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Corona-Pandemie: Wenn bei Pflegern aus Überforderung Verzweiflung wird

Corona-Pandemie

Wenn bei Pflegern aus Überforderung Verzweiflung wird

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    Der Pflegeberuf ist hart – doch in den Einrichtungen, in denen es zu einem Ausbruch von Corona kommt, sind die Mitarbeiter schnell am Limit. Dies belegt eine aktuelle Studie.
    Der Pflegeberuf ist hart – doch in den Einrichtungen, in denen es zu einem Ausbruch von Corona kommt, sind die Mitarbeiter schnell am Limit. Dies belegt eine aktuelle Studie. Foto: Jens Wolf, dpa (Symbolbild)

    Am Anfang, sagt Angela Noack, stand die Verunsicherung. „Jeder hatte schon von Corona gehört, aber niemand konnte sich vorstellen, wie es ist, wenn man Corona tatsächlich im eigenen Haus hat.“ So blickt die Pflegedienstleiterin des Altenpflegeheims „Abendfrieden“ auf die Zeit zurück, als das Virus an Fahrt aufnahm und sich unaufhaltsam verbreitete. Es folgten massive Einschränkungen und Belastungen für die Bewohner der Einrichtung, aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Welche das sind, das zeigt in teils erschreckenden Befunden eine Studie der Diakonie – zu der das „Abendfrieden“ im sächsischen Niesky gehört – über die Herausforderungen in der Pflege während der Corona-Krise.

    Pflegedienstleiterin Noack berichtet davon, dass in ihrer Einrichtung wegen Corona 30 Bewohnerinnen und Bewohner binnen kürzester Zeit gestorben seien. Für eine adäquate Sterbebegleitung sei aber keine Zeit gewesen. Auch nicht für Gespräche mit den Angehörigen. Hinzu kamen ständig neue Bestimmungen vom Gesundheitsamt, die sich teilweise widersprochen hätten und unverständlich waren.

    Für liebevolle Zuwendung blieb vielen Pflegern in von Corona betroffenen Einrichtungen kaum noch Zeit.
    Für liebevolle Zuwendung blieb vielen Pflegern in von Corona betroffenen Einrichtungen kaum noch Zeit. Foto: Jens Kalaene, dpa (Symbolbild)

    Als die Infektion ausbrach, erzählt Noack, war es nicht möglich, die gewohnte Pflege zu leisten. Lediglich für die Grundversorgung, also vor allem Essen und Waschen, sei Zeit gewesen. „Wir waren ganz weit entfernt von der Pflege, wie wir sie uns eigentlich wünschen.“ Irgendwann kam die Schutzkleidung an, die aber war „nicht nur Schutz, sondern auch eine enorme Last“. Das Anlegen kostet Zeit, das dicke Material der Schutzmäntel macht das Arbeiten zur Tortur. Es seien, sagt Noack, Mitarbeiter gekommen „die mir zeigten, wie ihnen der Schweiß aus dem Ärmel floss“. Bewohner hätten das Pflegepersonal wegen der Masken nicht mehr erkannt. „Es war absolut erschwerend und traurig.“

    Nicht nur die Umstände innerhalb der Einrichtung würden die Arbeit belasten, auch der Druck von außen sei groß. „Was es auch erschwert hat, war, dass es am Anfang wenig Verständnis in der Bevölkerung gab“, sagt Noack. Das Personal sei regelrecht ausgegrenzt worden. Es habe Schuldzuweisungen gegeben, dass das Virus ja von irgendwem eingeschleppt worden sei, auch die Partner der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien ausgegrenzt worden und hätten sich Beschimpfungen anhören müssen. Übereifrige Nachbarn hätten sich als Spitzel entpuppt, Kindern des Personals sei der Zugang zur Kita selbst dann verwehrt worden, wenn ein negativer Corona-Test vorgelegen habe.

    Oft konnten externe Dienstleister und Ehrenamtliche in der Corona-Pandemie nicht mehr unterstützen

    Diese Erfahrungen finden sich in der Studie wieder. Demnach berichten 70 Prozent der Befragten von einer erheblichen Verdichtung ihrer Arbeit. Auch, weil externe Dienstleister und ehrenamtliche Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen nicht mehr aufs Gelände durften und somit nicht mehr unterstützen konnten. Vielfach mussten Mitarbeiter selbst in Quarantäne oder wurden coronabedingt freigestellt.

    Die Studie verweist auf viele Klagen über fehlende Schutzkleidung, Masken und Desinfektionsmittel sowie andere Ausrüstung. Ein Mangel, der über die Monate nicht immer gänzlich behoben werden konnte. Dass es in rund 80 Prozent der Einrichtungen in der stationären Altenhilfe trotzdem keine Infektionen gegeben habe, sei „zuerst der verantwortungsbewussten und professionellen Reaktion der Mitarbeitenden in den Einrichtungen zu verdanken“, erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie.

    Systemische Unwuchten gab es schon vor der Corona-Pandemie

    Studienleiter Daniel Hörsch von der evangelischen Arbeitsstelle Midi erinnert an Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im Rahmen des Bürgerdialogs zu einer „besonderen Aufmerksamkeit“ für die zu pflegenden Menschen, ihre Angehörigen und eben das Pflegepersonal aufgefordert hatte. Dabei habe die Pandemie nur lang bekannte und bisher nur zögerlich angegangene systemische Unwuchten im Pflegebereich offenbart. Die Pflege sei bereits vor der Corona-Krise oft am Limit gewesen.

    Von Wut, Verzweiflung, Ärger und Überforderung berichtet das Personal in den Pflegeheimen. Den Männern und Frauen ist dabei noch gut der Beifall in Erinnerung, der ihnen im Bundestag und auf den Straßen gezollt wurde. Doch das reicht nicht. „Die Menschen sind müde, zum Teil wirklich sauer, wenn sie nur Balkonbotschaften hören“, sagte Diakonie-Präsident Lilie. Nötig seien stärkere Anstrengungen, um den Fachkräftemangel zu beheben, verlässliche Rahmenbedingungen und mehr Anerkennung. Gut tun würde es ihnen, sagen viele Teilnehmer der Studie, wenn die gesellschaftliche Relevanz ihrer Arbeit auch substanziell unterfüttert würde.

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