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Corona-Politik: Auf diese sieben Corona-Fragen brauchen wir jetzt Antworten

Nachsitzen: Wenn wir eines Tages auf die Corona-Pandemie zurückschauen, werden wir auch diese Szene im Kopf haben. Kanzlerin Angela Merkel und Markus Söder nehmen Platz, um Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz zu verkünden.
Foto: Christian Mang, dpa
Corona-Politik

Auf diese sieben Corona-Fragen brauchen wir jetzt Antworten

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    Das Treffen von Bund und Ländern ist in der Pandemie so etwas wie die Kommandobrücke der Corona-Bekämpfer. An diesem Donnerstag müssen sie erklären, wie sie das Land durch die sich auftürmende vierte Welle steuern wollen.

    1. Wo ist die Botschaft der Politik an die Bevölkerung?
    1. Wo ist die Botschaft der Politik an die Bevölkerung? Foto: Hannibal Hanschke, dpa

    Bisweilen wurde gespottet über die ständigen Krisensitzungen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin – und die bedeutungsschwangeren Gesichter in den nächtlichen Pressekonferenzen hinterher. Bisweilen wurde das als Ego-Show, als Inszenierung abgetan. Zur Wahrheit gehört aber auch: Diese Treffen haben in den schwierigsten Situationen der Pandemie durchschlagende Wirkung erzielt.

    Corona-Wellen sind nur zu brechen, wenn die Bevölkerung den Ernst der Lage erkennt

    Die Nation hat zugehört und klare Ansagen bekommen. Jeder wusste anschließend, woran er ist. In den vergangenen Monaten hingegen haben wir ein wildes Durcheinander an Stimmen aus der bisherigen und der künftigen Regierung gehört. Diese völlig verkorkste Kommunikation hat dazu geführt, dass am Ende jeder das gehört und geglaubt hat, was er hören und glauben wollte. Die neue Dramatik, die in vielen Krankenhäusern längst angekommen ist, hat sich dadurch jedenfalls viel zu spät erschlossen.

    Dabei haben die vergangenen zwei Jahre doch gezeigt, dass die Wellen nur dann zu brechen sind, wenn die Bevölkerung den Ernst der aktuellen Lage tatsächlich erkennt und sich dementsprechend vernünftig verhält und mitzieht. Es geht nicht nur um einzelne Maßnahmen oder um Verbote, wir brauchen eine klare, eine gemeinsame Botschaft, die von allen politisch Verantwortlichen getragen wird – egal, ob sie noch regieren oder noch nicht.

    2. Wie schaffen wir es, schneller Booster-Impfungen zu verabreichen?
    2. Wie schaffen wir es, schneller Booster-Impfungen zu verabreichen? Foto: Lino Mirgeler, dpa

    Weil das Coronavirus wieder mehr Menschen infiziert, setzen viele ihre Hoffnungen nun in die Auffrischungsimpfung – damit die vierte Welle vielleicht doch noch mit Ach und Krach abgeschwächt werden kann. Die Inzidenzen reißen von Tag zu Tag neue Spitzenwerte, Bund und Länder müssen beim Thema Boostern deshalb jetzt dringend etwas unternehmen. Nicht bald, nicht schnell. Sondern sofort. Drei Punkte muss die Ministerpräsidentenkonferenz dazu angehen.

    Aufgabe Nummer eins: Die Politik muss sich auf die nächsten Wochen und Monate vorbereiten und genügend Dosen bestellen, damit alle, die den dritten Piks haben wollen, geimpft werden können. Etwa 56 Millionen Menschen in Deutschland sind derzeit vollständig geimpft. Wollen alle die Auffrischung, werden noch einmal 56 Millionen Dosen benötigt.

    Damit jede und jeder Einzelne zu seiner Impfung kommt, und das möglichst schnell, braucht es zweitens auch die Infrastruktur dafür: Impfzentren, mobile Impfteams und Hausärzte. Die Ministerpräsidentenkonferenz muss deshalb eindeutig festlegen, wer die dritte Impfung verabreichen soll, dafür auch Unterstützung bereitstellen und alle nötigen Kapazitäten hochfahren.

