Angesichts steigender Corona-Zahlen rückt die Frage, wie sicher Geimpfte tatsächlich in den Winter gehen, wieder in den Mittelpunkt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Impfschutz nach etwa einem halben Jahr nachlässt. Die gute Nachricht: Eine dritte Dosis des Impfstoffs von Biontech schützt laut einer aktuellen Studie zu mehr als 95 Prozent vor dem Virus. Doch bisher haben in Bayern nur knapp 208.000 Menschen eine solche Auffrischung bekommen. Das hat einen harmlosen und einen durchaus problematischen Grund.
Der harmlose ist schnell erklärt: Die dritte Spritze soll frühestens sechs Monate nach der zweiten verabreicht werden. Viele Menschen in Deutschland haben aber erst seit dem Sommer den doppelten Impfschutz, für sie kommt eine sogenannte Booster-Impfung also erst Anfang kommenden Jahres infrage.
Dritte Impfung: Nach einigen Monaten lässt die Wirkung von zwei Dosen nach
Der zweite Grund ist weniger banal und könnte noch zum Risiko bei der Überwindung der Pandemie werden: Auf die in diesem Jahr mühsam aufgebaute Infrastruktur kann nur bedingt zugegriffen werden. Viele Geimpfte haben sich längst von der digitalen Plattform abgemeldet, auf denen die Impftermine koordiniert wurden. Zum Teil wurden die Profile nach ein paar Monaten auch automatisch gelöscht. In dem Gedanken, dass mit zwei Dosen ja der volle Schutz erreicht sei, schien man die erfassten Daten nicht mehr zu brauchen.
Doch inzwischen steht fest, dass die Wirkung nach einigen Monaten wieder abnimmt – bei Älteren noch schneller als bei Jüngeren. Da die meisten Risikopatienten mit der ersten Impfung früh dran waren, lässt ihr Immunschutz also schon jetzt nach. Das dürfte aber längst nicht allen Betroffenen bewusst sein.
Für Ältere ist die Auffrischimpfung am wichtigsten
Zwar kann das Risiko durch eine Auffrischung leicht minimiert werden, Impfstoff dürfte inzwischen auch genug vorhanden sein und tatsächlich ist die Nachfrage hoch, wie die Kassenärztliche Vereinigung am Freitag bestätigte. Allerdings ist der Weg zur dritten Spritze unübersichtlich. Während die erste und zweite Impfung in der Regel als Paket in der Arztpraxis oder im Impfzentrum „gebucht“ wurden, müssen die meisten Interessierten sich nun erst einmal umschauen, wie sie die dritte Dosis kommen. Eine zusätzliche Hürde – gerade für ältere oder gesundheitlich angeschlagene Menschen, für die eine Auffrischung am wichtigsten wäre.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt Booster-Impfungen für über 70-Jährige und Personen, die im medizinischen oder Pflegebereich arbeiten beziehungsweise selbst aufgrund von Vorerkrankungen besonders gefährdet sind. Wer mit dem Präparat von Johnson & Johnson geimpft wurde, soll den Schutz ebenfalls erneuern lassen.
Mit Boosterimpfungen gegen Impfdurchbrüche?
Gerade in Alten- und Pflegeheimen steigt die Zahl der Impfdurchbrüche aktuell an. Das sieht auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek mit Sorge. Auffrischungsimpfungen bezeichnete er im Gespräch mit unserer Redaktion als „wichtigen Punkt“ seiner Strategie gegen die Pandemie. „In dieser Woche haben wir die Impfzentren gebeten, bei den Heimen nachzuhaken. Außerdem haben wir erneut mit den Pflege-Verbänden gesprochen und darauf hingewiesen, dass Auffrischungsimpfungen sehr wichtig sind“, sagte der CSU-Politiker und fügte hinzu: „Insbesondere bei Menschen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, ist eine Drittimpfung nach sechs Monaten ratsam.“ Holetschek betonte, dass auch der Impfschutz von Frauen und Männern, die berufsbedingt regelmäßig Kontakt mit infektiösen Menschen haben, aufgefrischt werden könne.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach forderte eine systematische Booster-Impfungs-Kampagne. Bislang haben bundesweit laut Robert-Koch-Institut rund 1,5 Millionen Menschen eine dritte Dosis erhalten.