Seit einer Woche gilt in Deutschland der harte Lockdown. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, nachts gelten strenge Ausgangssperren und tagsüber soll das Haus eigentlich niemand verlassen - außer es liegt ein triftiger Grund vor. Doch noch ist von diesen strengen Maßnahmen in den Corona-Fallzahlen wenig zu merken.
Die Zahl der täglich Neuinfizierten steigt weiter und am Dienstag meldete das Robert-Koch-Institut einen neuen Höchstwert bei den Todesfällen. 962 Menschen sind binnen 24 Stunden an oder mit dem Coronavirus verstorben. Wann also lässt sich an den Corona-Zahlen ablesen, ob der Lockdown wirkt? Wann sinken sie?
Wegen der Corona-Pandemie müssen alle ihre Kontakte drastisch reduzieren
Eines der Probleme am Lockdown light, der bis zum 15. Dezember in Deutschland galt, war, dass die Zahl der Kontakte nicht weit genug gesunken war. Denn je mehr Menschen sich begegnen, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass jemand auf eine infizierte Person trifft und sich ansteckt - Wissenschaftler nennen das relevante Kontakte.
Damit deren Zahl sinkt, hätte jeder seine Kontakte schon im November um 75 Prozent reduzieren müssen. Doch nach einer Berechnung der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina sind in Deutschland die Kontakte nur um 43 Prozent zurückgegangen. Zu wenig. Also kam der harte Lockdown.
Um vorherzusagen, wie sich die Zahlen in der Corona-Pandemie entwickeln werden, haben verschiedene Wissenschaftler Modellrechnungen erstellt. Eine von ihnen ist Maria Barbarossa. Die Mathematikerin arbeitet am Frankfurt Institute for Advanced Studies und hat zusammen mit ihrem Kollegen Jan Fuhrmann ein Modell erstellt, mit dessen Hilfe sich die Zahlen der Pandemie prognostizieren lassen. Sie sagt: "Bis der harte Lockdown einen Effekt zeigt, vergehen mindestens zehn bis 14 Tage." Die Zahl der Todesopfer sinke noch einmal bis zu drei Wochen später. "Menschen, die an Covid-19 sterben, sterben meistens mehrere Tage nach Auftreten der Symptome."
Maria Barbarossa: Wenn der Lockdown eine Kontaktreduktion gebracht hat, sinken die Zahlen nach Weihnachten
Das heißt: "Wenn der harte Lockdown eine deutschlandweit signifikante Kontaktreduktion ab dem 16.12. erbracht hat, werden erst nach Weihnachten die Fallzahlen sinken", sagt Barbarossa. Wenn. Denn, ob das wirklich so eingetreten ist, können die Mathematiker noch nicht sagen. Barbarossa ergänzt: "Die Maßnahmen wirken sich so gut aus, wie wir uns alle dran halten."
Lockdown: Corona-Regeln seit 16. Dezember 2020
Weihnachten
An Heiligabend und Weihnachten (24. bis 26. Dezember) dürfen zum eigenen Haushalt noch vier weitere Menschen hinzukommen - die Zahl der weiteren Haushalte spielt keine Rolle. Auch hier zählen Kinder unter 14 Jahren nicht mit. Es gilt aber in Bayern eine generelle Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr.
Silvester
Es gelten die allgemeinen Corona-Maßnahmen, was Zahl der Kontakte und Ausgangssperre anbelangt. Nach dem Beschluss von Bund und Ländern gilt an Silvester bundesweit ein An- und Versammlungsverbot. Außerdem gibt es ein Feuerwerksverbot an belebten Plätzen, die von den Kommunen festgelegt werden. Es gilt zwar nicht direkt ein Böllerverbot, der Verkauf von Feuerwerk ist aber untersagt.
Einzelhandel
Die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels ist untersagt. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel einschließlich Direktvermarktung, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, der Verkauf von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermittel und der Verkauf von Weihnachtsbäumen. Wochenmärkte sind nur zum Verkauf von Lebensmitteln zulässig. Der Großhandel bleibt geöffnet. Die danach ausnahmsweise geöffneten Geschäfte dürfen über ihr übliches Sortiment hinaus keine sonstigen Waren verkaufen
Dienstleistungen
Dienstleistungsbetriebe mit Kundenverkehr, bei denen körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist, sind untersagt. Das schließt neben Massagepraxen, Kosmetikstudios, Tattoo-Studios und ähnlichen Betrieben auch Friseure ein. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physio-, Ergo und Logotherapien oder Podologie bleiben weiter möglich.
Gastronomie
In der Gastronomie sind nur die Abgabe und Lieferung von Speisen und Getränke zulässig. Bei der Gastronomie einschließlich Imbissständen wird der Verzehr von Speisen und Getränken vor Ort untersagt. Kantinen bleiben offen.
Und gerade, was das betrifft, ist Thorsten Lehr nicht ganz so optimistisch. Lehr ist Professor für klinische Pharmazie an der Universität des Saarlandes und hat mit einem Team ebenfalls einen Simulator entwickelt. Dieser soll vorhersagen, wie die Pandemie verläuft. Gibt man in diese Simulation einen R-Wert ein, der ab dem 1. Januar bei 0,7 liegt, beginnt die Zahl der Neuinfizierten im neuen Jahr zu sinken. Die 7-Tage-Inzidenz erreicht für ganz Deutschland Anfang Februar einen Wert von unter 50.
Aber: Nach Angaben des RKI liegt der R-Wert momentan in ganz Deutschland bei etwa 1, "im längerfristigen Verlauf leicht über 1." Und auch Lehr glaubt nicht, dass die Zahlen bald dieser Simulation entsprechen werden. Er sagt: "Erste Erfolge des Lockdowns werden wir leider nicht so schnell sehen." Das liegt nicht nur am R-Wert, der viel höher ist als im Simulator eingestellt. Das liegt auch an Weihnachten.
Denn für die Tage zwischen dem 24. Dezember und dem 26. Dezember sind viele der strengen Corona-Regeln zumindest ein bisschen lockerer. Das heißt: Es sind auch wieder mehr Kontakte möglich. Lehr sagt daher: "Wenn ich mir die aktuellen Zahlen anschaue, die Aktivitäten an Weihnachten dazu zähle und die neue Variante des Virus im Hinterkopf habe, dann habe ich da meine Zweifel, dass wir im Januar oder Anfang Februar einen Inzidenzwert von 50 in Deutschland erreichen."
Wann erreicht Deutschland einen Inzidenzwert von 50?
Das ist das Ziel des harten Lockdowns, der vorerst bis zum 10. Januar gilt. Der Inzidenzwert in Deutschland - also die Zahl der innerhalb einer Woche neu an Corona erkrankten Personen gerechnet auf 100.000 Einwohner - soll auf 50 sinken. Am Dienstag lag er laut RKI bei 195,1.
Barbarossa ist da etwas zuversichtlicher - aber die Mathematikerin sagt auch: Noch ist vieles recht ungewiss. Wenn die Lockerungen zu Weihnachten damit einhergehen, dass vor Weihnachten alle ihre Kontakte heruntergefahren haben, dann werde der "Weihnachtseffekt" wohl nicht so dramatisch ausfallen wie zunächst angenommen. "Von der Wirksamkeit dieser Maßnahmen hängt ganz entscheidend ab, wie lange es dauert, bis die Inzidenz wieder unter den Zielwert von 50 pro 100.000 Einwohner und sieben Tage fällt. Das lässt sich im Moment noch nicht prognostizieren", sagt Barbarossa.
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