gesteht große Probleme bei Drittimpfungen ein

Corona-Politik

Bundesregierung gesteht große Probleme bei Drittimpfungen ein

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    "Boostern, boostern, boostern", appellierte Spahn am Mittwoch in Berlin.
    "Boostern, boostern, boostern", appellierte Spahn am Mittwoch in Berlin. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Die vierte Corona-Welle rauscht durch das Land und Deutschland droht ein zweiter Seuchen-Winter. Doch Bundesregierung und die Länder sind uneins, wie sie die Welle brechen können. Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält Auffrischungsimpfungen – sogenannte Booster – für das beste Mittel, um das Virus einzuhegen. „Boostern, boostern, boostern“, appellierte Spahn am Mittwoch in Berlin angesichts rapide steigender Neuninfektionen.

    Doch in der Wirklichkeit des zweiten Seuchen-Herbstes kommt Deutschland damit nicht voran. Gerade einmal zwei Millionen Auffrischungsimpfungen sind seit dem Sommer vorgenommen worden. „Das ist zu wenig“, sagte der Minister. Er berichtete davon, dass sich in seinem Ministerium Leute darüber beschwerten, dass ihnen ihr Arzt oder ihre Ärztin die dritte Spritze verwehrten.

    Gesundheitsminister Spahn und RKI-Chef Wieler: Jeder hat Recht auf dritte Impfung

    Spahn und der Präsident des Robert-Koch-Institutes, Lothar Wieler, stellten bei ihrem gemeinsamen Auftritt klar, dass jeder Anspruch auf einen Booster habe, der bereits gegen Corona geimpft ist. Auch die Zeitspanne von sechs Monaten sei nicht in Stein gemeißelt.

    In der Bevölkerung und bei den Medizinern sorgt offenbar für Verwirrung, dass die Ständige Impfkommission bislang die dritte Spritze erst ab dem Alter von 70 Jahren und für Vorerkrankte sowie für medizinisches Personal empfiehlt. „Zu viele Impfwillige finden keinen Arzt, der sie impft“, beklagte Spahn. Von den Vertretern der Ärzteschaft bekommt er viel Widerspruch. „Booster-Impfungen für alle zu empfehlen, macht keinen Sinn", sagt beispielsweise der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen. Die Mediziner fürchten nach anderthalb fordernden Jahren einen erneuten Ansturm auf ihre Praxen.

    Israel hat das Coronavirus mit einer Booster-Kampagne zurückgedrängt

    Dass die Stärkung des Immunsystems durch eine dritte Dosis – oder im Falle des Johnson-&-Johnson-Serums durch eine zweite Spritze mit einem mRNA-Impfstoff – das Virus zurückdrängen kann, zeigt das Beispiel Israel. Dem Land gelang es durch seine Booster-Kampagne, die neue Corona-Welle zu brechen. Doch Deutschland tut sich schwer, der Massenimpfung wieder mehr Tempo zu geben.

    RKI-Präsident Lothar Wieler warnt vor viel Leid, dass die vierte Welle in Deutschland anrichten könnte.
    RKI-Präsident Lothar Wieler warnt vor viel Leid, dass die vierte Welle in Deutschland anrichten könnte. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Noch immer sind hierzulande trotz aller wissenschaftlichen Belege 3,2 Millionen Menschen in der gefährdeten Altersgruppe über 60 Jahren ungeimpft. Eine Befragung der Meinungsforscher des Forsa-Institutes hatte jüngst ergeben, dass die Gruppe der bislang Ungeimpften nur noch schwer vom Nutzen der schützenden Spritze überzeugt werden kann. Ihr Vertrauen in den Staat hat schwer gelitten. Sieben von zehn der befragten Impfskeptiker halten die Bekämpfung des Erregers für einen Vorwand, um eine härtere staatliche Kontrolle durchzusetzen.

    Der RKI-Chef rief deshalb dazu auf, die bewährten Mittel der Seuchenbekämpfung nicht zu vernachlässigen, wie zum Beispiel das Tragen der Maske, Lüften und das Vermeiden unnötiger Kontakte. „Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, wird diese vierte Welle viel Leid bringen“, mahnte Weiler.

    Die Intensivstationen in Deutschland sind in einigen Regionen an der Belastungsgrenze

    Mittlerweile arbeiten in einigen Regionen Deutschlands die Intensivstationen wieder an der Belastungsgrenze. Spahn warnte davor, dass diesen Herbst und Winter weniger Personal zur Verfügung stehe, weil sich Schwestern und Pfleger zermürbt aus ihrem Beruf zurückgezogen hätten.

    In einigen Regionen sind die Intensivstationen bereits wieder am Limit angelangt.
    In einigen Regionen sind die Intensivstationen bereits wieder am Limit angelangt. Foto: Klinikum Ingolstadt (Archiv)

    Sorgen macht dem Minister auch die Lage in den Altenheimen. In einigen Regionen ist die Impfquote unter Pflegerinnen und Pflegern niedrig, was dazu führt, dass es wieder verstärkt zu gefährlichen Ausbrüchen unter den dort lebenden Senioren kommt. Vor einer Impfpflicht für den medizinischen Bereich schreckt Spahn dennoch zurück. „Es ist meine echt große Sorge, dass wenn wir eine verpflichtende Impfung in diesen Berufsgruppen einführen, dass sie sich nicht impfen lassen, sondern das die weg sind.“ Das Problem: Es gibt viel zu wenig Pflegpersonal in Deutschland.

    Spahn zeige sich unzufrieden, dass es noch immer nicht alle Bundesländer geschafft haben, verpflichtende Tests in Altenheimen für Personal und Bewohner vorzuschreiben. Er griff die Länder auch dafür an, dass es in einigen Ecken der Republik zu wenig Impfteams unterwegs seien, um die Alten in den Heimen ein drittes Mal zu impfen. Eigentlich hatten Bund und Länder vor drei Monaten vereinbart, in diesem Jahr die besonders Gefährdeten besser zu schützen.

    Ab Donnerstag kommtSpahnmit seinen Amtskollegen aus den Ländern zusammen, um das weitere Vorgehen zu beraten. Seine Erwartungen, dass das Treffen durchschlagende Beschlüsse bringen wird, sind offenbar gering. Denn gleichzeitig sprach er sich für eine Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin aus, um ein Signal zu setzen. „Akzeptanz entsteht, wenn wir einen einheitlichen Rahmen haben“, meinte der 41-Jährige. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, Angela Merkel stehe grundsätzlich für ein Treffen mit den Ländern bereit.

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