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Corona-Pandemie: Regierung verschläft die Verlängerung der Insolvenz-Fristen

Corona-Pandemie

Regierung verschläft die Verlängerung der Insolvenz-Fristen

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    Für pandemiebedingt überschuldete Firmen bleibt die Pflicht zum Stellen einen Insolvenzantrags  bis Ende April ausgesetzt. Die Bundesregierung hätte das Gesetz dazu fast verpennt.
    Für pandemiebedingt überschuldete Firmen bleibt die Pflicht zum Stellen einen Insolvenzantrags bis Ende April ausgesetzt. Die Bundesregierung hätte das Gesetz dazu fast verpennt. Foto: Martin Gerten, dpa (Symbolbild)

    Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie werden aller Voraussicht nach eine Welle von Insolvenzen nach sich ziehen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sorgt gerade maßgeblich dafür, dass sich diese Welle noch nicht zu voller Höhe aufgebaut hat. Damit sie erst später über Deutschland hereinbricht, hatte sich die Bundesregierung dafür ausgesprochen, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. April zu verlängern. Schwarz-Rot schrammte dabei aber nur haarscharf an der totalen Pleite vorbei.

    Insolvenz-Frist: Eilverfahren der Bundesregierung geht zu Lasten der Opposition

    Praktisch in letzter Minute fiel den Verantwortlichen – federführend ist das Bundesjustizministerium mit Christine Lambrecht (SPD) an der Spitze - auf, dass die Verlängerung des Ende Januar auslaufenden COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) beschlossen werden muss. Und zwar in dieser Woche, der letzte Sitzungswoche des Bundestages in diesem Monat. „Erst vor zehn Tagen ist es der Regierung aufgefallen, dass am 31. Januar die Frist zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausläuft“, sagte die Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Katja Hessel (FDP), unserer Redaktion.

    Eile war also angesagt, und so beschloss das Bundeskabinett am 20. Januar ohne Aussprache eine sogenannte Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD. Die wiederum setzten auf das sogenannte Omnibusverfahren – ein zulässiger, aber umstrittener Trick, bei dem in diesem Fall das Thema Insolvenzen auf die Beratungen über ein anderes Thema sozusagen oben draufgepackt wurde. Ein Nachteil dabei ist, wie auch hier, dass es keine erste Lesung im Parlament gibt, was zu Lasten der Opposition geht. Eine Anhörung konnten FDP, Grüne und Linke immerhin kurzfristig noch durchsetzen. Deren Inhalt dürfte der Regierung zu denken geben, denn die Sachverständigen begrüßten die Verlängerung der Aussetzung, kritisierten jedoch wesentliche Aspekte.

    Regierung versemmelt Corona-Hilfen: Die FDP ist empört

    „Was wir heute erlebt haben, war die Fortsetzung der Pleiten, Pech und Pannen-Show der Regierung, wenn es um Corona-Hilfen geht“, sagte Hessel, nachdem das Gesetz am Donnerstag den Bundestag passiert hatte. Das kleinteilige auf Sicht fahren gefährde die Unternehmen in einer Notsituation zusätzlich, denn es gebe keine Planungssicherheit, keine schnellen Hilfen und vor allem keine Perspektive.

    Politiker erwarten in diesem Jahre eine Pleitewelle in Folge der Corona-Pandemie. Die  Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die Adler Modemärkte gilt vielen als erste Warnschuss.
    Politiker erwarten in diesem Jahre eine Pleitewelle in Folge der Corona-Pandemie. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die Adler Modemärkte gilt vielen als erste Warnschuss. Foto: Frank Leonhardt, dpa (Symbolbild)

    Die FDP-Politikerin kritisierte nicht nur das Verfahren. „Ich habe Bauchschmerzen mit der Verlängerung der Frist, denn diese begünstigt das Weiterbestehen von wirtschaftlich nicht mehr lebensfähigen Unternehmen“, sagte Hessel. Wenn die Verlängerung am 31. April auslaufe, sei eine Insolvenzwelle zu befürchten. „Durch die dadurch entstehenden Zahlungsausfallrisiken können gesunde Unternehmen in Gefahr geraten, und auch die Kreditausfallrisiken der Banken steigen.“ Die EU habe das Problem bei den Banken erkannt und schon im Dezember einen Aktionsplan vorgestellt, während die Bundesregierung noch abwinke. „Das kann uns fahrlässig in die nächste Krise schlittern lassen“, sagte Hessel.