    Booster-Impfung: Es braucht eine klare Empfehlung

    Drittens müssen die Politikerinnen und Politiker unbedingt eine einheitliche Empfehlung formulieren, wer wann seine dritte Impfung bekommen kann. Dass jeden Tag eine andere Einschätzung durch die Nachrichten geistert, verwirrt die Menschen ungemein. Gleichwohl braucht es genauso klare Regeln, wie man an seinen Impftermin kommt und wann man an der Reihe ist. Am besten wäre es, endlich eine Impfstrategie aufzusetzen, die langfristig gedacht wird – damit Deutschland vorbereitet in das nächste Jahr und eine nicht auszuschließende fünfte Welle gehen kann.

    3. Wie können Kinder in der Corona-Pandemie besser geschützt werden?
    3. Wie können Kinder in der Corona-Pandemie besser geschützt werden? Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Für Kinder unter zwölf Jahren gibt es in Deutschland noch keinen zugelassenen Impfstoff – für alle Jungen und Mädchen unter fünf Jahren wird das auf absehbare Zeit auch so bleiben. Sie können nur mithilfe von sicheren und verbindlichen Testkonzepten vor einer Infektion geschützt werden. An bayerischen Grundschulen gibt es bereits flächendeckende verpflichtende PCR-Pool-Tests, an den Kitas hingegen besteht noch großer Nachholbedarf. Immer mehr Eltern fordern bereits die Einführung dieses „Gold-Standards“ unter den Corona-Tests in Kindergärten und Krippen, damit die Einrichtungen offen bleiben und die Kinder sicher spielen können.

    Die Lolli-Methode wird in Kitas zu selten umsetzt

    Mit der Lolli-Methode gibt es längst eine Möglichkeit, Kinder sehr entspannt zu testen. Dann werden alle Speichelproben einer Gruppe zusammengeworfen und gemeinsam in einem verlässlichen PCR-Verfahren überprüft. So lässt sich erst einmal feststellen, ob es einen positiven Fall gibt. Falls nein, hätten alle Familien zumindest für den Moment Sicherheit. Falls ja, kann man mit Einzeltests infizierte Kinder herausfinden und in Quarantäne schicken, noch bevor sie ansteckend sind – und dann die ganze Gruppe zu Hause bleiben muss. Um das Risiko weiter zu minimieren, sollte auch die Teilnahme für das gesamte Personal verpflichtend sein. Noch besser wären zusätzliche Umfeldtestungen der Eltern, weil bisher viele Infektionen über die Erwachsenen in die Einrichtungen kamen.

    Bisher wird erst in wenigen bayerischen Kitas dieses zuverlässige Testkonzept umgesetzt – weil vielen Kommunen der vom Freistaat vorgegebene bürokratische Aufwand zu groß erscheint. Dabei gäbe es durch das Pool-Verfahren genügend Laborkapazitäten. Und auch die Logistik ist machbar, wenn der Freistaat die Kommunen unterstützen würde wie schon bei den Schulen.

    Für Kinder kann die Teilnahme freiwillig bleiben, wenn adäquate Test-Anreize gesetzt werden. In Köln ist es etwa so: Im Falle einer Corona-Infektion in der Gruppe dürfen negativ PCR-getestete Kinder weiter in die Kita gehen, müssen dann aber eine Woche lang alle zwei Tage einen Test machen. Stäbchenlutschen bewahrt vor Quarantäne – wen wundert’s, dass die meisten Eltern in Köln ihre Kita-Kinder freiwillig mittesten lassen?

    4. Wie soll das mit dem Homeoffice auf Dauer gut gehen?
    4. Wie soll das mit dem Homeoffice auf Dauer gut gehen? Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Der Großversuch mit der Homeoffice-Pflicht, der Ende Juni ausgelaufen ist, hat wertvolle Erkenntnisse gebracht. Wie sich zeigte, ist es möglich, viele Tätigkeiten von zu Hause aus zu erledigen und damit einen Beitrag zum Infektionsschutz zu leisten. Wenn jetzt über eine Wiederkehr des „Büro-Verbots“ nachgedacht wird, müssen aber auch die vielen Fragen beantwortet werden, die sich gestellt haben. Denn für jeden Betroffenen bedeutet Homeoffice etwas anderes, mal überwiegen die Vorteile, mal die Nachteile. Die können sogar körperliche Schmerzen verursachen.

