Dänemark macht den Schritt, auf den die Welt seit mehr als eineinhalb Jahren hinarbeitet: Zum Freitag, 10. September, erklärt das Land die Corona-Pandemie für beendet. „Wir haben rekordhohe Impfraten. Daher können wir zum 10. September einige der Sonderregeln, die wir im Kampf gegen Covid19 einführen mussten, fallen lassen“, sagte Gesundheitsminister Magnus Heunicke. Für die Dänen bedeutet das, dass sie keinen Corona-Pass mehr vorzeigen müssen, wenn sie Restaurants, Nachtklubs oder größere Veranstaltungen besuchen. Ein Mund-Nasen-Schutz muss schon länger nicht mehr getragen werden. Die Inzidenz liegt derzeit bei fast 70.
Auch andere Staaten rücken von ihren bisherigen Konzepten im Kampf gegen die Gesundheitskrise ab. In Australien, das sich seit dem Ausbruch der Pandemie vom Rest der Welt abgeschottet hat und immer wieder auf harte Lockdowns setzt, steigen die Zahlen massiv. Gladys Berejiklian, Regional-Premierministerin des besonders gebeutelten Bundesstaates New South Wales, sagte: „Es ist unmöglich, Delta zu eliminieren.“ In Deutschland gilt inzwischen die Losung: Einen Lockdown wird es nicht mehr geben, hohe Inzidenzen werden toleriert. Ist die Idee von „No Covid“ also gescheitert?
Die Corona-Strategie war stets als Übergang gedacht
„Die No-Covid-Strategie war für Australien eine sehr gute Strategie. Dank der lokalen Ausrottung gab es lange Phasen mit fast normalem Leben. Aber es ist natürlich ein Problem, wenn eine Region immer wieder mit hohen Infektionszahlen zu kämpfen hat und die Elimination nicht zügig gelingt“, sagt Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. „No-Covid war immer ein Vorschlag zur Überbrückung, bis ausreichend geimpft wurde“, sagt die Wissenschaftlerin. „Es ist also nur eine Frage von Wochen oder wenigen Monaten, bis Australien so weit ist.“ Jetzt gelte es also, den Übergang dahin gut vorzubereiten.
Auch der Ärzteverband Marburger Bund hält wenig davon, die Bemühungen um niedrige Inzidenzen als gescheitert zu bezeichnen. „Wir haben in Deutschland vieles richtig gemacht“, sagt die Vorsitzende, Susanne Johna. Schnelle Öffnungen, wie sie etwa Großbritannien unternommen hat, hält sie für falsch. „Ich bin sehr froh, dass wir einen anderen Weg gewählt haben und mehr Vorsicht haben walten lassen.“
Tatsächlich sind in vielen Ländern, die die Regeln früh gelockert haben, die Zahlen der Erkrankten – und auch der Toten – deutlich höher. Großbritannien hat bislang 133.999 Todesfälle (bei 66,6 Millionen Einwohnern) zu beklagen – zum Vergleich: In Australien mit seiner strengen No-Covid-Politik gab es bislang 1066 Todesfälle (25,3 Millionen Einwohner), in Deutschland, das einen Mittelweg gewählt hat, 92448 Todesfälle (83 Millionen Einwohner). Für Johna ist deshalb klar: „Gescheitert sind nicht die Länder, die mit strikten Maßnahmen die Infektion eingedämmt haben, sondern vor allem jene, die dem Virus nur halbherzig begegnet sind“, sagt sie.
Dänemark hat eine Impfquote von fast 80 Prozent
In Deutschland hatte ein Bündnis namhafter Experten aus der Wissenschaft für die No-Covid-Strategie plädiert. Matthias Schneider, Mitinitiator der Gruppe, sagte dem RND, der Ansatz sei gewesen, die Gefährdung für die Bevölkerung möglichst gering zu halten, bis genügend Menschen geimpft seien. Doch genau das stellt sich aktuell als das größte Problem heraus. Während Dänemark inzwischen auf eine Impfquote von fast 80 Prozent verweist, sind es in Deutschland nur knapp über 60 Prozent. Das nun wieder strauchelnde Australien hat sogar nur eine Impfquote von gerade einmal 31 Prozent.