    Chronologie der Corona-Pandemie in Deutschland

    Im Januar 2020 ist die erste Corona-Infektion in Deutschland bekannt geworden. Ein Rückblick:

    27. Januar: Erste bestätigte Infektion in Deutschland. Zwei Wochen später ist der Mann aus Bayern wieder gesund.

    25./26. Februar: Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen melden erste nachgewiesene Fälle. Weitere Bundesländer folgen, am 10. März hat Sachsen-Anhalt als letztes Land seinen ersten Fall.

    9. März: In NRW gibt es die ersten Todesfälle innerhalb Deutschlands. Die Zahl der Infektionen steigt bundesweit auf mehr als 1000.

    12./13. März: Immer mehr Theater und Konzerthäuser stellen den Spielbetrieb ein. Die Fußball-Bundesliga pausiert.

    16. März: An den Grenzen zu Frankreich, Österreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz gibt es Kontrollen und Einreiseverbote. In den meisten Bundesländern sind Schulen und Kitas geschlossen.

    17. März: Mehrere Konzerne kündigen an, ihre Fabriken vorübergehend zu schließen.

    22. März: Verbot von Ansammlungen von mehr als zwei Menschen. Ausgenommen sind Angehörige, die im eigenen Haushalt leben. Cafés, Kneipen, Restaurants, aber auch Friseure zum Beispiel schließen.

    15. April: Auf eine schrittweise Aufnahme des Schulbetriebs ab 4. Mai verständigen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs.

    20. April: Geschäfte unter 800 Quadratmetern Fläche dürfen wieder öffnen. Als erstes Bundesland führt Sachsen die Maskenpflicht für ÖPNV und Einzelhandel ein. Alle anderen ziehen nach.

    22. April: Für Firmen, Arbeitnehmer und Gastronomie werden milliardenschwere Hilfen beschlossen.

    6. Mai: Die Länder bekommen weitgehende Verantwortung für die Lockerung von Beschränkungen - etwa für Hotels, Gastronomie, Fahrschulen, Schwimmbäder und Fitnessstudios.

    16. Mai: Sachsen-Anhalt registriert als erstes Bundesland seit Ausbruch der Pandemie keine Neuinfektionen im Vergleich zum Vortag. Die Fußball-Bundesliga legt wieder los - ohne Fans in den Stadien.

    16. Juni: Im Kampf gegen das Virus geht eine staatliche Warn-App an den Start. Sie soll dabei helfen, Infektionen nachzuverfolgen. 

    29. August: Etwa 40.000 Menschen protestieren in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen. Demonstranten durchbrechen die Absperrung vor dem Reichstag und stürmen auf die Treppe.

    30. September: Angesichts wieder steigender Infektionszahlen fordert die Kanzlerin zum Durchhalten auf. "Wir riskieren gerade alles, was wir in den letzten Monaten erreicht haben", sagt Merkel im Bundestag.

    7./8. Oktober: Die Bundesländer beschließen ein Beherbergungsverbot für Urlauber aus inländischen Risikogebieten. 

    22. Oktober: Die Zahl der Neuinfektionen binnen eines Tages hat erstmals den Wert von 10.000 überschritten. Das Robert Koch-Institut (RKI) macht vor allem private Treffen dafür verantwortlich.