    Fakt ist: Das Homeoffice wird nicht mehr verschwinden

    In der Theorie gilt die strenge Arbeitsstättenverordnung, in der Praxis malträtierten viele ihren Rücken oder Nacken beim Arbeiten am Küchentisch, starrten bei funzeligem Licht in kleine Laptops, sodass die Sehkraft litt. Bei den einen überwiegt die Freude über die wegfallende Pendelei und sinkende Spritkosten, bei anderen gehen höhere Strom- und Heizkosten richtig ins Geld. Alleinlebende klagen über Vereinsamung. Es gibt sowohl die Klagen über eine Entgrenzung von Berufs- und Privatleben, gefühlt nie endende Arbeitstage, als auch die Freude über eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch das ist nicht immer der Fall, wenn Kinder wegen Corona nicht in Kita oder Schule können.

    Fakt ist, dass das Homeoffice bleiben wird, zumindest in Teilen und zeitweise. Schon allein, weil sich eine Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das wünscht. Und Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels damit bei Bewerbern punkten können. So müssen für das Homeoffice verlässliche Maßgaben gefunden werden, die weder auf Kosten der Beschäftigten gehen noch die Wirtschaft überfordern.

    5. Wie gelingen Corona-Tests besser, schneller und häufiger?
    5. Wie gelingen Corona-Tests besser, schneller und häufiger? Foto: Jens Kalaene, dpa

    Ist 2G, der Zutritt zu Restaurants oder Veranstaltungen nur noch für Genesene und Geimpfte, das letzte Mittel zur Bekämpfung der hohen Infektionszahlen? Nein, ist es nicht. Aber sollten die Werte nicht rasch sinken, was zu befürchten ist, muss die nächste Stufe 2G plus frühzeitig vorbereitet werden. 2G plus könnte bedeuten, dass zusätzlich zum Impfnachweis ein negatives Testergebnis nötig ist. Sachsen und Berlin bereiten sich schon darauf vor.

    Heißt also: Die Kommunen – mithilfe der Länder – müssen wieder deutlich mehr und in den Städten vor allem dezentral Testkapazitäten aufbauen. Tun sie das nicht, werden die wenigsten Menschen bereit sein, sich fernab ihres Wohnviertels in Schlangen einzureihen, um am Abend in ihrer nächsten Umgebung Essen oder ins Kino gehen zu können. Das käme quasi einem Teil-Lockdown in der Gastronomie und in Kultureinrichtungen gleich und das kann niemand wollen.

    Zusätzliche Tests erhöhen die Sicherheit für alle Beteiligten

    Nerven zusätzliche Tests für Geimpfte nicht? Natürlich. Aber so lange die Drittimpfung so langsam anläuft, die das Infektionsrisiko für sich und andere deutlich senkt, erhöhen Tests die Sicherheit für alle Beteiligten. Zweitens könnten sie eine Möglichkeit sein, um in Innenräumen wieder auf Masken verzichten zu können – was die Lust auf Theater und Co steigern würde. Und der Impfbereitschaft wird ein Hochfahren der Test-Infrastruktur auch nicht schaden. Ein Test allein reicht ja nicht, um in die Pizzeria gehen zu dürfen. 2G ist gerade erst gestartet. 2G plus ist nur eine Frage der Zeit. Alles läuft dann auf Extra-Tests hinaus. Darauf kann sich die Politik vorbereiten. Nein: Sie muss!

    6. Wie lösen wir das Personalproblem in Pflegeberufen?
    6. Wie lösen wir das Personalproblem in Pflegeberufen? Foto: Waltraud Grubitzsch, dpa

    Versprochen hat die Politik den Pflegekräften in diesem Land schon viel. Verstanden habe man deren Not, verstanden habe man deren Forderungen, verstanden habe man vor allem, dass ohne sie gar nichts geht, dass ohne sie kein Gesundheitssystem funktioniert. Versprochen hat die Politik ihnen das wohl gemerkt schon vor dieser Pandemie. Denn Pflegekräfte fehlen seit vielen Jahren. Auch deshalb hat sich die Situation in den Intensivstationen so schnell zugespitzt. Es fehlt das Personal, um mehr Intensivbetten zu betreiben. Seit vielen Jahren weiß die Politik, dass dringend die Arbeitsbedingungen verbessert werden müssen, dass der Mensch wieder in den Mittelpunkt gerückt werden muss – also sowohl der Pflegebedürftige, aber auch der Pflegende.