    2. November: Ein Teil-Lockdown mit Einschränkungen bei Kontakten und Freizeitaktivitäten soll die zweite Infektionswelle brechen.

    9. November: Als erste westliche Hersteller veröffentlichen Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer vielversprechende Ergebnisse einer für die Zulassung ihres Corona-Impfstoffs entscheidenden Studie.

    18. November: Unter dem Protest Tausender in Berlin machen Bundestag und Bundesrat den Weg für Änderungen im Infektionsschutzgesetz frei.

    25. November: Die Beschränkungen für persönliche Kontakte werden für weitere Wochen verschärft. Darauf verständigen sich Bund und Länder.

    27. November: Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen in Deutschland hat nach RKI-Daten die Millionenmarke überschritten. 

    2. Dezember: Als erstes Land der Welt erteilt Großbritannien dem Impfstoff von Biontech und Pfizer eine Notfallzulassung und startet seine Impfkampagne wenige Tage später. 

    16. Dezember: Der seit November geltende Teil-Lockdown reicht nicht aus. Der Einzelhandel muss mit wenigen Ausnahmen schließen.

    18. Dezember: Die Zahl der binnen eines Tages gemeldeten Infektionen in Deutschland ist erstmals auf mehr als 30.000 gestiegen.

    21. Dezember: Zum Schutz vor einer infektiöseren Virus-Variante dürfen keine Passagierflugzeuge aus Großbritannien mehr in Deutschland landen. Der Corona-Impfstoff von Biontech erhält von Brüssel die bedingte Marktzulassung. Somit können die Impfungen in der EU beginnen. Am 6. Januar wird auch der von Moderna zugelassen.

    24. Dezember: Heiligabend im Zeichen der Pandemie. Familienfeiern sollen klein bleiben, Christmetten wenn überhaupt nur auf Abstand stattfinden. Zudem wird die in Großbritannien aufgetretene Variante des Coronavirus erstmals auch in Deutschland nachgewiesen.

    26. Dezember: Einen Tag vor dem offiziellen Impfstart werden in einem Seniorenzentrum in Sachsen-Anhalt eine 101 Jahre alte Frau und etwa 40 weitere Bewohner geimpft. 

    27. Dezember: In allen Bundesländern beginnen die Impfungen. Zuerst sollen Menschen über 80, Pflegeheimbewohner sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal immunisiert werden.

    1. Januar 2021: Deutschland kommt vergleichsweise ruhig ins neue Jahr. Der Verkauf von Silvesterfeuerwerk war verboten. 

    14. Januar: Das Statistische Bundesamt schätzt, dass die deutsche Wirtschaftsleistung 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 5,0 Prozent eingebrochen ist.

    15. Januar: Mehr als zwei Millionen Corona-Fälle sind hierzulande bekannt geworden, knapp 45.000 Menschen sind an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Sars-CoV-2-Infektion gestorben.

    19. Januar: Bund und Länder verlängern den Lockdown bis Mitte Februar. Zudem werden die besser schützenden FFP2-Masken oder OP-Masken in Bus und Bahn sowie beim Einkaufen obligatorisch.

    21. Januar: Mehr als 1,3 Millionen Menschen haben in Deutschland bereits ihre erste Corona-Impfung erhalten, etwa 77.000 auch schon die zweite. (dpa)

    Ähnlich wie sie hatte sich in der Anhörung auch der Fachanwalt für Insolvenzrecht, Lucas Flöther, geäußert. Der Sprecher der im Gravenbrucher Kreis zusammengeschlossenen Insolvenzkanzleien erklärte nach Parlamentsangaben, aus seiner Sicht sei die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in vielen Fällen nur eine „Beruhigungspille“. Deshalb sollte eine weitere Verlängerung der Aussetzung lediglich für einen eng begrenzten kleinen Kreis von Schuldnern sowie nur für einen überschaubaren Verlängerungszeitraum und vor allem letztmalig erfolgen.

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