    Jetzt in dieser dramatischen vierten Welle der Corona-Krise droht die Pflege völlig zu kollabieren. Weil die Politik weiter zugesehen hat, ohne für echte Verbesserungen zu sorgen. Das darf und kann sich die neue Regierung nicht mehr leisten. Sie muss die Pflege ganz schnell und vor allem dauerhaft auf gesunde Beine stellen. Die Pflege muss oberste Priorität in der neuen Koalition genießen und vor allem den Pflegeberuf attraktiver machen.

    Dazu gehören vor allem auch eine bessere Bezahlung und gute Rahmenbedingungen, damit diesen wertvollen Beruf mehr junge Leute erlernen, aber vor allem, damit nicht noch mehr Pflegekräfte kündigen oder ihre Arbeitszeit kürzen.

    Pflegekräfte sollten sofort großzügige finanzielle Hilfen erhalten

    Georg Sigl-Lehner, Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern, fordert zu Recht einen kompletten Systemwechsel, der die Pflegekräfte endlich in eine professionelle Position bringt, die ihnen zusteht und die eine angemessene Mitsprache sichert. Die Politik muss zudem dafür sorgen, dass nicht einzelne Player in diesem Milliardenmarkt kräftig verdienen und das Geld an anderer Stelle fehlt, nämlich bei den Pflegebedürftigen und den Pflegenden.

    Als Signal sollten Pflegekräfte sofort großzügige finanzielle Hilfen erhalten, damit sie, denen jetzt so unfassbar viel abverlangt wird, eine Anerkennung spüren und durchhalten. Und doch ist es zu wenig, den Pflegekräften ein paar Bonbons zuzuwerfen, ohne ihre Arbeitssituation dauerhaft zu verbessern.

    7. Wie gehen wir auf Dauer mit Ungeimpften um?
    7. Wie gehen wir auf Dauer mit Ungeimpften um? Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolfoto)

    Nach Österreich scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der Lockdown für Ungeimpfte auch in Deutschland auf der Tagesordnung steht. Geben wir damit Impfverweigerern die Schuld an der jetzigen Situation, machen die politisch Verantwortlichen sie – trotz eigener Fehler – zu Sündenböcken? Fakt ist: Ein Lockdown für Ungeimpfte in Gastronomie und bei Veranstaltungen durch hartes 2G allein wird nach Ansicht der Virus-Mathematiker und Epidemiologen nicht ausreichen, um die Welle rechtzeitig zu brechen, bevor die Klinken überlastet sind und voll auf Notbetrieb umschalten müssen. Es wäre also ein ungewisses Experiment.

    Die Regierenden müssen deshalb auch eine andere Frage beantworten: Wie kann die Gesellschaft die Ungeimpften, aber auch andere schwache Gruppen gemeinsam besser schützen? Was so positiv klingt, ist in Wahrheit die Frage nach einem weiteren Lockdown für alle – zumindest in den am härtesten betroffenen Bundesländern. Die Schulen könnten laut Epidemiologen weitestgehend offenbleiben, allerdings sollte erwogen werden, ob zum Schutz der Erwachsenen die Weihnachtsferien schon eine Woche früher als geplant beginnen sollen, um die Ansteckungsrisiken rund um das Weihnachtsfest im Kreis der Familie zu senken.

    Ist eine Impfpflicht die richtige Antwort?

    Und es bleibt noch eine Frage: Wie erreicht man Ungeimpfte überhaupt noch? Die meisten lehnen die Impfung ja aus einem Gefühl heraus ab. Ist eine Impfpflicht darauf tatsächlich die richtige Antwort, oder müsste die Politik – und noch mehr die Gesellschaft – eine positivere gemeinschaftliche Stimmung schaffen, damit wir die Pandemie dauerhaft hinter uns lassen können?

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